Ein Pferd ohne Sattel kann man sich heute nur noch schwer vorstellen. Da Forschungen mittlerweile zeigen, dass ein Reiter auf dem blanken Pferderücken zumindest dauerhaft nicht die bessere Lösung ist, ist das eher zum seltenen Freizeitspaß geworden. Doch wann entstand eigentlich der Sattel? Wo auf der Welt nutzte man ihn zum ersten Mal, und wie entstand diese Idee überhaupt? Ein Ritt durch die Jahrtausende …

 

Wann genau der erste Sattel entstand, lässt sich heute nur schwer sagen. Der Kontakt zwischen Menschen und Pferden besteht bereits seit der Eiszeit, damals jedoch noch als Jäger und Gejagter. Als die Menschen sesshaft geworden waren, begann die Viehzucht. Pferde kamen erst recht spät hinzu. Zu diesem Zeitpunkt hatte man längst Schafe, Ziegen, Rinder und selbst Hunde gezüchtet.

Pferde wurden als Fleisch- und vor allem Milchlieferanten gehalten. Wann zum ersten Mal ein Pferd zum Zwecke des Reitens oder Fahrens genutzt wurde, ist nicht ganz klar. Zwischen 3000 bis 2000 vor Christus, als in Mesopotamien die ersten Pferde gezüchtet wurden, nutzte man bereits Wagen zur Fortbewegung. Zunächst wurden sie von Rindern gezogen, doch man geht davon aus, dass Völker im heutigen Kaukasus erstmals Pferde zum Ziehen von Wägen und womöglich auch zum Reiten hielten. Auch aus der Sahara und vor allem Ägypten sowie bei den Assyrern und Babyloniern gibt es aus jener Zeit Zeugnisse von Pferden vor Wägen. Darstellungen auf dem Pferderücken sind bei den alten Griechen, den Skythen im russischen und Etruskern im italienischen Raum vorhanden.

In einem russischen Grabhügel fand man Zeugnisse eines Sattels, der etwa 300 Jahre vor Christus genutzt wurde. Er befand sich im Zentrum der Darstellung eines Reiters auf einer ausgegrabenen, nahezu unbeschädigten Vase. Dieses Zeugnis gilt als

das vielleicht älteste eines Sattels weltweit. Erstaunlich ist, dass dieses Ereignis um die 2.000 Jahre nach den ersten Darstellungen von Pferden vor Wägen und später auch gerittenen Pferden stattfand. Man würde eher vermuten, dass die Idee, mehr Sicherheit durch einen Sattel zu erlangen, bereits früher bei den Menschen angekommen war. Zunächst wurden Pferde aber wohl ohne Hilfsmittel, sondern nur durch Schenkeldruck und mit der haltsuchenden Hand in der Mähne geritten.

Satteldecken hatte es schon früher gegeben, teilweise wurden diese – wie bei den Assyrern – auch mit Bauch- und Brustgurten fixiert. Eine Darstellung solcher Decken gibt es auch von den alten Persern, die unter ihrem Herrscher Darius auf mit derartigen Decken bestückten Pferden in den Kampf zogen. Die Gegner aus Griechenland kannten dafür nur ein Wort, welches sich in etwa mit „Weich-Hintern“ übersetzen lässt. Man dachte also, die Perser wären „Weicheier“.

Der Steigbügel entsteht

Insbesondere gelangten Sättel zu immer größerer Bedeutung in Kriegen und Schlachtzügen. Das Pferd beherrschen zu können, wurde zu einem wichtigen Aspekt der Armeen. Dadurch gab es die bedeutendsten Weiterentwicklungen von Sattel und Zaumzeug. Zu diesen zählen auch die Steigbügel, welche den Reitern festeren Halt gaben. Erste Spuren findet man bei den Skythen ebenso wie im Norden des heutigen Indiens. Dort nutzte man erstmals Riemen und Seile, in welche der Reiter seine Füße steckte. Bei vielen Völkern wie den Chinesen oder ­Römern waren auch im Kampf zunächst keine Steigbügel vorhanden. Um das Jahr 300 nach Christus wurden auf Schriften aus dem China der Jin Dynastie erstmals Steigbügel beschrieben, welche den heutigen recht nahekommen. Die Entwicklung der Steigbügel aus Eisen spielte vermehrt eine Rolle, als die Reiter in Rüstungen auf das Pferd stiegen.

Der Sattel nimmt Form an

Die ersten Sättel waren einfache Lederfetzen, welche auf den Pferderücken gelegt wurden. Nach und nach fügte man Kissen hinzu und fixierte diese mit einer Art Ledergurt. Um diese Zeit wurden auch erstmals Schabracken genutzt, welche dazu beitrugen, dass zum einen das Gewand des Reiters vor dem Schweiß des Pferdes geschützt wurde, zum anderen aber auch der Sattel selbst, der meist sehr wertvoll war. Die Form des Sattels veränderte sich über die Jahrhunderte deutlich. Vor allem ging es darum, dem Reiter besseren Halt zu geben, den er aufgrund unterschiedlichster Rüstungen und Situationen, in die er im Gefecht gebracht wurde, benötigte. So entstand die U-Form des Sattels, die in jener Zeit sehr ausgeprägt war. Bald schon gab es vorne am Sattel eine Form von Sattelknauf. Der hintere Teil des Sattels war deutlich höher und erinnerte zu manchen Zeiten fast an eine Art „Lehne“.

