Text: Aline Müller Foto: www.Slawik.com
Sie ist Freund und nicht Gegner des Pferdes – über die Hand stellt der Reiter Kontakt zum Pferdemaul her. Voraussetzung für eine feine Einwirkung ist dabei nicht nur der korrekte Sitz, sondern auch gegenseitiges Vertrauen sowie eine bewusste Wahrnehmung der eigenen Bewegungen und Gefühle
Unsere Hände sind nahezu ununterbrochen im Einsatz: Wir sehen die Welt nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Händen. Wir greifen und begreifen, wir fühlen und tasten, wir halten und lassen los. Für uns Menschen sind die Hände ein oft unterschätztes Wahrnehmungsorgan. Visuelle Informationen, also das, was wir über den Sehsinn wahrnehmen, gelangen in entscheidendem Maße erst über die Hände zum Gehirn. Das gilt vor allem für den sogenannten Handlungsraum, also den Raum in Reichweite der Hände. Dort finden Greifen und Berühren statt. Im Sattel sitzend sehen wir das Pferd vor beziehungsweise unter uns und bauen über die Hand eine Verbindung zum Maul auf. Wir stehen also permanent über die Zügelhilfen im Kontakt mit unserem Vierbeiner. Nun ist das Maul des Pferdes sehr empfindlich, und die Hilfen, die wir über die Zügel geben, sind nicht selten stärker, als wir denken. Haben wir das Gefühl für unsere Hände verloren?
Außen- und Innenwelt
Kinder entdecken die Umgebung mit vollem Körpereinsatz. Zunächst werden Tastversuche vor allem mit dem Mund begonnen. Wenn sich die Feinmotorik der Hände weiterentwickelt und das Greifen besser klappt, übernehmen die Hände nach und nach die Erkundung. Kinder erfahren, wie sich Gegenstände anfühlen, welche Eigenschaften sie haben. Sie stützen sich ab, halten sich fest und ziehen sich hoch, um Räume zu er- forschen. Die Hände sind also ein Werkzeug, um die Außenwelt wahrzunehmen. Gleichzeitig sind sie ein Spiegel der Innenwelt: Wer nervös ist, spielt häufig mit den Fingern, wer wütend ist, ballt die Fäuste, wer aufgebracht oder aufgeregt ist, zeigt ebenso deutliche Gesten. Dagegen sind die Hände locker, wenn wir entspannt sind. Wir berühren nicht nur Gegenstände, sondern auch andere Menschen oder eben unser Pferd mit den Händen. Dabei spüren wir die Berührung, und gleichzeitig nimmt unser Gegenüber den Kontakt wahr. Wir geben also Signale weiter. Diese können eine unterschiedliche Intensität haben. Wenn wir sanft über das Fell unseren Pferdes streicheln, fühlt sich das anders an, als wenn wir es durch Klopfen am Hals loben. Fühlen findet in der Regel eher unbewusst statt. Das liegt aber nur daran, dass wir es gewohnt sind, uns im Alltag keine Zeit für bewusstes Wahrnehmung zu nehmen. Dadurch stumpfen wir regelrecht ab und verlieren das Gefühl für unsere Hände. Das spiegelt sich auch im Sattel wider.
Kein Gegner, sondern ein Freund
Im Unterricht ist die Hand des Reiters häufig Thema. Doch die Anweisungen umzusetzen, fällt vielen Reitern schwer. Das liegt nicht selten daran, dass sich unsere Hände gefühlt automatisch bewegen und wir die Bewegungen nicht bewusst steuern. Das macht im Alltag durchaus Sinn. Stellen Sie sich vor, Sie stolpern – was ist Ihre erste Reaktion? Meist greifen wir um uns, in der Hoffnung etwas in die Hände zu bekommen, an dem wir uns festhalten können. Beim Reiten ist das ähnlich: Wenn der Reiter die Balance verliert, hält er sich meist am Zügel fest. Das können auch kleine Bewegungen sein, die allerdings dazu führen, dass der Reiter mit der Hand immer härter wird. Be- vor an den Händen herumkorrigiert wird, müssen also die Zusammenhänge klar sein und erkannt werden. Wenn Sie zum Beispiel immer in der Hüfte einknicken und dadurch die falschen Gewichts-, Schenkel- und eben auch Zügelhilfen geben, bringt es nichts, nur die Handhaltung zu verändern. Voraussetzung für eine gute Hand ist der losgelassene Balancesitz.
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