Viele bezeichnen Trab-Galopp-Übergänge als Schlüssellektion guter Ausbildungsarbeit – wenn sie gezielt eingesetzt werden. Was man mit einer im Prinzip so einfachen Lektion alles erreichen kann, erläutert der Dressurausbilder Philipp Hess.
Das Ziel definieren
Lösen oder versammeln: Trab-Galopp-Übergänge können beides!
Übergänge sind in der Ausbildung und Gymnastizierung von Pferden eine absolute Schlüsselübung, weil sie diverse Funktionen erfüllen und sichtbar machen, welche Ziele man im Hinblick auf die Skala der Ausbildung bereits erreicht hat oder an welchen Zielen man noch etwas feilen muss.
Bevor man konkret beginnt, die Übergänge zu reiten, sollte man sich genau überlegen, was man mit diesen Übergängen erreichen will. Denn je nach Alter und Ausbildungsstand des Pferdes können es ganz unterschiedliche Ziele sein! Beim jungen Pferd steht im Vordergrund, dass es durch die Übergänge an Losgelassenheit gewinnt und lernt, aufmerksam vor den treibenden Hilfen des Reiters zu bleiben. Bei jedem Gangartwechsel fördert der Reiter das Gleichgewicht des Pferdes, egal auf welchem Ausbildungsstand es ist – wie balanciert es sich aus, wenn es vom Trab in den Galopp wechselt? Bleibt es geschmeidig und sicher in der Anlehnung, oder hebt es sich heraus und nutzt es seinen Hals über die Maßen als „Balancierstange“? Das Tolle an diesen Übergängen ist, dass das Pferd sich ständig in einen neuen Takt hineinfinden muss: immer wieder vom Zweitakt zum Dreitakt und zurück.
Dieser Wechsel der Gangarten ist eine muskuläre und koordinative Herausforderung für Pferde, die in vielen Fällen zu mehr Rückentätigkeit und einem rhythmischeren und losgelasseneren Gesamtablauf der Gangarten führt. Die Rückführung vom Galopp zum Trab zeigt dem Reiter sehr gut, wie durchlässig das Pferd auf das Wechselspiel zwischen treibenden und verhaltenden Hilfen reagiert und ob es schon dazu in der Lage ist, geschmeidig die Gangart und den Takt zu wechseln, ohne sich auf der Hand des Reiters abzustützen oder freizumachen. Pferde, die noch wenig Kraft in der Hinterhand haben, werden eher lang bei Übergängen, weiter ausgebildeten Pferde gelingt es hingegen sehr viel leichter, mit der Hinterhand beim Übergang in den Trab genügend Last aufzunehmen.
Merke: Übergänge können als lösende oder versammelnde Lektion gestaltet werden. Das Ziel beim Reiten von Trab-Galopp-Trab-Übergängen ist damit abhängig von Alter und Ausbildungsstand.
Auf gebogenen Linien beginnen
Linienführung: immer von „groß“ nach „klein“ aufbauen
Für die ersten Übergänge in der Lösungsphase eignet sich der Zirkel besonders gut. Auf dieser großen gebogenen Linie ist das Pferd relativ wenig gestellt und gebogen – optimal, um vom Trab in den Galopp oder vom Galopp wieder in den Trab zu kommen.
Ein Übergang ist immer nur so gut wie seine Vorbereitung, darum sind zwei Dinge unerlässlich: Stellung und Biegung sowie die Akzeptanz der treibenden Hilfen klären! Im Detail: Vor der Galopphilfe (siehe Hilfengebung, Seite 31) muss der Reiter durch vermehrtes Treiben mit dem inneren Schenkel und einem leichten Annehmen des inneren Zügels Stellung und Biegung herstellen bzw. abfragen. Wichtig: Am Ende einmal innen zum Nachgeben kommen! So kann das Pferd weit vorfußend anspringen.
Treiben: Prüfen Sie vor jedem Übergang, ob das Pferd genügend vor den treibenden Hilfen ist. Wenn es verzögert auf das Treiben reagiert, ist ein schlechter Übergang programmiert! Und so geht’s: Geben Sie eine kurze, impulsartige treibende Hilfe und fragen Sie damit an, ob das Pferd Ihren treibenden Schenkel akzeptiert. Es sollte etwas mehr an die Hand heranziehen, achten Sie auch auf das Ohrenspiel des Pferdes – wenn es die Hilfen gut wahrnimmt, bewegen sich die Ohren!
Ein idealer Punkt zum Angaloppieren ist zur geschlossenen Zirkelseite, die Bande kann besonders dem jungen Pferd etwas Anlehnung geben. Dieser Punkt eignet sich auch bestens, um wieder durchzuparieren. Die Bande kann dabei optisch als „Bremse“ helfen. Achtung: Der Zirkel sollte auch an der kurzen Seite rund sein! Eine gute Orientierung, besonders für junge Reiter, bieten Hütchen, die dem Reiter den Weg weisen.
