Sie ist wertvoll für die Beziehung von Reiter und Pferd und schafft Ruhe durch Vertrauen: die Bodenarbeit. Expertin Bernadette Brune über sinnvolle Übungen und was Pferde dabei auch für die Ausbildung unter dem Sattel lernen.
Erst kürzlich hat die Grand-Prix-Reiterin wieder ein nervöses Pferd zur Arbeit bekommen, das traumatisierende Erfahrungen in der Vergangenheit gemacht hatte. Eine Begleiterscheinung davon war eine große Portion Unruhe des Pferdes am Putzplatz. Doch schon nach zwei bis drei Tagen Arbeit am Boden stand das Pferd wie ein Denkmal. „Oft sind Pferde nervös, weil sie etwas nicht verstanden haben. Der Mensch nimmt das junge Pferd aus seiner Herde raus und sagt sinngemäß: ‚So, jetzt musst du funktionieren.‘ Aber oft ist der Mensch zu schnell in seinem Vorgehen und erklärt dem Pferd nicht gut genug, was es tun soll. Dadurch wird es nervös, gestresst und eben unruhig“, weiß Bernadette Brune aus Erfahrung. Sind gesundheitliche Probleme ausgeschlossen, dann steht Bodenarbeit für die 47-Jährige bei jedem Pferd erst mal ganz oben auf der Liste, bevor ans Reiten gedacht wird. „Zum Beispiel von der Abstammung her sind manche Pferde sensibler als andere, wenn ich es auch nicht als nervös bezeichnen würde. Aber mit der Bodenarbeit habe ich immer den gleichen Effekt, mit allen Pferden“, betont Bernadette Brune die Universalität der Arbeit am Boden. Ziel sei es stets, der „Herdenchef“ zu werden und dem Pferd somit klarzumachen, wie es sich zu bewegen hat und wann es wie zu reagieren hat auf das, was man in erster Linie mit seiner Körpersprache, aber auch mit der Stimme mitteilt.
Sicherer Start
Für das Training am Boden setzt Bernadette Brune zunächst zwei Dinge voraus: Man sollte erstens vorher mit einem Profi gearbeitet haben, um das Timing und die Körpersprache in der Bodenarbeit sicher zu beherrschen. Richtig liege man dafür bei Trainern, die relativ (auch regional) bekannt sind und bei denen man sich idealerweise zuvor auch andere Pferde in der Arbeit angucken und die Ergebnisse selbst sehen kann. Zweitens empfiehlt die Dressurreiterin bei jeder Einheit am Boden Sicherheitsschuhe mit integrierter Stahlkappe sowie Handschuhe zu tragen. Und dann kann es losgehen.
Zunächst die Ausrüstung: Bernadette Brune setzt auf ein Knotenhalfter, ein Bodenarbeitsseil und eine Touchiergerte. Letztere ist jedoch nicht dazu da, um das Pferd zu berühren, sondern lediglich um ein Geräusch zu erzeugen bzw. einen verlängerten Arm zum „Zeigen“ zu haben. Unter keinen Umständen jedoch sollte die Gerte dem Pferd Schmerzen zufügen. „Ich starte immer mit ganz einfachen Übungen, um Vertrauen, Sicherheit und Balance mit dem Pferd aufzubauen. Mit nervösen Pferden suche ich mir gerne eine kleinere Halle, in der man mehr Ruhe und weniger Ablenkung hat. Dann gehe ich mit dem Pferd dort immer jeweils einige Meter und halte dann an der Bande. Das Pferd soll mit seinem Kopf auf Höhe meiner Schulter stehenbleiben. Tut es das nicht, wird es nicht gestraft, sondern ich wiederhole die Übung und stampfe beim nächsten Anhalten deutlich mit dem Fuß auf und mache ein Schschsch-Geräusch“, erklärt Brune. So erzielt man einen kleinen „Hallo wach!