Text: Inga Dora Schwarzer        Foto: imago/Frank Sorge

Einige Pferde rasen durch das Dressurviereck, während andere im Schnecken-Tempo dahinschleichen. Egal, ob eilig oder untertourig, ein falsches Grundtempo sollte immer ein Alarmzeichen für den Reiter sein. Was dahinter steckt und wie Sie den richtigen Takt finden, erklärt unsere Dressur-Expertin Imke Kretzmann.

Haflinger „Tom“ und Araber „Rihana“ könnten unterschiedlicher nicht sein. Während der Wallach in aller Seelenruhe seine Runden in der Bahn dreht und seine Reiterin das Gefühl hat, gleich schlafe er beim Gehen ein, ist Schimmelstute Rihana so eilig unterwegs, als wäre sie auf der Flucht vor einem Löwen. Zwei Pferde, zwei Probleme. Was tun, wenn der eine kaum von der Stelle kommt und der andere zu viel „Go“ hat?

Die Basis muss stimmen

Für beide Typen gilt es, den passenden Rhythmus zu finden, der sie zur Losgelassenheit bringt. „In einem optimalen Tempo läuft ein Pferd dann, wenn es sich wohlfühlt, psychisch und physisch loslässt und seine Muskeln über die ganze Länge locker und rhythmisch an- und abspannt. Ist dies erreicht, hält es jederzeit einen sicheren Takt und beginnt im Rücken zu schwingen“, erklärt Ausbilderin Imke Kretzmann aus Hamburg.

Hat der Reiter das Tempo aber nicht unter Kontrolle, laufen die Pferde entweder zu eilig oder zu langsam. „Dann habe ich ein grundsätzliches Problem, denn das Gleichmaß der Schritte, Tritte und Galoppsprünge ist der wichtigste Punkt der Ausbildungsskala, auf dem alle anderen Punkte aufbauen. Läuft das Pferd nicht im Takt, kommt es nicht zur Losgelassenheit. Doch diese Basis brauche ich unbedingt für die weitere Ausbildung und für das korrekte Reiten von Lektionen“, so die Expertin weiter.

Ein fehlerhafter Takt führt zu weiteren Problemen, insbesondere im Bewegungsablauf des Tieres. „Wenn es eilt, führt es seine Bewegungen nicht bis zum Ende aus“, erläutert Kretzmann. Das heißt: Noch bevor sich die Muskeln bis zum Ende gedehnt haben, wird bereits die nächste Bewegung ausgeführt. „Das ist so, als hätten Sie einen zu engen Minirock an, mit dem sie nur kleine Trippelschritte ausführen können. Das führt langfristig zu Verspannungen“, weiß die Ausbilderin. Bei einem Pferd, das klemmig geht, ist es ähnlich. Hier fehlt die positive, federnde Körperspannung. Es kommt, wie schon der eilige Vierbeiner, auf die Vorhand, lässt den Rücken durchhängen, belastet die Wirbelsäule und Gelenke in einem gesundheitsschädlichen Maß.

Im Bewegungsfluss

Das richtige Tempo für das Pferd zu finden, ist aber gar nicht so einfach für den Reiter. Was unterscheidet eine gut gerittene Gangart von einer schlechten? Bei Tom, dem Haflinger, ist der Fall klar. Er läuft im Schritt zwar gelassen, aber so langsam, dass seine Hinterbeine im Sandboden Furchen ziehen. Von einem klaren Viertakt mit Fleiß und Raumgriff ist hier nicht die Rede. Rihana hingegen zeigt Fleiß, ihre Hinterhand ist aktiv. Aber: Wo ist das Gleichmaß? Und wo die schreitende Vorwärtsbewegung?

Die Bewegungen fließen bei ihnen nicht mehr sanft und harmonisch durch den Körper. Das gilt ebenso für den Trab. Phlegmatiker Tom zeigt einen schleppenden Bewegungsablauf, bei dem die Hinterbeine nicht weit genug vorfußen. Dynamik? Fehlanzeige! Der Reiter wird bei ihm nicht in der Bewegung mitgenommen. Den Moment der freien Schwebe im Zwei- und Dreitakt zu erfühlen, setzt schon viel Einfühlungsvermögen im Allerwertesten voraus.

Bei Rihana führt das hohe Tempo im Trab und Galopp zu einem Takt- und Gleichgewichtsverlust. Durch ihre eilige Fußfolge ist die Phase der freien Schwebe deutlich verkürzt. Ihr Rücken schwingt nicht. Im Galopp spürt der Reiter kaum mehr die einzelnen Galoppsprünge. Die laufende Galoppade lässt zudem keinen Drei- sondern einen unerwünschten Viertakt erkennen. „Der Reiter hat das Gefühl, das Pferd renne unter ihm wie ein Tausendfüßer davon. Er kann keinen treibenden Impuls mehr geben, den das Pferd korrekt umsetzt, denn es ist schenkelflüchtig. Er ist nur noch Passagier im Sattel, aber nicht mehr Steuermann“, erklärt die Ausbilderin. Die Folge davon? Der Reiter bekommt Angst und fürchtet, die Kontrolle über das Pferd zu verlieren. Er versucht, den wegeilenden Vierbeiner mit starkem Zügeleinsatz zu bremsen.

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