Pferdebeine sind tagtäglich verschiedensten Belastungen ausgesetzt. Vor allem Trainings- und Haltungsbedingungen wirken sich auf ihre Gesundheit aus. Was Sie tun können, um die Pferdebeine zu kräftigen, erklärt Pferdetherapeutin Claudia Weingand

Ein Pferd hat vier Beiner, an jeder Ecken einer. Drei Beiner hät, umfallen tät!“ Der niederbayerische Musiker Fredl Fesl bringt es in seinem Liedtext auf den Punkt. Die Last des gesamten Körpers ruht auf den Beinen. Kommt es auf nur einem Bein zu Problemen, hängt nicht selten das ganze Pferdeleben davon ab. Deshalb sind starke und gesunde Beine wichtig, die mit einem gesunderhaltenden Training erreicht werden können – und das beginnt mit dem richtigen Reitboden.

Er sollte trittsicher, rutschfest, elastisch und federnd sein. „Für einen Reitplatz- oder Reithallenboden gilt allgemein wegen der vielen Wendungen und Übergänge, dass er bestmöglich sein soll. Nicht zu hart, nicht zu tief und im Training auf keinen Fall uneben. Letztlich zeigen Pferde eigentlich gut an, auf welchen Böden sie laufen möchten. Dann bewegen sie sich besser, freudiger und lahmfrei“, sagt Claudia Weingand, osteopathische Pferdetherapeutin nach Welter-Böller, OsteoConceptCoach® und Craniosacraltherapeutin aus dem baden-württembergischen Dischingen-Demmingen.

Bietet der Reitstall keinen geeigneten Boden für das Training, ist ihr Rat unmissverständlich: „Wechseln Sie lieber den Stall oder reiten Sie ausschließlich aus, als das Pferd auf einem „Kartoffelacker“ Dressur zu reiten oder zu longieren.“

Unterschiedliche Böden

Im Gelände jedoch ist das Reiten auf unterschiedlichen Untergründen empfehlenswert. Der Grund? Hier werden Pferde nur kurzzeitig und nicht dauerhaft mit glattem Asphalt, harten Steinen, tiefem Sand, matschigem Lehm, weichem Waldboden usw. konfrontiert. „Draußen heben sich die Vor- und Nachteile gegenseitig auf. Mal werden die Gelenke, mal die Sehnen mehr belastet“, weiß Weingand.

Ob und wie stark ein Boden die Pferdebeine tatsächlich belastet, hängt immer auch von der Art der Bewegung und vom Trainingszustand des Pferdes ab, ergänzt sie. Im Galopp lastet auf einem Huf etwa das 2,5-fache Gewicht des ganzen Pferdes. Das entspricht bei einem durchschnittlich großen und schweren Reitpferd von 600 Kilogramm dem Gewicht von 1,5 Tonnen auf eine Fläche von wenigen Quadratzentimetern. Landet der Huf nun auf einer harten Oberfläche, werden enorme Vibrationen in die Gelenke weitergeleitet.

„Harte Böden belasten die Gelenke immer mehr als weiche. Mit gutem Hufschutz und in sehr gutem Trainingszustand können Distanz- oder Jagdpferde aber auch mal auf Asphalt traben oder galoppieren ohne Schaden zu nehmen. Pferde mit Gelenkerkrankungen sollten jedoch nicht oder zumindest nicht in höheren Gangarten auf zu harten Böden gearbeitet werden“, rät die Expertin.

Ein dauerhaft zu weicher Boden tut der Beingesundheit ebenfalls nicht gut. Wer einmal versucht hat, in tiefem Sand zu laufen, weiß, wie viel Kraft das kostet. Hierbei werden v.a. die Sehnen und Bänder einer ver- mehrten Belastung ausgesetzt. „Pferde mit alten Sehnenschäden sollten daher nicht auf zu tiefen Böden laufen müssen“, erläutert die Ausbilderin. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: „Ist ein Pferd gut an Sandböden (z. B. der Lüneburger Heide) angepasst, dürfte es mit einem solchen Untergrund auch langfristig keine Probleme haben.“

Es kommt also immer auf die Krankengeschichte des Pferdes und dessen aktuelle Gesundheit an. Das gilt auch für Unebenheiten: „Pferde mit gesunden Hufgelenken und gesunden Kollateralbändern, z.B. an Huf- und Krongelenk, können gut mit unebenen Böden umgehen, solche mit Problemen an diesen Strukturen nicht“, merkt Weingand an.

