liegt zu Füßen der Pferde! Bodenarbeit verbessert die Kommunikation zwischen Mensch und Pferd, stärkt die Muskulatur des Pferdes auf eine sanfte und pferdegerechte Art und ist seit diesem Jahr auch eine Neuheit innerhalb der Reitabzeichen
Text: Jessica Classen; Fotos: Ilja van de Kasteele

Erinnern Sie sich auch noch an das Steckenpferd oder an das Kleine und Große Hufeisen? Wie motiviert wir damals alle waren und wie wir unsere Ferien damit verbracht haben, an den Lehrgängen teilzunehmen, um unser Abzeichen zu bekommen. Nachts vor den Prüfungen konnten wir vor Aufregung kaum schlafen, weil uns unzählige Fragen wie „Werde ich auch an alles denken und die Reihenfolge ‚Putzen, satteln, trensen‘ einhalten?“ oder „Wird das Cavaletti auch nicht zu hoch und der Prüfer nett sein?“ durch den Kopf gingen. Steckenpferd und Kleines und Großes Hufeisen sind nun Geschichte, denn die Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN) hat frischen Wind in das Reitabzeichensystem gebracht: Das Reiten wird nun in zehn einzelnen kleinen Schritten gelernt und dabei gibt es viel Neues zu entdecken. Prüfungsbestandteil ist jetzt auch die Bodenarbeit. „Endlich!“ – werden sich viele Reiter denken, denn wir haben lange darauf gewartet. In den Reitabzeichen 10 bis 5 wird neben anderen Bestandteilen jetzt auch die Bodenarbeit hinzugenommen und in verschiedenen Stationen geprüft, vom Führen und Anbinden des Pferdes bis hin zum Geschicklichkeits- und Gelassenheitstraining mit Stangen und Pylonen. Wir haben uns mit Dr. Claudia Münch, Trainerin mit Ergänzungsqualifikation Bodenarbeit gemäß APO 2014 und mit Lizenz des Deutschen Olympischen Sportbundes, getroffen und mit ihr verschiedene Übungen an Stangen zum Nachmachen ausprobiert, die so auch in einer Prüfung der Reitabzeichen vorkommen könnten. Bei diesem Treffen mit Mein Pferd erklärte und demonstrierte Frau Dr. Münch, wie wichtig die Bodenarbeit im täglichen Training und bei der Kommunikation mit dem Pferd ist.

Mein Pferd: Was bringt die Bodenarbeit für das Verhalten, die Wahrnehmung und Lernfähigkeit der Pferde oder für Pferdehalter und -sportler?
Dr. Claudia Münch: Die Bodenarbeit bietet dem Menschen viele Möglichkeiten, um das Verhältnis zum Pferd vertrauensvoller, respektvoller und damit auch sicherer zu gestalten. Die Ausbildung am Boden ist nicht nur eine Abwechslung im täglichen Training, sondern auch eine gezielte Übung, um die Konzentrations- und Lernfähigkeit der Pferde zu verbessern. Zahlreiche Lektionen, wie beispielsweise das Rückw.rtsrichten, können zuerst am Boden erlernt und anschließend auf das Reiten übertragen werden. Außerdem werden die Pferde insgesamt ruhiger und gelassener durch ein abwechslungsreiches Bodenarbeitstraining, was sich nicht nur im normalen Umgang, sondern auch im Gelände, bei Tierarztbesuchen oder auf dem Turnier auszahlt. Bei der Bodenarbeit spielt die Körpersprache des Menschen eine wesentliche Rolle. Um zu einer harmonischen Verständigung mit dem Pferd zu gelangen, muss der Mensch seine Körpersprache gezielt einsetzen, er schult also seine Selbstwahrnehmung und verbessert somit auch seine Koordinationsfähigkeit. Besonders wichtigist das richtige Timing von Hilfengebung, Lob und Korrektur. Dies hat für das Reiten große Vorteile, da der Reiter durch das Bodenarbeitstraining punktgenau die richtigen Hilfen geben kann.

Wie beginnt man am besten mit der Bodenarbeit?
Wie beim Reiten ist auch in der Bodenarbeit eine solide Basis wichtig. Deshalb empfehle ich, mit dem Führtraining zu beginnen. Punktgenaues Antreten, fließende Übergänge und flüssiges Rückwärtstreten wollen gelernt sein. Erst wenn diese Grundlagen sowohl beim Menschen als auch beim Pferd sicher sind, sollte der Schwierigkeitsgrad erhöht werden, denn weiterführende Übungen wie die Arbeit am langen Seil oder verschiedene Formen von Seitengängen können erst trainiert werden, wenn das Pferd gelernt hat, am Boden auf die feine Hilfengebung des Menschen zu achten.

Wie oft sollte man Bodenarbeit machen?
Um die Kommunikation am Boden immer weiter zu verbessern, ist es sinnvoll, zunächst zwei- bis dreimal in der Woche Bodenarbeit zu machen. Bodenarbeit kann als alleinstehende Trainingseinheit erfolgen, sie kann aber auch gut vor dem Reiten zum Aufwärmen gemacht oder auch mal nach dem Reiten angeschlossen werden. Bei allem Eifer muss man aber darauf achten, dass die Pferde im Anfangsstadium nicht überfordert werden dürfen. Die Zeitspanne für eine durchgehend konzentrierte Arbeit liegt im Durchschnitt bei 20 Minuten. Dies ist selbstverständlich von Pferd zu Pferd verschieden und kann auch gezielt durch sinnvolle Pausen verlängert werden.

