Text und Foto: Inga Dora Meyer
Jedes Jahr bekommen in Deutschland mehr als 10.000 Reiterinnen ein Kind. Frauenärzte sind meist skeptisch, wenn es um das Reiten in der Schwangerschaft geht. Haben sie dazu einen Grund? Welche Einschränkungen und Vorsichtsmaßnahmen sollte man wirklich treffen?
Für viele Frauen stellt sich irgendwann die Frage: Möchte ich Kinder haben? Wenn die Antwort „Ja“ lautet, wird sich das Leben um 180 Grad drehen. Hat man dazu noch ein eigenes Pferd, ist auch dieser sehr wichtige Teil davon betroffen. Reiten ist nicht bloß ein Hobby, sondern vielmehr echte Leidenschaft. Die Tiere sind Partner auf vier Hufen. Ist eine Reiterin schwanger, empfehlen jedoch viele Ärzte, auf den heiß geliebten Sport zu verzichten. „Das hat sicherlich vorrangig Gründe der rechtlichen Absicherung. Reiten stellt in der Schwangerschaft ein höheres Risiko dar als andere sportliche Hobbys wie z.B. Schwimmen. Da der Arzt weder Ihr Pferd noch Ihre reiterlichen Fähigkeiten einschätzen kann, raten die meisten daher vorsichtshalber vom Reiten ab“, erklärt Janina Köster, Hebamme und selbst aktive Reiterin aus Olpe in Nordrhein-Westfalen.
Sie unterscheidet zwei Gruppen von Frauen: Ihrer Meinung nach sollten sich Anfängerinnen oder Gelegenheitsreiterinnen nicht mehr in den Sattel schwingen. „Denn die Entscheidung, ob ich weiterreite oder nicht, treffe ich größtenteils aufgrund meines Bauchgefühls und meiner Erfahrung. Beides haben diese beiden Gruppen im Bezug aufs Reiten noch nicht. Es wäre also besser, eine Schwangerschaftspause einzulegen und erst nach der Geburt wieder neu zu starten“, sagt die Expertin. Erfahrenen und gut trainierten Reiterinnen, deren Körper an die Reitbewegungen gewohnt sind und deren Muskulatur entsprechend ausgebildet ist, steht aus sportlicher und medizinischer Sicht aber nichts im Wege. Sport wirkt sich sogar positiv auf die Gesundheit aus, senkt den Blutdruck und erhöht die Sauerstoffversorgung. Aktive werdende Mütter leiden weniger an Rückenschmerzen und erkranken seltener an Schwangerschaftsdiabetes. Hinzu kommt, dass sie eine bessere Kondition und ein besseres Körpergefühl haben als nichtsportliche.
Fitte Mamas, fitte Babys
Auch die Babys profitieren von fitten Mamis. Für sie bedeuten die Bewegungen auf dem Pferd oft Entspannung, da sie das Schaukeln als angenehm empfinden. Außerdem haben Kinder von sportlichen Schwangeren eine bessere Stoffwechselproduktion und seltener Übergewicht. In einer Studie fand die Bewegungsphysiologin Linda May von der Kansas City University of Medicine 2011 heraus, dass Schwangere ihrem Baby durch den Sport sogar einen Vorsprung in puncto Herzgesundheit verschaffen können, denn wenn die Mutter trainiert, trainiert das Ungeborene mit. „Sport und generell ein der Schwangerschaft angemessenes Herz-Kreislauf-Training begünstigen einen positiven Schwangerschafts- und Geburtsverlauf. Schaden tut ihnen das Reiten also nicht“, bestätigt Köster.„Wenn es aber medizinische Bedenken gibt, wie z.B. vorzeitige Wehen oder Blutungen, oder der Schwangerschaftsverlauf vom Physiologischen abweicht, sollte aufs Reiten verzichtet werden. Das Gleiche gilt, wenn sich die Schwangere beim Reiten nicht mehr wohlfühlt oder Angst bekommt. Dies habe ich selbst bei erfahrenen Reiterinnen zum Teil schon im ersten Schwangerschaftsdrittel beobachtet. Andere saßen noch bis zwei Tage vor der Geburt auf dem Pferd. Man kann also nicht pauschal eine bestimmte Schwangerschaftswoche benennen, wie lange Schwangere noch reiten dürfen“, so die Hebamme. Jede Schwangerschaft ist anders, jede Frau erlebt sie anders und muss ihren eigenen (sportlichen) Weg finden. „In letzter Instanz führt man dieses Hobby immer auf eigene Gefahr aus“, sagt sie.
…den kompletten Artikel finden Sie in der Ausgabe 12/2017.
Studie zum Reiten in der Schwangerschaft
Im Jahr 2011 führte Susanna Karmaz im Rahmen ihrer Promotion an der Universitäts-Frauenklinik München eine Online-Befragung zum Thema „Reiten in der Schwangerschaft“ durch. Dafür wertete sie insgesamt 1.558 Antworten von Reiterinnen aus. Das Ergebnis? Bei einer intakten Schwangerschaft und einer gesunden, belastungsfähigen Reiterin hat das Reiten keinen negativen Einfluss auf den Verlauf der Schwangerschaft, die Entbindung und das Frühgeburtsrisiko – weder Dressuroder Springreiten noch eine reiterliche Aktivität von 20 Stunden und mehr pro Woche. Eine Erhöhung der Abortgefahr in den ersten Schwangerschaftsmonaten kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Auch eine durch das Reiten gut trainierte Beckenboden-Muskulatur beeinflusst den Geburtsverlauf nicht negativ. Ganz im Gegenteil, trainierte Frauen zeigen weit weniger Folgesymptome nach der Geburt als untrainierte. Weiter heißt es: Von Reitunfällen oder Unfällen im Umgang mit dem Pferd berichten nur knapp zehn Prozent der Teilnehmerinnen. Risikofaktoren waren eine hohe Professionalität, der Umgang mit jungen und Problempferden, Springreiten mit hohen Ambitionen und eine erhöhte Stressbelastung. Dennoch: Die Unfallgefahr ist beträchtlich und kann selbst durch sehr risikobewusstes Verhalten nicht völlig eliminiert werden. Deshalb sollte jede Schwangere eigenverantwortlich entscheiden, ob Sie bereit ist, für den Gewinn an reiterlicher Lebensqualität die Gefährdung für sich und ihr Kind in Kauf zu nehmen, so ihr Fazit.