Pferdebeine stärken: Koordination verbessern

Ein gesundes Pferd profitiert aber immer von verschiedenen Böden, da sie die Propriozeption fördern. Dieses Sinnessystem gewährleistet die Empfindung von Lage, Haltung und Bewegungen des Körpers. Hiermit verbunden sind viele Fähigkeiten, die unter den Begriff der Koordination und Körperwahrnehmung fallen.

„Ist ein Pferd koordinativ geschickt, ist es zugleich weniger verletzungsanfällig“, sagt die Expertin. Doch dafür bedarf es vielfältiger Reize, die nicht nur unterschiedliche Böden, sondern auch ein abwechslungsreiches Training sowie verschiedene Hindernisse wie z.B. Stangen, Pylonen usw.

Um die Pferdebeine gesund zu erhalten, ist zudem die richtige Aufwärmphase wichtig. Mindestens zehn Minuten Schrittreiten lautet die Empfehlung von Weingand. In dieser Zeit findet eine verbesserte Durchblutung statt. Die Körperkerntemperatur erhöht sich. Dabei erwärmen sich nicht nur die Muskeln, Bänder und Sehnen, die danach deutlich flexibler und leichter zu mobilisieren sind, sondern auch die muskellosen Bereiche von Karpalgelenk bis Huf bewegen sich sanft mit.

„Die Wärme verbessert wiederum die Fluidität der Gelenkflüssigkeit und der extrazellulären Matrix des Bindegewebes. Außerdem ernährt der ruhige Wechsel zwischen dem Druck auf die Gelenke und der Entlastung der Gelenke die Gelenkknorpel“, erklärt die Expertin. So ist der Knorpel vor Abrieb geschützt und kann Stöße besser abpuffern.

Richtig aufwärmen

In der Phase des Warm-up rät die Pferdetherapeutin zu einem fleißigen Mittelschritt auf großen Linien oder auf einer kleinen Geländerunde mit einer Geschwindigkeit von etwa fünf km/h (je nach Pferd variiert das Tempo). Ein zu langsames Tempo sollte vermieden werden, da sich dann die Körperkerntemperatur nicht erhöht und somit keine erhöhte Durchblutung stattfindet.

Weingands zweiter Tipp: „Reiten Sie in den ersten zehn Minuten nur wenige Wendungen und noch nicht seitwärts. Tempounterschiede im Sinne von Abwenden- Zulegen-Tempo etwas ,ausrollen‘ lassen und wieder zulegen sind hingegen förderlich. Bei gut trainierten Pferden auf guten Böden und nach einigen Minuten Mittelschritt geradeaus können auch Biegungen und Schenkelweichen dazugenommen werden.“ Sie lässt die Pferde in der Schrittphase auch gern über Schrittstangen oder einen Stangenfächer treten. Danach kann das zwang- lose Traben oder das Galoppieren im leich- ten Sitz folgen, so die Ausbilderin.

Optimal ist es, wenn Sie beim Aufwärmen einen niedrigen Anstrengungsgrad für das Pferd wählen und Sie zwischen der Vorbereitung und der eigentlichen Belastung keine lange Pause entstehen lassen. Entscheidend ist ebenso ein gut abgestimmtes Training. „Ein Pferd, das keine 20 Minuten zufrieden und munter durchtrabt, hat nicht die „Beine“ für ein frisches Galöppchen, Freispringen oder Hangbahntraining“, meint die Pferdetherapeutin.

Text: Inga Dora Schwarzer    Foto: www.Slawik.com

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