„Den Takt zu erhalten ist für den Reiter bei der Ausbildung von jungen Pferden eine wichtige Aufgabe“, beschreibt Vielseitigkeits-Olympiasiegerin Ingrid Klimke. Wir haben mit ihr gesprochen und erklären lassen, was sie damit meint
„Dafür muss der Reiter durch weiches Eingehen in die Bewegung das Pferd dabei unterstützen, sein natürliches Gleichgewicht zu finden. Darum findet man häufig auch den Begriff, dass ein Reiter sein Pferd zunächst ins Gleichgewicht bringen muss. Dies gehört zu den obersten Prinzipien der Grundausbildung, weshalb es schon in der Gewöhnungsphase im ersten halben Jahr der Ausbildung immer wieder in jeder Trainingsstunde geübt wird.“
Klimke betont, dass das Pferd lernen muss, mit dem Reitergewicht zurechtzukommen. Dies fällt einem jungen noch rohen Pferd zunächst nicht leicht. „Es muss lernen, sich so auszubalancieren, dass es sich weiter frei und ungezwungen bewegen kann. Wenn das geschafft ist, hat es sein natürliches Gleichgewicht gefunden und der Experte sagt nun, dass das Pferd ‚im Takt geht‘.“ Der Reiter sollte darauf achten, dass er ein Grundtempo wählt, welches dem jeweiligen Pferd entgegenkommt und dieses nicht überfordert oder unter ständigen Stress setzt. Wie genau dieses Grundtempo aussehen sollte, muss der Reiter durch immer neues Hinterfragen und Analysieren (auch mit dem Trainer/Reitlehrer) selbst herausfinden. Man kann bei Pferden – wie auch in vielen anderen Situationen des Lebens – niemals genug Fragen stellen. Es ist eine ständige Forschungsreise dorthin, was für das Pferd in welcher Situation am besten ist. Die Zügelhilfen sollten selbstverständlich nicht hart und ruckartig sein, sondern der Reiter sollte auf weich und gefühlvoll gegebene Hilfen setzen. Auf die Bewegungen des Pferdes sollte der Reiter auf geschmeidige Art und Weise eingehen. Er sollte gleichmäßig Treiben und das Pferd immer in korrekter Anlehnung behalten. Der Reiter sollte einen ausbalancierten Sitz haben und das Pferd so wenig wie möglich in seinen Bewegungen stören. Dann sind die allermeisten Taktfehler zu vermeiden. Die eigene Selbstwahrnehmung zu schulen ist hierbei enorm wichtig. Reiter, die auch eine musikalische oder tänzerische Begabung vorweisen und ein gutes Rhythmus- und Tempogefühl vorweisen, haben hier Vorteile. Für alle anderen heißt es: sich selbst schulen, an sich arbeiten und trainieren. Meist hilft es schon, wenn der Reiter an seinem Sitz und der Grundkondition arbeitet und lernt, sein Körpergefühl besser wahrzunehmen.
Takt erhalten: Aufeinander aufbauen
Klimke erklärt weiterhin, dass es enorm viele Möglichkeiten für die Reitstunde bzw. Trainingseinheit mit dem jungen Pferd gibt, um das natürliche Gleichgewicht zu fördern und Pferd und Reiter immer sicherer werden zu lassen. „Dazu gehören beispielsweise häufige Handwechsel im Trab, Wechsel zwischen Trab und Schritt und zwischen Trab und Galopp, das Verlängern und Wiederzurückführen der Tritte und Galoppsprünge und vieles, vieles mehr. Ab dem zweiten Ausbildungsjahr beginne ich mit der versammelnden Arbeit, bei der natürlich ebenfalls wieder alle Bereiche inklusive des Taktes behandelt werden. Das Pferd sollte meiner Meinung nach zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt sein. Sehr gute und für das junge Pferd machbare Übungen sind etwa das Angaloppieren aus dem Schritt und dort gleich das Verbleiben im Takt, der Mitteltrab und das Zurückführen des Tempos aus selbigem oder auch Galoppverstärkungen und danach das Wiederzurückführen im Tempo.“
Die zweifache Europameisterin im Einzel und Reitmeisterin Klimke beschreibt, dass sie den Anspruch des Trainings stetig steigert. „Bei einem fünf- bis sechsjährigen Pferd am Ende der Grundausbildung können natürlich deutlich anspruchsvollere Lektionen verlangt werden. Es ist wichtig, dass immer alles langsam und sorgfältig im Training aufeinander aufbaut. So wird auch ein stetiger Fortschritt zu beobachten sein. Pferde in diesem Alter kann der Reiter beispielsweise mit Lektionen trainieren wie, die lange Seite im Mitteltrab und die kurze im versammelten Trab zu reiten oder aber das Ganze im Mittel- und versammelten Galopp zu wiederholen. Zudem kann eine Parade vom Galopp zum Schritt eine gute Übung sein, um im Takt zu bleiben.“ Auch das bewusste Vorwärts-Abwärts-Reiten in entspannter Dehnungshaltung trägt beim Pferd dazu bei, den Takt zu finden, erklärt die Ausbilderin. Der Hals wird zur Balancierstange, die Oberlinie dehnt sich, und der Rücken wird aufgewölbt. Klimke betont immer wieder, dass junge Pferde niemals zu lange trainiert werden dürfen, da sonst Verkrampfungen und damit natürlich Taktfehler die Folge sein können. Übrigens: Im Takt zu bleiben ist nicht möglich ohne die Losgelassenheit, die den zweiten Punkt auf der Skala der Ausbildung bildet. Das zeigt schon, dass man es hier nicht mit einem absolut linearen System zu tun hat, sondern alles ineinander greift und aufeinander aufbaut. Deshalb dürfen Sie schon jetzt gespannt sein auf den zweiten Teil, der sich der Losgelassenheit annimmt.
Text: Alexandra Koch Foto: www.Slawik.com