Ihr Pferd hört Ihnen nicht zu und versteht Ihre Hilfen oft nicht? Dann ist es an der Zeit, die Kommunikation mit dem Vierbeiner auf den Prüfstand zu stellen. Wie Sie die Körpersprache Ihres Pferdes richtig lesen und Ihr Gefühl für die Hilfengebung verbessern, erklärt Pferdeverhaltenstrainerin Marie Heger

Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten, und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren“, sagte einst der österreichische Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick. Für ihn ist die Kommunikation nicht auf Verbales reduziert, sondern beinhaltet auch nonverbale Signale, die sich in Mimik und Gestik widerspiegeln. Der Begriff der „Körpersprache“ beschreibt es treffend – und schon wird eine Gemeinsamkeit zwischen Mensch und Tier ersichtlich. Denn Pferde drücken sich hauptsächlich über ihr Verhalten, also über ihre körpersprachlichen Signale, aus.

Aktion und Reaktion

Diese erste Grundregel bekommt im Hinblick auf Aussagen wie „Der Bock will nicht!“ oder „Er reagiert nicht!“ eine neue Dimension. „Denn das Pferd reagiert immer auf das, was der Reiter tut, weil es – wie wir Menschen auch – eben nicht nicht reagieren kann. Es gibt immer eine Antwort. Ob diese vom Reiter allerdings so erwünscht war, steht auf einem anderen Blatt. Der Vierbeiner aber hat für sich eine Lösung gefunden, die für ihn gut funktioniert“, erklärt Pferdeverhaltenstrainerin Marie Heger. Reiter und Pferd bewegen sich so in einem unendlichen Kreis von Aktion und Reaktion. „Da kann immer mal etwas schieflaufen, weil der Mensch vielleicht zu viel wollte oder er das Pferd nicht verstanden hat“, sagt sie.

Dieser ersten Grundregel folgt noch eine zweite, die sich ebenfalls auf die Zwiesprache zwischen Mensch und Tier übertragen lässt. Sie lautet: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei letzterer den ersten bestimmt.” Das heißt: Im Gespräch mit einem Gegenüber kann es passieren, dass das Gesagte nicht das Gemeinte war. Ist die Beziehungsebene zweier Gesprächspartner gestört, beeinträchtigt das häufig auch die Sachebene. Die Beziehung zueinander prägt den Inhalt des Gesagten. „Deshalb kann es sein, dass das Pferd bei dem einen Reiter die gewünschte Reaktion zeigt und bei dem anderen nicht. Pferde reagieren auf der Grundlage ihrer Erfahrungen und Antworten dementsprechend unterschiedlich auf ein- und dieselbe Hilfe“, weiß Heger.

Kommunikation: Pferdesprache verstehen

Wie ein Pferd genau auf eine Reiterhilfe antwortet, lässt sich anhand verschiedener Körpersignale erkennen. Jeder einzelne Körperteil des Pferdes sendet dem Reiter eine wichtige Information. Doch erst in der Gesamtheit aller Körperteile erkennt er, was sein Pferd ihm wirklich mitteilen möchte. Dabei unterscheidet der Vierbeiner nicht zwischen seinen Artgenossen und uns Menschen, sondern bedient sich ein und derselben Körpersprache.

Da wäre zunächst das Ohrenspiel, das, laut der Expertin, häufig missverstanden wird. „Nach vorne gerichtete Ohren sind positiv, nach hinten gerichtete Ohren negativ. Mit solchen Aussagen machen wir es uns oft zu einfach. Das Ohrenspiel ist eine viel komplexere Angelegenheit“, erzählt sie. Pferde haben beispielsweise die Möglichkeit, ihre Ohren flach anzulegen und so ihren Gehörgang zu verschließen, um sich vor lauten Geräuschen zu schützen. „Ein solches Verhalten kann schnell falsch interpretiert werden. Geht das jetzt gegen mich als Reiter? Will es mich vielleicht loswerden?“, so die Verhaltenstrainerin. Auch in einer Lektion, die eine erhöhte Grundspannung benötigt, können sich die Ohren leicht nach hinten bewegen, dabei aber keineswegs auf Aggression hindeuten. Die Ohren sind ähnlich wie ein Radar in alle Richtungen beweglich und ununterbrochen aktiv. Jedes Ohr deckt einen 180-Grad-Winkel ab. Die Tiere können sogar in unterschiedliche Richtungen hören. „Daran erkennen wir, wo der Fokus des Pferdes liegt. Da, wo es hinhört, nimmt es die Dinge verstärkt wahr. Ein zufriedenes Pferd neigt seine Ohren mal hierhin, mal dorthin. Es zeigt ein lockeres, waches Ohrenspiel als Zeichen von Losgelassenheit“, versichert Heger.

