Text: Lara Wassermann       Foto: www.Slawik.com

Das Ziel ist eine weiche Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul. Wie sieht die perfekte Anlehnung aus? Was tun, wenn das Pferd vor oder hinter dem Zügel geht?

Corinna Hengefeld:

Mein persönliches Idealbild der Anlehnung ist eine weiche, konstante Verbindung zu meinem Pferd, bei der ich lediglich das Eigengewicht der Zügel in der Hand spüre. Allerdings ist die perfekte Anlehnung auch vom individuellen Pferd-Reiter-Paar abhängig: Manche Pferde bevorzugen eine etwas stärkere Verbindung, wohingegen andere sich am fast durchhängenden Zügel am wohlsten fühlen. Das Ziel in der klassisch-barocken Reitweise ist die einhändige Zügelführung, daher brauche ich eine 
sehr feine Anlehnung.

Neigt ein Pferd zum Einrollen, ist die Ursache im Grunde genommen in der fehlenden Lastaufnahme der Hinterhand zu suchen. Dies kann wiederum verschiedene Ursachen haben: unter anderem Defizite in der Kraft der Hinterhand oder dauerhaft zu starke Einwirkung der Reiterhand. Ich persönlich möchte immer eine Verbindung am Zügel haben, daher toleriere ich es eher, wenn das Pferd phasenweise über dem Zügel geht, aber nicht, wenn es dahinter geht und sich einrollt. Zu diesem Zweck reite ich ein Pferd, das dazu neigt, sich einzurollen, eine Zeitlang über dem Zügel – und hole mir das Pferd von einem Extrem ins andere. Dafür „vibriere“ ich mir das Pferd sozusagen hoch: Ich fasse den Zügel nach – kürzer, kürzer und noch kürzer –, bis ich eine Anlehnung zum Pferdemaul habe – auch wenn die Pferdenase sich dann kurzfristig hinter der Senkrechten befindet. Irgendwann wird dies für das Pferd unbequem, und es geht kurz gegen den Zügel – in diesem Moment gebe ich nach und belohne das Pferd dadurch. Sobald das Pferd wieder enger wird, baue ich wieder etwas Druck auf; kommt das Pferd mit dem Kopf etwas nach oben, gebe ich nach. Ein Nachlassen des Drucks bedeutet immer eine Belohnung und muss in diesem Fall erfolgen, wenn das Pferd hoch kommt und sich nicht mehr hinter dem Zügel verkriecht. Diese Methode hat den Vorteil, dass das Pferd keine radikalen Stöße am Gebiss erhält, wie es beispielsweise bei Aufwärtsparaden der Fall wäre. 
Häufig neigen Pferde mit kurzen Hälsen, beispielsweise Kaltblutrassen, dazu, sich auf die Hand zu legen. Ursächlich ist hier ebenfalls die fehlende Lastaufnahme der Hinterhand – dadurch stützen sich diese Pferde auf der Reiterhand ab. Daher ist das Ziel bei diesem Anlehnungsproblem, das Pferd hinten etwas tiefer zu bekommen, damit das Pferd vorne etwas höher kommt. Hierfür habe ich mit vielen Übergängen und Rückwärtsrichten gute Erfahrungen gemacht. Dabei ist es allerdings elementar, dass der Reiter die Übergänge lediglich über den Sitz und zügelunabhängig reitet. Ich reite solche Pferde zunächst auch etwas unter dem idealen Tempo und lege den Fokus auf eine weiche, konstante Zügelverbindung. Denn je mehr Geschwindigkeit bei diesen Pferden ins Spiel kommt, desto mehr stützen sie sich meistens auf der Hand ab. Außerdem arbeite ich sehr wenig mit Paraden, da man sich im Wesentlichen überlegen muss, mit wie viel Kilogramm das Pferd auf dem Zügel liegt und wie wenig man dem im Gegenzug mit Para-
den – also einem leichten Öffnen und Schließen der Finger – entgegenwirken kann. Das Verhältnis stimmt nicht: Für einen Effekt müsste man anfangen, die Paraden aus dem Handgelenk zu geben – 
im Volksmund wird dies „Riegeln“ genannt –, und das möchte ich persönlich unter keinen Umständen.
Generell sind Reiter häufig viel zu sehr 
auf den Zügel und die Halshaltung fokussiert, wobei das Prinzip viel einfacher ist: Kommt der Pferderücken hoch, senkt sich der Kopf automatisch. Daher muss der Schwerpunkt in der Ausbildung vielmehr auf dem Rücken und nicht so sehr auf der Halshaltung liegen. Daher ist mein generelles Plädoyer: Das Erreichen eines aufgewölbten und schwingenden Rückens sollte fokussiert werden, die Nachgiebigkeit im Genick und die richtige Halshaltung erfolgen automatisch. Eine korrekte Hals- und Kopfhaltung ist sozusagen das „Abfallprodukt“ bzw. Resultat guten Reitens.

Dr. Britta Schöffmann:

Die perfekte Anlehnung ergibt sich bereits aus der Definition von Anlehnung: die stete, weich federnde Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul.

Um Anlehnung zu erreichen, zu verbessern bzw. zu optimieren, ist das Reiten von Übergängen (= halben Paraden) das A und O. Dabei steht die Entwicklung der Schubkraft immer vor der Entwicklung der Tragkraft. Ein Pferd, das sich einrollt, müsste demzufolge mehr nach vorn an die Hand herangeritten werden. Da sind Trab-Galopp-Trab-Übergänge sehr hilfreich. Ein Pferd, das sich auf den Zügel legt, sollte zusätzlich über Trab-Halt-Übergänge, kombiniert mit Halten/Rückwärtsrichten/Antraben, gearbeitet werden. Übergänge jeglicher Art sind auch für ein Pferd, das sich heraushebt, sehr zielführend. Dabei gilt immer: Ein Pferd sollte die Anlehnung suchen und finden und nicht in irgendeine Art von Anlehnung hineingezwungen oder -gefummelt werden.

Den kompletten Artikel finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.

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