Mehr Belastbarkeit im Rittertum

Mit dem Beginn des Mittelalters wurden die Sättel stabiler, und sie mussten größere Belastungen aushalten. Die schweren Rüs­tungen, die den Körper der Ritter teilweise komplett bedeckten, mussten in der Schlacht wie beim Kräftemessen auf dem Turnier Halt finden. Teilweise waren die Waffen und Rüstungsteile am Sattel befestigt. Die Steigbügel waren besonders kunstvoll gearbeitet in dieser Zeit, denn die Verzierungen der Sättel zeigten häufig auch die Stellung und den entsprechenden Reichtum der Könige, Fürsten und weiteren Vertretern des Adels. Nicht nur reich verziert sollten die Bügel sein, sondern auch massiv, um der Lanze, als Stütze zu dienen. Der Sattel hatte spätestens im Mittelalter eine bedeutende Rolle gewonnen, die ihm maßgeblichen Anteil gab an der Frage, wer erfolgreich aus einer Schlacht hervorging.

Seit dem 12. Jahrhundert gab es speziell angefertigte Kriegssättel, welche insbesondere durch einen hohen Vorder- und Hinterzwiesel herausstachen. Diese waren zusätzlich mit stabilen Metallstäben versehen, welche dem Reiter noch mehr Halt gab. Man muss sich dazu vorstellen, dass bereits schon ein Kettenhemd etwa zehn Kilogramm wiegen konnte. 35 Kilogramm kamen oft für den Rest der Rüstung hinzu. Wie die Ausrüstung der Pferde zu jener Zeit übrigens genau aussah, ist durch Zeugnisse, wie etwa den „Teppich von Bayeux“ (den man heute in Bayeux in der Normandie in einem eigens errichteten Museum bewundern kann), zahlreiche Darstellungen, welche die Werke von Minnesängern verzierten, sowie Kunstwerke der großen mittelalterlichen Meister wie Albrecht Dürer, belegt.

Stilwechsel zum Beginn der Neuzeit

Mit dem Beginn der Renaissance ging das Rittertum zu Ende, und in der Reiterei trat die akademische Reitkunst an die Stelle der vormaligen Ritterausbildung. Zunächst erlangten die italienischen Akademien Weltruhm. Der Franzose Guérinière verwendete im 18. Jahrhundert keinen „Stehsattel“ mehr, der schwer war und den Reiter einengte, sondern einen im Vergleich sehr leichten Sattel mit großer Bewegungsfreiheit.

Ab dem 19. Jahrhundert wurden Sättel entwickelt, die den heutigen nach wie vor sehr ähneln. Die Sattelform, die bis heute in Gebrauch ist, ging aus den englischen Jagdsätteln hervor.

Spezialfall Damensattel

Einen Spezialfall in der Geschichte des Sattels in Europa stellte der Damensattel dar. Erste Zeugnisse von Frauen im Sattel gibt es bereits aus der Zeit der Assyrer. Damals ritten sie jedoch noch wie selbstverständlich im Herrensitz. Dies blieb über Jahrhunderte derart üblich, auch wenn es immer wieder Darstellungen von Damen im Seitsitz gab. Die Sättel boten jedoch nicht ausreichend Halt, weshalb nur Schrittreiten möglich war, was im Alltag sehr einschränkte und daher nur selten praktiziert wurde. Bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts war es daher üblich, dass Männer und Frauen in denselben Sätteln Platz nahmen. Der sogenannte „Sambue“ wurde im 14. Jahrhundert gebräuchlich, ein mit Stroh gepolstertes Reitkissen mit Lehne und Fußstütze, das jedoch ebenfalls nur einen unsicheren Sitz bot. Katharina von Medici, Königin von Frankreich, soll im 16. Jahrhundert eine der ersten Reiterinnen im Seitsitz gewesen sein. Sie schlug ihr rechtes Bein über den Sattelknauf und verwendete für den linken Fuß einen Steigbügel.

Der sogenannte „Drei-Horn-Sattel“, in vielen Ländern Europas seinerzeit Inbegriff des Damensattels, kam erst Ende des 18. Jahrhunderts in Mode, bot jedoch den Reiterinnen, die meist spezielle Reitkleider trugen, einen recht stabilen Sitz, sodass sie bald schon an den damals hochpopulären Reitjagden teilnahmen. Nachdem es dort aber zu etlichen Unfällen gekommen war, da die Reiterinnen nicht schnell genug aus dem Sattel kamen, wurde der Sattel weiterentwickelt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts verzichtete man deshalb auf das dritte Horn, was den Sattel leichter und außerdem sicherer machte. In dieser Form werden Damensättel bis heute für Showeinlagen genutzt.

 

Text: Alexandra Koch, Bild: Getty Images, Daily Herald Archive  

#doitride-Newsletter   Sei dabei und unterstütze die #doitride-Kampagne! Mit unserem Newsletter verpasst Du keine Neuigkeiten rund um #doitride. Jetzt aktivieren!