Chemische Kommunikation

Nicht nur die Beweglichkeit der Ohren, auch ihr Hörvermögen ist besonders ausgeprägt. Sie vernehmen Infraschall- und Ultraschallwellen. Viele Wissenschaftler gehen zudem davon aus, dass sie den Herz- und Pulsschlag anderer Artgenossen und der Menschen hören können. Die Tiere riechen darüber hinaus sehr gut und betreiben über Pheromone (Duftstoffe) eine chemische Kommunikation. So riechen sie die hormonellen Veränderungen beim Menschen und können deshalb zum Beispiel Stress, Angst oder Unsicherheit deutlich wahrnehmen.

Beim Reiten sendet ferner die Maultätigkeit viele Informationen an den Reiter. Dabei ist das Abkauen wohl der am unterschiedlichsten interpretierte Aspekt. „Für viele ist ein stetiges Kauen am Gebiss ein Zeichen von Entspannung“, sagt die Expertin. „Ich aber hätte gerne, dass das Pferd es innerhalb der Übung schafft, sich zu entspannen, und dort ruhig abkaut. Nach einer erhöhten Anspannung in einer Übung löst es so seinen Kiefer und damit seine Muskeln, was sich wiederum auf den Rücken und den ganzen Körper auswirkt. Dabei ist es egal, ob das Pferd ein Gebiss trägt oder nicht. Der Abkauprozess steht in diesem Fall nicht im Zusammenhang mit dem Gebiss.“ Ein ruhiges Kauen ist oft verbunden mit einer leichten Schaumbildung an den Lippen. Lecken weist in dieser Verbindung ebenfalls auf ein Wohlgefühl hin. Kauen kann jedoch nicht nur ruhig, sondern auch schnell und hektisch geschehen. Dann zeigt es Unwohlsein, Anspannung und Stress an. Gleiches gilt für das Knirschen mit den Zähnen. Hier ist Ursachenforschung angesagt. Ist die Wahl des Gebisses falsch? Zieht die Reiterhand zu stark am Zügel? Hat das Pferd Schmerzen oder Blockaden? „Versuchen Sie nicht, die Symptome zu kaschieren, indem sie zum Beispiel die Trense immer fester schnallen. Machen wir es mundtot, bekommen wir keine unverfälschte Reaktion, keine Antworten auf unsere Fragen mehr“, gibt die Ausbilderin zu bedenken.

Fokus des Pferdes

Ähnliches passiert, wenn wir mit Hilfszügeln reiten. Dabei kann uns die Kopf- und Halsposition des Pferdes so viel über sein Wohlbefinden mitteilen. „Die gesenkte Kopf- und Halshaltung, bei der sich der ganze Hormonhaushalt zum Positiven verändert, der Adrenalinspiegel sinkt und dafür belohnende, beruhigende Substanzen wirken, ist zunächst einmal gut. Man weiß, dass sich ein Pferd in einer tieferen Kopf- und Halsposition weniger vor Reizen erschrickt als in einer erhöhten. Die Wahrnehmung ist auf das, was vor ihm liegt fokussiert“, so Heger. Doch es gilt dabei, ganz genau hinzuschauen. Denn erstens ist sie nicht zwingend ein Zeichen für Entspannung und zweitens nicht automatisch physiologisch wertvoll für den Vierbeiner. Warum? „Wenn wir das Pferd dauerhaft zu tief reiten, können daraus körperliche Schäden folgen“, mahnt die Ausbilderin. Ihr Rat: Geben Sie immer mal wieder die Zügel aus der Hand – in der Lösungsphase und auch innerhalb einer Lektion –, um zu schauen, welche Kopf-Hals-Position das Pferd von sich aus einnehmen würde. Entspannt oder verspannt es sich?

Eine tief gesenkte Haltung kann nämlich ebenso einem „Kopf-in-den-Sand-stecken“ gleichen. „Das Pferd entzieht sich den Reiterhilfen und zeigt eine Vermeidungshaltung oder ist eingeschüchtert. Einige Pferde trauen sich beispielsweise nicht mehr, ihren Kopf anzuheben und verharren dauerhaft in einer sehr tiefen Kopf-Hals-Position, die einige Reiter auch anstreben. Ich sehe das kritisch, weil dies meiner Meinung nach zu Lasten des Pferdes geht“, merkt die Trainerin an. Eine zu hohe Haltung ist ebenfalls nicht gesund. „Je höher die Pferdenase getragen wird, desto angespannter ist das Tier. Es gerät in einen Fluchtmodus. Der Reiter verliert den Zugang zu seinem Vierbeiner, da das Sichtfeld des Pferdes größer wird und es sich vorwiegend auf Dinge in der Distanz konzentriert“, erläutert die Verhaltenstrainerin.

