Text: Inga Dora Schwarzer       Foto: www.Slawik.com

Im Training bedarf es Herausforderungen und Abwechslung für die Weiterentwicklung und Routinen, um die entstandene Beanspruchung auszugleichen. Oder anders gesagt: Energie verbrennen für Neues und auftanken bei Gewohnheiten. Wie der Mix gelingt, erklären Mirjam Eppinger und Svenja Braun

Wie Eppinger sieht auch sie die Verantwortung beim Reiter, die passende Mischung für seinen vierbeinigen Trainingspartner zu definieren. „Für ein hektisches Pferd mit Gleichmaß-Problemen sind fünf ähnliche Einheiten mit leichten Abwandlungen in Aufbau und Herangehensweise abwechslungsreich genug. Für ein Pferd, das eher etwas träge in den Reaktionen erscheint und wenig motiviert ist, mit dem Menschen zusammenzuarbeiten, sind Einheiten, die zwischen Trail, Dressurarbeit, Freispringen, Doppellonge, Halsringreiten, zirzensischen Lektionen sowie Reiten im Wald abwechseln, die bessere Wahl“, erläutert die Expertin. Selbstreflexion sei der Schlüssel zum Erfolg. „Dabei ist eine „SMARTe“ (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminierbar) Zielsetzung erforderlich“, erklärt Braun. Diese könne durch ein Umfeld, das objektive Rückmeldungen gibt und zum offenen Dialog bereit ist, unterstützt werden.

Am wichtigsten sei, das Pferd zu fragen und zu lernen, seine Signale korrekt zu deuten. „Verbessert es sich im Training? Bleibt vieles gleich, oder wird es sogar schlechter? Wie fühlt sich das Pferd während des Trainings an? Hat es Spaß an der Arbeit mit mir? Bei welchen Aktivitäten (im gesamten Lebensalltag des Pferdes) bemerke ich psychische und physische Merkmale der Freude? Wann zeigt es Anzeichen von Losgelassenheit? Wann spitzt es aufmerksam die Ohren, und kann ich aus dieser Situation in irgendeiner Form eine sinnvolle Trainingseinheit kreieren?“, so die Ausbilderin. 
Ihr Rat: Beobachten Sie Ihr Pferd und versuchen Sie, individuelle Stärken sowie Schwächen im Training zu berücksichtigen. „Bei weniger lauffreudigen Tieren beobachte ich im Paddock häufig, dass diese sich sehr wohlfühlen, wenn sie ruhig und entspannt in einer Ecke stehen können. Für sie bietet es sich manchmal an, die Belohnungsphasen in den Einheiten ausführlicher zu gestalten, sie ganz herunterfahren und sogar einen Moment stehen zu lassen, weil dies der größte Verstärker für die Belohnung ist“, erläutert sie.

Das Pferd als Ideengeber



Schnell wird so das Pferd zum Ideengeber und lädt dazu ein, auch mal ungewöhnliche Wege zu gehen. Die Pferdewirtschaftsmeisterin berichtet: „In der Halle hatte ein jüngerer Wallach Schwierigkeiten mit dem gleichmäßigen Vorwärtslaufen. Er versuchte immer wieder zu bremsen, wollte ungern laufen, zeigte Zeichen der Unzufriedenheit. Offensichtlich fühlte er sich alleine und hatte zu wenig Motivation, an einem Ort zu laufen, wo er immer wieder auf Wände zulaufen musste. Auf dem Paddock jedoch zeigte er im Spiel mit einem älteren Wallach viel Lauffreude.“ Deshalb hat sie die Wallache gemeinsam in der Halle laufen und spielen lassen, wodurch Freude und Euphorie aufkamen. „Bevor die beiden zu müde wurden, sattelten und ritten wir sie noch gemeinsam für wenige Minuten in der Halle, um den Vorwärtsgedanken und den Spaß so lange wie möglich zu erhalten“, so Braun.

Eher in sich gekehrte, unruhige, hektische oder ängstliche Pferde erhalten von ihr ausgiebige Einheiten am Boden und im Geschicklichkeitsparcours. „Jede noch so kleine Schrecksituation oder neue Aufgabe, die wir gemeinsam bewältigen, führt bei ihnen zu mehr Mut, Stolz und Selbstbewusstsein“, berichtet sie.
Passt das gewählte Trainingsprogramm hingegen nicht zum Pferd, kann ein Zuviel an Abwechslung Hektik und Unruhe auslösen. Mehr noch: Unruhe kann dafür sorgen, dass Übungen und Lektionen nicht nachhaltig im Gedächtnis des Pferdes verankert werden. „Kommt die vermeintlich gut gemeinte Abwechslung schneller, als das zu Lernende überhaupt geübt und verarbeitet werden kann, nimmt sie dem Pferd die Grundlage fürs Lernen“, gibt die Expertin zu bedenken. Nicht zuletzt mache das Prinzip „Abwechslung um der Abwechslung willen“ es schwer, einem konkreten Ziel zu folgen und dieses auch zu erreichen, so Braun.
Ihr abschließender Tipp: Werfen Sie auch mal einen Blick in die Natur des Pferdes. „Das Leben in Freiheit ist geprägt von vielen Routinen, die Sicherheit und klare Strukturen vorgeben, und nur wenig Abwechslung. Letztere findet vor allem im Spiel statt und wenn der gemeinsame Standort der Herde gewechselt wird. Sie bedeutet aber tendenziell auch etwas Negatives (wie z.B. Annäherung von Raubtieren, Wasser- und Nahrungsknappheit, Krankheit). Deshalb glaube ich, dass Pferde deutlich mehr Wiederholungen vertragen, als wir Menschen denken, und sie für Weiterentwicklung auch häufig notwendig sind.“ Da die Menschen den Tieren die stetige Bewegung heutzutage nicht mehr bieten können, seien Besitzer, Reiter oder Pfleger in der Verantwortung, diese mit passend ausgesuchter, abwechslungsreicher Beschäftigung auszugleichen.
Langeweile in dem Sinne, wie wir Menschen sie interpretieren, gibt es für die Tiere ihrer Meinung nach nicht. Sie würden eher Dinge wie Einsamkeit, fehlender weiter (Rundum-)Blick oder zu wenig Bewegung als „langweilig“ empfinden. Da das Training nur eine kurze Zeit im Tagesablauf des Pferdes einnimmt, lohnt es sich in der Haltung, die naturgegebene Mischung zu übernehmen. So kann ein wiederkehrender Tagesablauf Routine bieten, während verschiedene Futterplätze im Winter oder der Zugang zu mehreren Weiden im Sommer für Abwechslung sorgen. Der Mix macht’s!

Den kompletten Artikel finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.

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