Text: Redaktion Foto: Adobe Stock/ Annabell Gsödl
Eingeschränkte Atmung, verminderte Leistung – ein schlecht sitzender Sattelgurt hat weitreichende Auswirkungen. Die Physiotherapeutin Helle Kleven gibt Tipps, wie der Balanceakt zwischen „Sattel halten“ und „nicht einengen“ gelingt
Ellenbogenbereich und Brustbein – das sind die beiden Schlagworte, die bei vielen anatomischen Sattelgurten zu finden sind. Solche Sattelgurte bieten dem empfindlichen Ellenbogenbereich genügend Bewegungsfreiheit und reduzieren den Druck aufs Brustbein deutlich. Dass diese beiden Bereiche dem meisten Druck ausgeliefert sind, hat mittlerweile eine englische Studie belegt. Im Ellenbogenbereich sind die Haut und die Muskulatur besonders empfindlich – das kann man des Öfteren beobachten, wenn zum Beispiel eine Fliege an dieser Stelle sitzt: Obwohl es so aussieht, als könne das Pferd wegen der vielen Hautfalten in diesem Bereich nur schwer etwas fühlen, zuckt die Haut bei Fliegenkontakt sofort und will das Insekt abschütteln.
Unten am Bauch, im mittleren Bereich des Gurtes, liegt das Brustbein. Entsteht hier zu viel Druck, wirkt sich das negativ auf Atmung, Herzschlag und entsprechend auch auf die Leistung aus. Helle Kleven hat außerdem einen weiteren Tipp: Sind die Gurtstrippen des Sattels im Bereich des Kopfeisens angebracht, besteht das Risiko, dass bei fest angezogenem Gurt das Kopfeisen u. a. in den Trapezmuskel und den langen Rückenmuskel drückt. Das schmerzt, und das Pferd kann den Widerrist nicht anheben. Bei diesen Gurtstrippen muss man besonders darauf achten, nicht zu fest zu gurten!
Nicht zu fest!
Die wohl schwierigste Frage, die man sich beim Sattelgurt stellen kann, lautet: Wie fest muss man gurten? Auf keinen Fall darf der Sattel rutschen, der Gurt darf aber auch nicht drücken. „So locker wie möglich und so fest wie nötig“, kann Helle Kleven daher nur als Antwort in Form eines Ratschlags geben. Also immer wieder prüfen, ob der Sattel rutscht oder ob das Pferd klemmig geht und der Gurt vielleicht zu fest gezogen wurde. Dass das Pferd sich klemmig anfühlt, spiegelt übrigens nicht nur wider, dass der Gurt auf die Rippen und das Herz drückt. Ein zu fester Gurt kann tatsächlich dazu führen, dass ein Pferd sich nicht mehr so frei bewegen kann – auch mit den Gliedmaßen. Direkt unter der Haut liegen oberflächliche Faszien, die mit tiefer liegenden Faszien verbunden sind, welche wiederum um Muskeln, Organe und Sehnen liegen. Wird eine Faszie durch einen festen Gurt in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt, kann sich dies negativ auf die gesamte Bewegung des Pferdes auswirken.
Zusätzlich beeinflusst ein fester Gurt die Bauchmuskeln. Diese sorgen unter anderem dafür, dass sich der Rücken aufwölbt, dass ein Pferd in Längsbiegung geht, und auch das Vorfußen der Vorderbeine wird durch diese Muskeln beeinflusst. Nur wenn genügend Platz und wenig Druck besteht, können sich die Muskeln anspannen.
In einer australischen Studie hat man an Rennpferden getestet, wie sich das Festziehen eines Gurtes auf die Leistung auswirkt. Mit verschiedenen Spannungen wurde der Gurt angezogen: Bei fünf Kilogramm Spannung rutschte der Sattel noch, bei zehn Kilogramm war er stabil, ab 15 Kilogramm war er fest und ab 20 Kilogramm so fest, dass man keine Hand mehr dazwischen schieben konnte und er einen Abdruck am Rumpf hinterließ. Das Resultat lässt ein wenig verzweifeln: Schon bei fünf und zehn Kilogramm Spannung sank die Leistung (um 17 Prozent), die Pferde ermüdeten außerdem schneller. Je höher die Spannung wurde, desto mehr nahm die Leistung ab. Die Forscher vermuten, dass sowohl der negative Einfluss auf die Faszien bzw. Muskeln eine Rolle spielt, aber auch der Druck auf Herz und Organe.
Weniger Druck
Welcher Gurt ist gut? Eine Frage, die man fast so individuell beantworten muss wie die Frage nach einem guten Sattel. Denn jedes Pferd hat einen anderen Körperbau, und jeder Gurt sitzt anders.
Mehr Informationen finden Sie in der neuen Mein Pferd- Ausgabe.