Hinsehen und hinhören

Die Bewegungen des Schweifes geben nicht minder Aufschluss über den psychischen und physischen Zustand des Vierbeiners. In der Kommunikation mit Artgenossen tritt Schweifschlagen beim Abwehren von Insekten, als Abwehrreaktion gegenüber anderen Pferden oder bei einer starken Unterwürfigkeitshaltung auf. „Immer hat dieses Signal etwas mit Panik, Drohen, erhöhter Spannung oder Stress zu tun. Wenn das Pferd innerhalb einer anstrengenden Lektion mit dem Schweif schlägt, sollte der Reiter hellhörig werden. Im Idealfall motiviert er sein Pferd so, dass es diese Verhaltensweise auch unter Anstrengung nicht zeigen muss“, sagt die Ausbilderin.

Wird dem Tier eine Lektion unter Zwang beigebracht, erkennt man trotz einer positiven Korrektur Jahre später noch, dass diese eine Übung einmal viel Spannung verursacht hat. „Das Schmerzgedächtnis ist nicht leicht zu überschreiben“, so die Expertin.

Lohnenswert ist es zusätzlich, einen Blick auf die Atmung zu legen. Wenn das Pferd entspannt ist, atmet es tief, ruhig und ganz gleichmäßig in seinen Bauch. Bei Angst, Aufregung oder Stress atmet es kurz, schnell und nur in den Brustbereich, oft sogar unregelmäßig. Unter Belastung und Anstrengung steigt die Atemfrequenz des Vierbeiners. Pferde können ihre Luft sogar im Stand, im Schritt und Trab anhalten, was zu einer extremen Verspannung führen kann.

„Über die Atmung kann aber auch eine positive Kommunikation entstehen, wenn der Vierbeiner lang und tief ausatmet und man ihn dafür lobt. Er merkt, dass das, was er tut, vom Reiter wahrgenommen wird. Daraufhin fühlt er sich wohl“, so Heger. Ähnliches kann das Abschnauben trainiert werden. Es gibt Pferde, die schnauben innerhalb der Lösephase (etwa bei einem lockeren Trab) oder innerhalb einer Lektion ab, und andere tun dies erst danach. „Zeigt es Letzteres, hat es gelernt, innerhalb der Lösungsphase oder Lektion angespannt zu sein und sich nach deren Beendigung zu entspannen“, meint die Ausbilderin. Sie empfiehlt daher, die Anzeichen von Losgelassenheit sofort zu belohnen. Das gilt sowohl für das Abschnauben als auch das Abkauen. Dann verändere sich die Qualität des Trainings enorm.

Lautäußerungen deuten

Ein ganz regelmäßiges Schnauben kann darüber hinaus Ausdruck von Anstrengung oder Ermüdung sein. „Dort, wo Pferde Höchstleistungen erbringen, unter anderem im Springsport oder in der Vielseitigkeit, ist dieses Geräusch häufiger zu hören“, so Heger. Stöhnen vor Schmerz sollte ebenfalls nicht ignoriert werden. Es entsteht zum Beispiel, wenn der Reiter dem Pferd einen langen Sporn grob und unsachgemäß in den Bauch drückt. Häufig hört der Reiter auch ein Quieken auf dem Pferderücken. „Dieses Geräusch ist nur in Kombination mit Abwehr verbunden, wenn etwa die Stute den Hengst nicht an sich heranlassen möchte. Aus Freude quiekt kein Pferd“, stellt sie klar. Überhaupt würden Pferde in der Regel sehr leise kommunizieren, denn sie wollen keine Raubtiere zur Herde locken. Laut werden sie nur, wenn es ernst wird und sie beispielsweise von der Herde separiert werden. „Pferde wiehern beim Reiten, weil sie von ihren Artgenossen getrennt sind und sie sich beim Menschen verloren fühlen. Stuten rufen ihre Fohlen, sobald diese sich zu weit von ihnen entfernen“, erklärt die Expertin.

