Text: Aline Müller Foto: Gabriele Metz
Trauen Sie sich, gewohnte Muster im Trainingsalltag zu durchbrechen! So verbessern Sie nicht nur die Beziehung zu Ihrem Pferd, sondern schaffen auch eine positive Trainingsatmosphäre und neue Motivation. Wie das geht, beschreibt unser Experte Marius Schneider.
Zehn Minuten Schrittreiten am langen Zügel, danach Zügel aufnehmen, Antraben und Leichttraben. Wechsel zwischen ganzer Bahn und Zirkel. Irgendwann kommt der Galopp hinzu. Nach dem Warm-up werden Lektionen geübt. Zum Abschluss folgt ein kurzes Zügel-aus-der-Hand-kauen-Lassen. So oder so ähnlich strukturieren viele Reiter nahezu täglich ihre Trainingseinheiten. Doch warum eigentlich? Und muss das überhaupt so sein? Diese Frage haben wir dem klassischen Ausbilder Marius Schneider gestellt. Er ist bekannt für sein vielseitiges, abwechslungsreiches, pferdegerechtes Training. Rassenunabhängig schult er auf Burg Kakesbeck Pferd und Reiter an der Hand, am Boden und unter dem Sattel. Auch Zirkuslektionen und Freiarbeit stehen regelmäßig auf dem Programm.
Muster durchbrechen
Routine ist nicht per se etwas Schlechtes, doch häufig entstehen dadurch festgefahrene Muster, die für wenig Abwechslung im Trainingsalltag sorgen. Wer verschiedene Ausbildungsmethoden kombiniert, motiviert nicht nur sein Pferd, sondern auch sich selbst. Zudem ist es sinnvoll, immer wieder um die Ecke zu denken und das Training zu variieren, um das richtige Programm für das jeweilige Pferd zu finden. So können auch mögliche Probleme, die auftreten, besser gelöst werden. Die meisten Reiter nehmen sich für einen Tag etwas Bestimmtes vor: Entweder sie reiten, longieren oder sie arbeiten am Boden beziehungsweise an der Hand. Bei Marius Schneider sieht das anders aus: Er beginnt zum Beispiel mit einer kurzen Einheit an der Longe, steigt dann in den Sattel und beendet das Training mit einer Übung an der Hand. Wenn er das Gefühl hat, dass ein Pferd unter dem Sattel an einem Tag mit der Konzentration Schwierigkeiten hat oder nicht loslassen kann, dann steigt er ab und ändert die Methode. „Reiter sollten sich trauen, offen für Variationen im Training zu sein, und nicht mit aller Macht an dem festhalten, was sie sich möglicherweise vorgenommen haben“, betont der Ausbilder und fügt hinzu: „Wer es schafft, Gewohnheiten zu erkennen und Muster zu durchbrechen, wird auch die Beziehung zu seinem Pferd verbessern.“
Aufgaben neu stellen
Die Arbeit am Boden kann gut dazu genutzt werden, um das Pferd auf das Reiten vorzubereiten. Umgekehrt empfiehlt Marius Schneider, dem Pferd auch mal eine Aufgabe am Boden zu stellen, die es schon vom Reiten kennt. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Traversale an der Hand auf der Diagonalen? Oder mit gezielten Übergängen Galopp – Trab – Schritt – Anhalten – Rückwärtsrichten an der Longe? Durch den Perspektivwechsel vom Sattel zum Boden können auch mögliche Probleme schneller erkannt werden. So haben viele Reiter in den Traversalen Schwierigkeiten, richtig zu sitzen. An der Hand lernt das Pferd Bewegungsabläufe ohne Reitergewicht. Dabei fällt es ihm meist leichter, sich auszubalancieren und Last aufzunehmen. Wenn der Vierbeiner ohne den Reiter auf dem Rücken bestimmte Aufgaben leichter erfüllen kann, dann sollte das zum Nachdenken über den eigenen Sitz und die Hilfengebung anregen. Die Kombination von Reiten und Boden- oder Handarbeit bietet viele Möglichkeiten, um das Training zu optimieren.
Bodenarbeit aus Sicht des Pferdes
Dem jungen Pferd vermittelt die anfängliche Bodenarbeit am Kappzaum ein Verständnis für die grundlegenden Reiterhilfen. „Was dem Pferd von Anfang an und immer zuerst vom Boden aus beigebracht wird, bekommt man im Idealfall geschenkt, wenn man es später vom Sattel aus abfragen möchte“, so Marius Schneider. „Ich nenne auch die Hilfen in der Bodenarbeit bewusst ‚Reiterhilfen‘, denn ein wichtiger Punkt bei der Arbeit am Boden sollte immer sein, dass die erarbeiteten Hilfen ebenso vom Reiter auf dem Pferderücken eingesetzt werden können.“ Alle verwendeten Hilfen müssen einen logischen Aufbau haben, damit sie vom Pferd verknüpft werden können. Dies bedeutet im Speziellen, dass die Signale während der Bodenarbeit in Funktion und Bedeutung den Hilfen des Reiters ähneln sollten. Zudem ist die Logik der Hilfengebung im Idealfall unabhängig von der Positionierung des Ausbilders, ob nun direkt neben dem Pferd am Boden, am anderen Ende der Longe oder auf dem Pferderücken. „Eine gute Arbeit am Boden sollte nicht nur das Pferd in seinen Fähigkeiten fördern, sondern Pferd und Reiter im allgemeinen Umgang und im Training zu einer verbesserten und verfeinerten Kommunikation verhelfen“, betont unser Experte. Des Weiteren eigne sich das Trainieren ohne Reitergewicht besonders für Rekonvaleszenzpferde und auch alte Pferde.
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