Warum wurde die Bodenarbeit in die Prüfungen der Reitabzeichen aufgenommen?
Die FN hat in ihrem neuen Lehrbuch „Pferde verstehen: Umgang und Bodenarbeit“ in der Einleitung deutlich formuliert, dass Bodenarbeit jeden angeht, der mit Pferden zu tun hat. Bodenarbeit ist mehr als der bloße Umgang mit dem Pferd. Sie ist ein wichtigerBestandteil in der Ausbildung der Pferde und ist damit unmittelbar auch mit dem Reiten, Fahren oder Voltigieren verknüpft. Für alle die, die sich noch intensiver mit dem Thema Bodenarbeit beschäftigen möchten, hat die FN ein eigenständiges Abzeichen Bodenarbeit in die APO 2014 aufgenommen. Dieses Abzeichen besteht aus einem theoretischen Teil zu den Bereichen Verhalten, Wahrnehmung und Lernfähigkeit sowie zum Nutzen der Bodenarbeit für Menschen und Pferde und aus einem praktischen Teil, der Führ-, Gelassenheits- und Geschicklichkeitstraining beinhaltet.

Welche Vorteile bringt die Bodenarbeit innerhalb der Reitabzeichen mit sich?
Mit der Aufnahme der Stationsprüfung Bodenarbeit in die Reitabzeichen wird deutlich, dass die Ausbildung oder das Handling am Boden und das Reiten untrennbar miteinander verbunden sind. Grundlegende Kenntnisse über das Wesen des Pferdes und die daraus resultierende Art des Umgangs sollten deshalb schon bei den ersten Reitabzeichen vermittelt werden.

Was wird insgesamt vom Prüfling erwartet?
Grundsätzlich wird in den Prüfungen die harmonische Interaktion zwischen Mensch und Pferd bewertet, das heißt die korrekte und feine Hilfengebung des Menschen und die präzise und willige Ausführung des Pferdes. Die Bodenarbeitsprüfung ist besonders gelungen, wenn die Hilfengebung nahezu unsichtbar ist und das Pferd die Übungen gelassen und flüssig bewältigt.

Wie würden Sie die vorgestellten Übungen an der Hand erarbeiten? Was könnten mögliche Fehlerquellen sein?
Die erste Fehlerquelle liegt in der Voreiligkeit. Stangen sollten grundsätzlich erst in die Bodenarbeit integriert werden, wenn sich das Pferd willig und präzise mit minimalem Hilfeneinsatz führen lässt. Sind diese Voraussetzungen geschaffen, kann der Schwierigkeitsgrad mit der Stangenarbeit Schritt für Schritt gesteigert werden. Wie bei allen Übungen am Boden, ist auch beim Überqueren der Stangen die Körpersprache des Menschen wichtig. Die Linienführung sollte, wie auch beim Reiten, vorher klar sein und die Stangen deshalb mittig angeführt werden. Der Mensch darf dabei nicht zögerlich gehen oder dauerhaft nach unten schauen, das würde das Pferd verunsichern.

Für wie wichtig erachten Sie die Stangenarbeit in Bezug zu den anderen Übungen der Bodenarbeit, die auch bei den Reitabzeichen gefragt werden können?
Die Stangenarbeit kann erheblich dazu beitragen die Geschicklichkeit, insbesondere die Trittsicherheit, die Balance oder die Koordination der Pferde, zu verbessern. Gerade bei Stangenformationen mit einem höheren Schwierigkeitsgrad müssen sich die Pferde besonders konzentrieren. Zudem bringt die Stangenarbeit viel Abwechslung in das Training und erhöht damit auch die Motivation des Pferdes und die Freude an der Arbeit.

Welche Tipps zu den Aufgaben der Bodenarbeit in den Reitabzeichen können Sie geben? Worauf muss man achten? Welche Aufgaben kann man als Vorbereitung besonders gut üben?
Immer dem Grundsatz „Vom Leichten zum Schweren“ folgen! Wichtig ist, dass die Pferde nicht zu Beginn überfordert werden. Dies würde dann nur zu Frustration sowohl beim Menschen als auch beim Pferd führen. Für das Training mit Stangen bedeutet dies konkret, dass zuerst mit einer Stange begonnen werden sollte. Beim Überqueren und Halten über der Stange werden dann die Reaktionen des Pferdes offensichtlich, und das Training kann dementsprechend aufgebaut werden. Danach können mehrere Stangen hinzugenommen werden, um anschließend dann die Abstände zwischen den Stangen oder deren Höhe zu variieren. Biegungen sind grundsätzlich schwieriger und sollten, ebenso wie der Trab bei der Bodenarbeit, erst trainiert werden, wenn die Basisübungen sicher sitzen. Besonders wichtig ist es, dass ein gutes Ende gefunden wird. Gerade bei der Stangenarbeit ist es nicht sinnvoll, die Übungen zu lange an einem Stück zu trainieren. Oft lässt dann die Konzentration nach, und Fehler schleichen sich ein. Dadurch wird es schwierig einen positiven Abschluss zu finden.

Weiterführende Übungen und die dazugehörigen Grafiken finden Sie in der Ausgabe Mein Pferd 12/2014!

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