An dieser leisen Kommunikation sollten sich Reiter im Sattel ein Beispiel nehmen. „Wir sollten uns wichtig machen, indem wir nur dann mit dem Pferd sprechen, wenn es wirklich notwendig ist“, sagt sie. Lange Konversationen mit dem Tier könnten sonst zu einer starken psychischen Belastung werden. Seine größte Aufgabe in unserer Menschenwelt ist es nämlich, herauszufinden, worauf es reagieren und worauf es nicht reagieren soll. Dieses ständige Herausfiltern von Informationen ist anstrengend, insbesondere dann, wenn der Mensch sich in seinem Handeln und Tun nicht hundertprozentig sicher ist. „Das Pferd versucht immer den Menschen und die für ihn fremde Sprache zu verstehen. Es kann damit nicht aufhören. Das „Lesen“ Anderer gehört für ein Beutetier schlichtweg zur Überlebensstrategie“, sagt die Ausbilderin.

Signale geben

Heger nutzt ihre Sprache nur für zwei Signale: Lob und Abbruch. Sie lobt ein Pferd mit ihrer Stimme und entspannt es so. Um es aus einem Fluchtmodus herauszuholen, verwendet sie ein kurzes, stimmliches Abbruchsignal, damit es für Mensch und Tier nicht gefährlich wird. „Spricht der Reiter ständig mit seinem Pferd, hat er nicht mehr die Möglichkeit, diese beiden Signale effektiv einzusetzen“, so die Expertin.

Neben den Lautäußerungen sollten Sie auf den Muskeltonus Ihres Reitpferdes achten. Dieser ist zuallererst genetisch bedingt. Das heißt: Einige Tiere haben von Natur aus einen höheren, andere einen niedrigeren Muskeltonus. „Der Reiter sieht und fühlt aber, wie sich dieser beim Reiten zum Positiven oder Negativen verändert. Wichtig zu wissen ist, dass sich physische und psychische Losgelassenheit immer gegenseitig bedingen.“ Das sei in jeder Reitlehre niedergeschrieben. Erhöht sich der Muskeltonus, gerät das Pferd in Stress. Hier unterscheidet man grob zwei Typen bzw. Bewältigungsstrategien: „active coper“ und „passive coper“. Pferde, die passiv auf Stress reagieren „frieren“ in ihrer Körperhaltung ein und bleiben bei Angst eher stehen. „Active coper“ hingegen wählen die Flucht. Und dann gibt es noch eine Kombination beider Typen. „Das sind Pferde, die aus dem Nichts heraus in Action geraten“, weiß die Trainerin. Um solche außerordentlichen Situationen als Reiter zu meistern, hilft es, sich so viel Wissen wie möglich über sein eigenes Pferd und sein individuelles Lernverhalten anzueignen. „So entwickelt sich ein Verständnis für das Tier und seine Reaktionen. Erst, wenn es dem Pferd möglich ist, uns zu verstehen, und wir unser Pferd verstehen, können wir eine Bindung eingehen und eine Beziehung zueinander aufbauen“, erläutert sie. Dann lassen sich auch Missverständnisse beim Reiten schnell aus dem Weg räumen.

Missverständnisse lösen

Kommt es zu Unstimmigkeiten, wird das Verständnis nämlich schnell auf eine Probe gestellt. Häufig sehen Reiter in ihrer Not die Verschärfung und Verstärkung von Equipment als einzig mögliche Lösung. Doch gerade dann wäre der Einsatz einer korrekten Hilfengebung erforderlich. Gelingt sie nicht im Sattel, rät Heger dazu, die Hilfen vom Boden aus zu geben. „So versteht der Reiter schneller, warum das Pferd diese oder jene Reaktion unter dem Sattel zeigt. Häufig wird im Sattel vergessen, dass eine Hilfe eine Hilfestellung bedeutet“, weiß die Expertin.

Nicht selten liegt die Ursache dafür im anweisungsorientierten Reitunterricht begründet, in dem der Reitschüler zur ausführenden Marionette wird, die das Gesagte nicht hinterfragt. „Wenn ich einem Schüler sage, dass er mit der Hand vorgehen soll, macht er dies einfach. Dann frage ich: „Warum solltest du das jetzt gerade tun?“ Die meisten antworten: ‚Keine Ahnung.‘ Sie haben oft Angst, das Falsche zu sagen. Ich möchte aber, dass jeder versteht, was er im Sattel tut und die direkte Reaktion des Pferdes auf seine Hilfe wahrnimmt“, so Heger. Sie regt Reiter deshalb dazu an, das Gesagte höflich zu hinterfragen. Nur so könne verhindert werden, dass sich Binsenweisheiten ausbreiten (etwa eine Parade nur noch auf ein bloßes Ziehen am Zügel hin reduziert wird). Reiter hätten ebenso die Möglichkeit, sich über Bücher fortzubilden und ihr Wissen unabhängig von ihrem Trainer zu erweitern.