“-Effekt beim Pferd, das auf einen selbst aufmerksam macht, damit es vielleicht sogar zunächst einen Schritt zurückschrecken soll. Passiert das, gilt es, sofort den Druck wegzunehmen – und das Pferd stehen zu lassen. Denn: „Das größte Lob für ein Pferd ist die Pause. Gar nichts zu machen. Das bringt jedem Pferd extrem viel Ruhe“, berichtet Bernadette Brune aus Erfahrung. Häufig kauen Pferde bereits in dieser frühen Phase ab: ein gutes Zeichen für Respekt vor der Bodenarbeitsperson. Diese Übung sollte dann auch nicht hundertfach durchexerziert werden. „Immer wenn eine Übung gut gelingt, geht man zu einer anderen Übung über“, so Brune. Von Übung 1 aus wird dann mit der Anlehnung der Bande das Rückwärtstreten eingeleitet. Dafür nützt der verlängerte Arm mittels Gerte, um das Pferd vorne zu begrenzen und das „Kommando“ zurück zu geben. So fein wie möglich, so deutlich wie nötig. Man selbst bleibt dabei in Fahrtrichtung stehen und geht wie das Pferd Schritt für Schritt zurück. Klappt das gut – Pause, in Ruhe stehen und nicht zurückziehen. Der Kopf des Pferdes sollte auf Höhe der Schulter bleiben. Für die nächste Übung wird gezielt das Herdenverhalten des Pferdes als Vorbild genommen. In der Mitte der Halle lässt Bernadette Brune das Pferd nach rechts und links von ihr abwenden und somit das Gewicht des Pferdes von seiner linken auf seine rechte Schulter weichen und andersherum. Die Übung ähnelt dem Kämpfen um die Rangordnung von Pferden in freier Wildbahn, weiß Brune. Auch sie sollte man mit einem Experten üben, um in der Körpersprache ganz klar und im richtigen Timing zu sein.
Ebenfalls zunächst an der Hand ausgeführt ist die nächste Übung nicht nur für die Beziehung zwischen Pferd und Reiter hilfreich, sondern auch für die Koordination des Pferdes und seine weitere Ausbildung unter dem Sattel. In der Bahnmitte stellt man das Pferd hin und geht, wie es ein „Angreifer“-Pferd in freier Wildbahn auch tun würde, gezielt auf eine Halsseite des Pferdes zu. In der Regel reagieren Pferde darauf auf einer Seite besser als auf der anderen. Auch hier soll das Pferd der Bewegung des Menschen wieder ausweichen – erst die Schulter von sich wegwenden (Übung A, siehe Seite 34), dann die Hinterhand von sich wegschieben (Übung B, Seite 34). Dieses Mal, indem es einen kleinen Kreis um den Menschen herum beschreitet, dabei aber mit dem Kopf immer dem Menschen zugewandt bleibt. Tut es das, wird das innere Hinterbein kreuzen und unter den Schwerpunkt des Pferdekörpers fußen. Das sollte auf beiden Händen funktionieren, ohne dass der Mensch das Pferd berühren muss. Auch hier gilt es, ein-, zweimal anzufragen, ehe man einmal richtig deutlich wird, damit das Pferd versteht, dass es einem weichen soll. „Wenn ich diese Übung mit rohen oder noch sehr unerfahrenen Pferden ausgeführt habe, wird sich das Pferd fortan auch in der Box anders umdrehen. Es wird spüren, dass es besser ist, auf diese Weise seinen Körper zu benutzen. Das Gewicht dabei auf der äußeren Schulter zu behalten, indem das innere Hinterbein unter den Schwerpunkt fußt, ist dann genau das, was wir später bei der Ausbildung unter dem Sattel brauchen“, erklärt Bernadette Brune den Nutzen der Bodenarbeit für die Reiterei. Reiter können sich so die Reitausbildung des Pferdes vereinfachen. Nach der Erfahrung
von Brune lernt das Pferd so, dem Schenkel zu weichen und leichter die Balance behalten.
Die Zusammenkunft
Die Königsdisziplin der Übungen am Boden ist gewissermaßen die Freiarbeit. Gerade bei nervösen Pferden sollte hierfür eine ruhige Halle gesucht werden, idealerweise ein Roundpen. Der Strick wird gelöst, und das Pferd wird laufen gelassen. Der Reiter versucht dabei, auch frei „Schulterkontrolle“ beim Pferd zu bekommen. Das wird schließlich durch häufige Richtungswechsel erreicht. Das funktioniert wie beim Longieren. Man tritt leicht vor die Höhe des Pferdekopfes, um dem Pferd seine eigene neue äußere Schulter zuzuwenden. Je nach dem Status quo der vertrauensvollen Beziehung zwischen Reiter und Pferd wird das Pferd zunächst mit dem Kopf Richtung Bande die Richtung ändern. Später soll das Tier so sensibel – und schon mehr dem Menschen zugewandt – reagieren, dass es schließlich mit dem Kopf Richtung Mensch, also „nach innen“ auf die andere Hand wendet.
