Text: Aline Müller    Foto: www.Slawik.com

Ein korrekter Sitz braucht Übung. Viele Sensoren im Körper sorgen für das Wissen, wie eine Bewegung gesteuert wird und wie sie sich anfühlen soll. Isabelle von Neumann-Cosel erklärt, wie eine feine, unsichtbare Kommunikation gelingt.

Wussten Sie, dass jede Bewegung im Gehirn beginnt? Wenn Sie eine neue Bewegung erlernen möchten, ist eine Vorstellung, sozusagen ein inneres Bild davon notwendig. „Das Bild entsteht durch das Zusammenspiel der Sinnesorgane: Auge, Ohr, Haut, Gleichgewichtssinn und nicht zuletzt auch dem Vorstellungsvermögen“, erklärt Isabelle von Neumann-Cosel. Kinder und Jugendliche lernen Bewegungen meist schneller und zudem anders als Erwachsene. „Bis zur Pubertät können sie neue Bewegungen noch ganzheitlich erfassen, später müssen diese systematisch erlernt werden“, so unsere Expertin. Erwachsene seien beim Erlernen von Bewegungen auf das Anknüpfen an zuvor gemachte Bewegungserfahrungen angewiesen.

Losgelassenheit und Gefühl

Um korrekt sitzen und einwirken zu lernen, ist es von Anfang an entscheidend, ein Gefühl für das Zusammenspiel von Pferdebewegung und eigener Bewegung zu entwickeln. Die Voraussetzung für das Fühlen des eigenen Körpers ist ein lockeres, also losgelassenes Muskelsystem. Denn weder schlaffe noch verkrampfte Muskeln können eine korrekte Rückmeldung geben. Das ist leichter gesagt als getan, denn es ist schon eine permanente Herausforderung, auf dem Pferd physisch und psychisch locker zu bleiben. „Besonders Anfänger sind schnell muskulär überfordert. Aber auch wer unsicher ist, unter hohem Stress steht, koordinativ überfordert ist, eine gestellte Aufgabe nicht versteht oder sich die geforderte Leistung nicht zutraut, kann kaum oder gar nicht lernen“, betont Isabelle von Neumann-Cosel. So setzen psychische Störfaktoren nicht nur den Kopf, sondern auch den Körper schachmatt – bis hin zur völligen Blockade. Lernen kann also nur, wer sich rundum sicher fühlt, wer in der Lage ist, sich zu konzentrieren, und wer Zeit und die Möglichkeit hat, neue Bewegungsmuster auszuprobieren und Korrekturen zu verarbeiten. Dabei ist zu beachten, dass es auch im Sattel unterschiedliche Lerntypen gibt. So lernen die einen am besten durch das Beobachten eines guten Reiters, durch die Videokontrolle oder den Blick in den Spiegel, während die anderen die ständige Führung durch die Stimme des Reitlehrers, stetes Feedback, ausführliche Erklärungen oder rhythmische Kommandos benötigen. Denken Sie einmal darüber nach, was Ihnen am besten hilft, und reden Sie mit Ihrem Ausbilder darüber.

Mitgehen in der Pferdebewegung

Wenn Reiter in scheinbar ruhiger Haltung nahezu unsichtbare Hilfen geben, dann sitzen sie nicht starr auf dem Pferderücken. Vielmehr steckt ein ausgeklügeltes System von feinsten Muskelbewegungen und Veränderungen der Körperspannung dahinter. Nur wenn der Schwerpunkt des Reiters durch die Bewegungen in jedem Augenblick genau über den Schwerpunkt des Pferdes verlagert wird, kann der Reiter störungsfrei mit der Pferdebewegung mitgehen. Dieses Mitgehen ist wiederum die Voraussetzung dafür, das Pferd mit leichten Hilfen kontrollieren zu können. „Dafür muss ein Reiter lernen, mit den Gesäßknochen in jeder Phase der Pferdebewegung in allen Gangarten und bei Tempo- und Richtungswechseln mit gleichem Druck am Sattel zu bleiben“, erklärt Isabelle von Neumann-Cosel. Dazu müsse er in der Lage sein, das Becken vom Pferd bewegen zu lassen, sich selbst mithilfe des Oberkörpers zu stabilisieren sowie Arme und Hände wie auch Beine und Füße unabhängig voneinander zu bewegen. „Anfänger folgen der Bewegung im wahrsten Sinn des Wortes – sie lassen die Bewegung erst geschehen und versuchen dann, sich ihr anzupassen“, sagt unsere Expertin. „Aber wer einer anderen Bewegung folgt, ist unweigerlich ‚hinter‘ dieser Bewegung, zunächst im zeitlichen, aber dann auch ganz konkret im räumlichen Sinn.“ Erst wer gelernt habe, störungsfrei mit der Pferdebewegung mitzugehen, sozusagen ein Teil der Bewegung zu werden, könne diese mit leichten Hilfen beeinflussen.

Zurück zum Bewegungslernen

„Ich sehe immer wieder Reiter, die diese Phase der Ausbildung oder auch diese Zielsetzung scheinbar übersprungen haben. Sie versuchen, sehr viel Einfluss auf das Pferd zu nehmen, noch bevor sie gelernt haben, die Pferdebewegung problemlos im eigenen Körper zu verarbeiten“, kritisiert Isabelle von Neumann-Cosel. Bei Widersetzlichkeiten und vielen weiteren Problemen wird die Ursache schnell beim Pferd gesucht, dabei ist nicht selten eine widersprüchliche Einwirkung sowie eine mehr als holprige Körpersprache des Reiters der Auslöser. „In diesem Zusammenhang macht auch das vielerorts in Misskredit geratene Reiten in der Abteilung Sinn: Weil dabei der Herdentrieb des Pferdes ausgenutzt wird, müssen die Reiter weniger Aufwand au ringen, um Gangart, Tempo und Richtung ihres Pferdes zu kontrollieren“, so Isabelle von Neumann-Cosel. In dieser Situation könne sich der Reiter auf das Lernziel „Mitgehen mit der Bewegung“ konzentrieren. Dagegen kommt es schnell zu einer Überforderung, wenn der Reiter von Anfang an die volle Kontrolle über sein Pferd übernehmen will oder muss, ohne das nötige Handwerkszeug, nämlich die Hilfengebung, zu beherrschen. Dann ist Stress vorprogrammiert, und sobald das Gehirn in den „Stressmodus“ wechselt, ist das Erlernen neuer Bewegungen nicht mehr möglich.

…den kompletten Artikel – inklusive vieler Übungen – finden Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 11/2019.

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