Text: Alexandra Koch Foto: www.slawik.com
Die Zeiten, als wir es nötig hatten, an der Longe Leichttraben und den korrekten Sitz zu üben, sollten längst der Vergangenheit angehören? Weit gefehlt, denn viel zu schnell schleichen sich kleine Fehlhaltungen im Sattel ein, die aber deutliche negative Effekte nach sich ziehen. Selbst bei Profis kann das passieren, weshalb Top-Reiterin Uta Gräf sich immer wieder longieren lässt. Back to the Roots heißt es also – dem Pferd und sich selbst zuliebe.
Dressurreiterin Uta Gräf propagiert es in ihren Kursen immer wieder: Sie möchte auch erfahrene Reiter an die Longe zurückholen. „Das ist ja überhaupt keine Schande“, betont sie. „Das empfinden manche Reiter nur so. Ich kann nur immer wieder betonen, dass Sitzübungen an der Longe auch für erfahrene Reiter und Reiter auf fortgeschrittenem Niveau überhaupt kein Tabu sein sollten. Denn nur wer sich selbst ausbalanciert, kann so frei sitzen, dass er dem Pferd die Freiheit geben kann, sein Gleichgewicht selbst zu finden. An der Longe hat der Reiter in Ruhe Zeit, sich auf den eigenen Sitz zu konzentrieren und diesen zu verbessern. Jeder kann es gebrauchen, an der Longe zu üben, wie man wirklich geschmeidig sitzt, ohne das Pferd zu stören. Das sorgt dann später für mehr Gehfreude, Ausbalancieren und eine selbstständige, mitdenkende Art unter dem Reiter.“
Sitzübungen für alle
Gräf rät, sich auf keinen Fall von dem Gedanken an tratschende Stallkollegen davon abbringen zu lassen. „Einfach trotzdem machen“, sagt sie. „Die verbesserte Kommunikation zwischen Reiter und Pferd und ein beweglicher und dennoch störungsfreier Sitz sind es doch auf jeden Fall wert, oder? Und: Je mehr fortgeschrittene Reiter diesen Schritt gehen, desto mehr wird sich dies auch in den Reitställen als normal durchsetzen. Das ist letztendlich wie beim Aufsteigen von einer kleinen Treppe aus. Es wäre noch vor ein, zwei Jahrzehnten undenkbar gewesen, so etwas als erfahrener Reiter zu nutzen und sich nicht vom Boden aus aufs Pferd zu schwingen. Heute wissen wir, dass wir so viel angenehmer und schonender fürs Pferd auf seinen Rücken gelangen.“
Sie merkt an, dass das Prinzip exakt dasselbe ist. Denn ein verbesserter Sitz bedeutet, den Rücken inklusive der Wirbelsäule des Pferdes zu schonen. „Wer es wirklich ernst meint mit ,feinem Reiten‘, der muss sich selbst als Störfaktor ausschalten“, erklärt die bekannte Dressurausbilderin. Und Uta Gräf weiß, wovon sie bei Sitzübungen spricht. „Ich mache diese selbst regelmäßig. Dabei nimmt mich eine Mitarbeiterin auf einem ruhigen Pferd an die Longe. Mir macht es zudem richtig Spaß, mal etwas anderes zu tun als das „normale“ tägliche Training. Ich versuche dann praktisch umzusetzen, was ich in Büchern lese. Es gibt mir viel Spielraum, um auszuprobieren und an mir selbst zu arbeiten. Ich komme dabei mit mir selbst ins Gleichgewicht und kann dadurch die Selbstständigkeit meines Pferdes fördern, was sein eigenes Gleichgewicht angeht.
Gräfs Tipps für Sitzübungen
Jeder kann Sitzübungen an der Longe einfach erlernen und durchführen. Wichtig ist ein erfahrener Longenführer bzw. Trainer oder Reitlehrer, mit dem zusammengearbeitet werden kann. Uta Gräf hat eine ganze Reihe an Übungen ausgearbeitet, die sie regelmäßig in ihren Kursen zeigt. Die meisten davon sind sehr einfach, aber überaus effektiv. Sie empfiehlt beispielsweise, dass langsames Reiten im Schritt an der Longe sich bestens dafür eignet, den Oberkörper in alle Richtungen zu beugen. Zunächst geht es nach vorne über den Pferdehals, dann so weit wie möglich nach hinten. Oftmals fällt dies erwachsenen Reitern lange nicht mehr so leicht wie Kindern im Reitunterricht. Es kann daher auch eine ganz neue Erfahrung sein, wenn man Sitzübungen, die man vielleicht vor vielen Jahren im Anfängerunterricht schon einmal kennenlernte, nun als weit fortgeschrittener, aber meist nicht mehr ganz so beweglicher Erwachsener wieder erlebt. Auch durch solche Erfahrungen lernt man hinsichtlich des Körpergefühls dazu, was letztendlich allen Seiten zugutekommt. Nach dem Dehnen nach vorne und hinten ist auch das Dehnen zur Seite und zu den Stiefelspitzen hin lohnenswert. „All das schult die Oberkörper-Balance und sorgt für einen ausbalancierteren Sitz“, verrät Uta Gräf.
…den kompletten Artikel finden Sie in der Mein Pferd-Ausgabe 4/2020.