Um eine Misskommunikation zu verhindern, sollten im Reitunterricht nicht nur der Reiter und seine Hilfen, sondern gleichzeitig die Körpersprache des Pferdes im Blick des Reitlehrers liegen. Vom Boden aus kann er den Vierbeiner und seine Körpersprache als Gesamtes beurteilen. Der Reiter hingegen erkennt aus seiner Position im Sattel nur einen Bruchteil davon. „Reiten ist ein komplexer psychomotorischer Prozess. Er ist schwierig und verlangt dem Reiter ein hohes Maß an Achtsamkeit und Sensibilität ab. Da kann es schnell passieren, dass sich der Reiter nur auf sich fokussiert und dadurch vergisst, sein Pferd in den komplexen Vorgang des Reitens miteinzubeziehen“, sagt sie.

Für eine bessere Zwiesprache rät die Ausbilderin darüber hinaus, die Hilfen im Sattel vorausschauend zu geben. Wenn das Pferd beispielsweise in der Ecke über die Schulter nach außen driftet und der Reitlehrer dann ruft: „Mehr äußerer Zügel!“, ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Hilfreicher wäre es, den Reiter darauf vorzubereiten, was passieren könnte. „Rahme es mehr ein, denk an den äußeren Zügel, usw. Ich lasse ja auch niemanden, der nur ein Bein hat, einfach loslaufen und gebe ihm erst dann seine Krücken, wenn er hinfällt“, erklärt sie. Ihr Tipp: Ähnlich wie die Stützräder einem Anfänger beim Radfahren helfen, sollten Sie Ihr Pferd im Sattel unterstützen. Ist es gut ausgebildet, braucht es die Stützräder in Form von Hilfen immer weniger. Kommt es aber einmal aus dem Gleichgewicht, können die Stützräder (zum Beispiel ein Touchieren mit der Gerte) schnell und einfach wieder eingesetzt werden.

Neu konditionieren Eine solche Hilfengebung gelingt aber nur, wenn das Pferd weiß, wie es auf eine bestimmte Hilfe antworten soll. Reagiert es nicht auf ein Signal, hat der Reiter es vielleicht unbewusst desensibilisiert. Ein Beispiel: „Ich treibe es mit leichtem Schenkeldruck vorwärts und es passiert nichts. Dann wird noch stärker getrieben. Logischer aber wäre es, sich zu fragen: Warum hat mein Pferd die Hilfe nicht verstanden? Warum hat es eine andere Information zu diesem Signal?“, so Heger.

Jetzt wäre es an der Zeit, das Signal mit einer neuen Information zu besetzen. Das Pferd muss neu konditioniert werden und durch Versuch und Irrtum von selbst auf die richtige Lösung kommen (operante Konditionierung). „Ich nehme also eine Gerte am Boden und übe, dass das Pferd auf ein leichtes Touchieren an der Kruppe vorwärtstritt. Damit habe ich ihm ein neues Signal beigebracht. Im Sattel lege ich meinen Schenkel dann in der Intensität an, auf die es später mit mehr Vorwärts reagieren soll. Sobald es richtig reagiert, setze ich meine Hilfen aus. Eine klassische Konditionierung der Reize gelingt über die Intelligenz des Reiters, nicht über seine Muskelkraft“, erläutert sie. Dennoch zeigen viele Pferde auch nach dem Einsatz von Kraft und Einschüchterung seitens des Reiters die gewünschte Reaktion. „Wenn es das nicht wollen würde, würde es sich wehren“, lautet die gängige Erklärung. „Doch das stimmt nicht. Hier zeigt sich eine erlernte Hilflosigkeit. Das Pferd sieht sich durch sein eigenes Verhalten nicht mehr in der Lage, eine unangenehme Situation für sich zum Positiven zu verändern. Dieses Gefühl besteht auch dann noch, wenn ihm wieder die Möglichkeit zur Veränderung gegeben wird. Es hat gelernt, hilflos zu sein“, sagt Heger. Was passiert? Das Pferd wird zu einem ausführenden Organ, zu einem Sportgerät. „Dann findet rein wissenschaftlich immer noch eine Kommunikation statt, aber rein moralisch nicht mehr. Reiter müssen lernen die Körpersprache ihres Pferdes und seine Antworten zu verstehen. Nur dann ist das Pferd motiviert, mit ihm zu kommunizieren und offen für die Ausbildung bis hin zur hohen Schule“, versichert die Ausbilderin abschließend.

Text: Inga Dora Schwarzer     Foto: Getty images/ anakondaN

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