„Wenn ich an diesem Punkt angelangt bin, dass das Wenden nach innen auf beiden Seiten klappt, dann gibt es einen Moment, in dem das Pferd mir direkt in die Augen schaut. Das ist der Moment, in dem ich weiß, ich kann mich umdrehen und das Pferd wird mir überallhin folgen. Das Pferd ‚sieht mich‘. Ich bezeichne das auch als ‚die Zusammenkunft‘ von mir und dem Pferd“, erläutert die 47-Jährige. Wem das Verletzungsrisiko in der Freiarbeit zu hoch ist, kann diesen Effekt auch an der Longe erzielen. Das Prinzip bleibt das gleiche, nur muss das Pferd dabei von Anfang an in Richtung des Menschen die Richtungsänderung vollziehen. Es ist ein Stück weit weniger „Freiwilligkeit“ dabei in der Arbeit. „Je mehr das Pferd bereits erlebt hat, desto länger wird es dauern, bis ich diesen Moment der Zusammenkunft erreiche“, berichtet die Dressurreiterin aus ihrer Erfahrung. Der natürliche Instinkt bei rohen Pferden helfe bei der Zusammenkunft, weit ausgebildete Pferde beispielsweise hätten diesen Instinkt schon etwas verloren. Aber der Effekt bleibt der gleiche – und muss übrigens nur einmalig erzielt werden. „Wenn ich durch die Stallgasse gehe, heben die Pferde den Kopf, die ich am Boden gearbeitet habe. Die anderen interessieren sich nicht für mich.“ Diese Erkenntnis war für Bernadette Brune gleichermaßen überraschend wie eindrucksvoll.
So wenig Druck wie möglich
Insbesondere für nervöse Pferde ist es nach Ansicht der Bodenarbeitsexpertin essenziell, zu Beginn so wenig Druck wie möglich auszuüben. Darunter fällt auch das Streicheln. Einem nervösen Pferd, das die Bodenarbeit noch nicht kennt, bringt übermäßiges Kuscheln nach einer gelungenen Übung wenig Positives mit sich. „Eher gilt: Ich habe meinen Tanzbereich, in den das Pferd nicht eindringen soll, und andersherum genauso. Lieber durch die bewusste Pause, Ruhe, Nichtstun das Pferd loben.“ So fördere man gleichzeitig die innere Ruhe des Pferdes. Wenig Druck machen bedeutet auch, selbst Ruhe auszustrahlen und Sicherheit durch klare Körpersprache zu geben. Pferde anzuschreien ist ein No-Go. „Früher war ich auch nervös, und das Pferd war doof und hektisch, und ich habe es auch nicht verstanden. Im Laufe der Jahre habe ich gemerkt, wenn man selber entspannt ist, ist das Pferd auch entspannt“, erklärt Brune und rät, das Pferd lieber in Ruhe zu lassen, wenn man einen schlechten Tag hat.
Später, wenn das Vertrauen gewachsen ist und das Pferd mehr zum inneren wie äußeren Loslassen inklusive Lockerlassen der Unterhalsmuskulatur kommt, darf man das Pferd natürlich auch streicheln. Vor allem den Bereich zwischen den Augen des Pferdes zu streicheln intensiviert die Vertrauensbasis der Beziehung noch weiter, lehren Brune ihre Erfahrungen mit vielen Pferden, von denen einige zu Beginn auch in sich nervös und schwierig waren. Die Dressurreiterin sagt aber auch: „Circa zehn Prozent aller Pferde, die ich arbeite, bekomme ich nicht entspannt. Diese Pferde sind von früherer, falscher Arbeit in einem Maße traumatisiert, das ich nicht aufgelöst bekomme.“
Bild: Jaques Toffi