Es gibt wohl kaum eine Lektion in der Reiterei, die so spaltet wie das Kurzkehrt. Theoretisch ist sie leicht, doch korrekt ausgeführt verlangt sie Aufmerksamkeit, Konzentration und eine genaue Hilfengebung

Der Übergang von Klasse A zu L ist ein großer Schritt. Neben dem Arbeitstrab wird nun auch Versammlung abgefragt, und verschiedene Lektionen wie der Außengalopp oder die Kurzkehrtwendung kommen hinzu. Bei dieser Wendung handelt es sich um eine versammelnde Lektion, die eine gute Längsbiegung voraussetzt. Die Wendung im Kurzkehrt wird immer aus der Bewegung heraus geritten, wobei sich die Vorhand um die Hinterhand bewegt. Die Hinterbeine bleiben aber nicht fest auf dem Boden, sondern treten aktiv mit, ohne sich zu kreuzen. Gleichzeitig wird das Pferd in Bewegungsrichtung gestellt und gebogen, im Abschluss wird das Kurzkehrt in die Vorwärtsbewegung beendet. Diese Übung dehnt die jeweils äußere Seite des Pferdes, fordert eine gute Durchlässigkeit, und die Tragkraft und Gleichgewicht werden gefordert. Sowohl für das Pferd als auch für den Reiter ist also eine Menge zu beachten.

Kurzkehrt: Die Voraussetzungen

Pferdewirtschaftsmeisterin Gesa von Hatten kennt die Schwierigkeiten der Lektion: „Die Durchlässigkeit ist für die Versammlung und auch für das Kurzkehrt Grundvoraussetzung. Wenn ich mein Pferd in der Versammlung nicht durchlässig habe, wird es unheimlich schwierig. Hinzu kommt, dass die Reiter in der Lektion selbst ihre Pferde durchlässig halten müssen, da sich sonst schnell viele Baustellen auftun.“ Befindet sich ein Pferd-Reiter-Team also auf dem Sprung in die Klasse L, wird zunächst im Trab und Galopp an der Versammlung gearbeitet. Je selbstverständlicher die Versammlung in den schwungvollen Gangarten wird, desto leichter ist sie auch im Schritt zu erreichen. Das Pferd muss auch im versammelten Schritt taktrein schreiten und vermehrt Last auf die Hinterhand aufnehmen. Dazu gehört auch, dass der Reiter sein Pferd geraderichtet. „Die Vorhand muss auf die Hinterhand eingestellt werden. Sonst schiebt sich das Pferd im Kurzkehrt auf der hohlen Seite über die äußere Schulter weg und geht mit der Hinterhand voraus anstatt mit der Vorhand. Auf der festen Seite wird die Längsbiegung zum Problem“, erklärt die Expertin. Wird die Skala der Ausbildung komplett erfüllt, sind einige Schwierigkeiten so von Anfang an ausgeschlossen.

Die richtige Koordination

Die Hilfengebung im Kurzkehrt ist komplex. In einer kurzen Abfolge muss der innere Gesäßknochen vermehrt belastet werden, bevor der innere Zügel die Wendung einleitet und leicht seitwärts weisen darf. Der innere Schenkel liegt treibend am Gurt, der äußere verwahrend kurz dahinter. Der äußere Zügel begrenzt die Biegung, die durch die Schenkelhilfen eingefordert wird. Gleichzeitig muss er aber auch nachgeben, sodass das Pferd sich in der Wendung bewegen kann. Gesa von Hatten erkennt bei ihren Schülern häufig, dass die Hilfen alle gleichzeitig und wie eine Art Dauerreiz eingesetzt werden. „Wenn zum Beispiel ausreichend Stellung vorherrscht, muss das Pferd nicht noch mehr gestellt werden. Diese Reizüberflutung der andauernden Hilfe überfordert viele Pferde, und die Kurzkehrt-Wendung scheitert“, so die selbstständige Reitlehrerin. Damit es nicht zu diesen Problemen und dem Überdenken der Übung kommt, empfiehlt die Expertin, die Schwierigkeiten im Kurzkehrt zu analysieren. „Wenn die Längsbiegung das Problem ist, wird diese nicht in der Lektion selbst bearbeitet, sondern mit Biegearbeit“, erklärt sie. Die Pferdewirtschaftsmeisterin aus Mechernich sieht hier auch die Ausbilder in der Pflicht: „Wir als Trainer müssen erkennen, was das gute Kurzkehrt verhindert. Auch wenn viele Reiter das häufig nicht hören wollen, muss man oft erst einen Schritt zurückgehen, damit die Lektion dann gelingt.“

Warum brauchen wir Kurzkehrt?

Oft wird Kurzkehrt als Vorbereitung auf Seitengänge angesehen. Unsere Expertin Gesa von Hatten denkt andersherum. Sie sagt: „Wer sein Pferd seitwärts reiten kann, kann es auch versammeln. Kurzkehrt ist in meinen Augen die Überprüfung der Durchlässigkeit in der Versammlung“.

Durch die diagonale Hilfengebung wird die Hinterhand kontrolliert und die Lastaufnahme vermehrt. Auch für den Reiter ist die Wendung eine gute Vorbereitung, muss er sich doch im Viereck genau orientieren. Die Trainerin kennt noch weitere Vorteile der unbeliebten Lektion: „Ich baue Kurzkehrt gerne in andere Lektionen ein, zum Beispiel Travers im Schritt, aus dem dann eine Kurzkehrtwendung entwickelt wird. Auch das Angaloppieren aus dem versammelten Schritt nach der Wendung ist eine tolle Übung“, erklärt sie. Durch diese Kombination verschiedener Lektionen nimmt die Reitlehrerin ihren Schülern so die Angst vor der Wendung. „Auch Pylonen und Quadratvolten eignen sich toll, um ins Kurzkehrt einzuleiten. Je langsamer man sich herantastet, desto besser gelingt es, und die Übung verliert ihren Schrecken“, erläutert die erfahrene Ausbilderin ihren Weg.

Kurzkehrt: Probleme lösen

Besonders wichtig ist in ihren Augen auch, dass die Wendung nicht immer genau um 180 Grad geritten wird. „Oft erkennt man das Problem erst nach der Lektion, kann es dann aber nicht korrigieren. Bis Takt, Losgelassenheit, Biegung und Co. stimmen dauert es häufig länger als 180 Grad“, weiß die Trainerin. So reiten ihre Schüler die Kurzkehrtwendung auch gerne mal um 360 Grad, sodass mehr Zeit herrscht, sich einzufinden und Probleme zu lösen.

Auch wenn die Lektion ein hohes Maß an Koordination und Orientierung verlangt, fragt sie letztlich nur die korrekte Hilfengebung sowie die Punkte der Ausbildungsskala ab und ist somit ein hervorragender Maßstab für die eigene Reiterei. Akzeptiert man bestehende Probleme und löst diese, verliert auch das gefürchtete Kurzkehrt seinen Schrecken und bringt, korrekt durchgeführt, auf dem Turnier viele Punkte.

Text: Sophia Arnold     Foto: Pferdefotografie Lafrentz 

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