Für den Übergang vom Galopp zum Trab ist es wesentlich, dass der Reiter sein Pferd bis zum letzten Galoppsprung weitertreibt und es dann in der rückführenden Parade geraderichtet und sofort in die rhythmisch im Zweitakt treibende Hilfe übergeht.
Hinten zuerst!
Im Fokus: der Motor des Pferdes. Die Hinterhand ist es, die zuerst die Gangart wechselt!
Von hinten nach vorne soll jeder Übergang geritten werden – es sagt sich so leicht und ist doch nicht ganz einfach umzusetzen: Nur wenn die Hinterhand optimal durch das Wechselspiel von treibenden und verhaltenden Hilfen herangeschlossen ist, kann das Pferd diese Forderung umsetzen.
Eine Möglichkeit zur Entwicklung des „Von-hinten-nach-vorne“ ist es, vor dem Übergang in den Galopp den Trab etwas aufzunehmen, fast als wollte man zum Schritt durchparieren. Damit versucht man als Reiter, die Hinterhand des Pferdes heranzuschließen und zum aktiveren Vor- und Abfußen unter den Schwerpunkt zu motivieren. Eine bis zwei Pferdelängen aufnehmen im Trab, der Takt muss unbedingt erhalten bleiben, dabei leicht nach innen stellen, diesen Vorgang unbedingt mit einer nachgebenden Zügelhilfe beenden (!) und das Pferd aus diesem eher verhaltenen (bei weiter ausgebildeten Pferden versammelten) Trab in den Galopp hineintreiben. Diese Übung eignet sich besonders gut, wenn Pferde eher wenig bereit oder in der Lage sind, mit der Hinterhand Last aufzunehmen.
Durchparieren
Hauptsache harmonisch, und das Weitertreiben nicht vergessen!
Vielen Reitern fällt es leichter, ihr Pferd auf engeren gebogenen Linien zwischen treibenden und verhaltenden Hilfen einzurahmen. Die Abfolge des Treibens, Aufnehmens und abschließenden Nachgebens (= halbe Parade!) ist leichter umzusetzen, weil viele Pferde auf engeren Linien eher das Tempo etwas drosseln; so kommt der Reiter besser zum Treiben, es gelingt leichter, die Hinterhand unter den Schwerpunkt zu bringen, und der Reiter kann das Gefühl für die Abstimmung seiner Hilfen schneller finden. Für das losgelassene, prompte Angaloppieren und auch für die Rückführung vom Galopp zum Trab gleichermaßen sinnvoll: Zirkel verkleinern. Gerade auf dieser Linie hat der Reiter einen weiteren Vorteil: Es ist egal, wo sich Pferd und Reiter gerade befinden, sie können zu jeder Zeit aus der optimalen Vorbereitung in die nächsthöhere oder nächstniedrigere Gangart wechseln. Besonders in der Lösungsphase oder auch bei unerfahrenen
Reiter hat die Harmonie des Übergangs klare Priorität – und nicht das Angaloppieren oder Durchparieren am Punkt!
Beim Durchparieren ist das oberste Gebot: Weitertreiben im Trabtakt nicht vergessen! Oft neigt der Reiter dazu, nach der Parade erst verzögert wieder weiter zu treiben – mit der Konsequenz, dass das Pferd auseinander fällt und der Übergang eher kopflastig wird. Tipp: Verlängern Sie nach dem Übergang für einige Pferdelängen die Tritte – das hilft!
Im Übergang leichter sitzen
Spielen Sie mit Ihrem Sitz: Das hilft dem Pferderücken
Bei Pferden, die sich im Rücken etwas festhalten oder dazu neigen, den Rücken bei Übergängen wegzudrücken und sich herauszuheben, kann es hilfreich sein, die ersten Trab-Galopp-Übergänge im Entlastungssitz (früher sagte man auch „Remontesitz“) zu reiten. Das Gesäß kann dabei am Sattel bleiben, der Reiter neigt sich aus der Hüfte heraus leicht nach vorne, wenn er die treibende Hilfe zum Galopp und auch wenn er die Parade zurück zum Trab gibt. So ist es leichter für das Pferd, den Rücken im Übergang aufzuwölben und die Hinterhand weiter unter den Schwerpunkt zu bringen.
Die Anforderungen steigern – mit Konzept!
Fordern Sie immer nur das vom Pferd, was es auch leisten kann
Theoretisch ist es ganz einfach, in der Praxis muss man aber konzentriert bleiben, um die Lehr- und Leitsätze der Reitlehre umzusetzen: vom Leichten zum Schweren, vom Einfachen zum Komplexen. Für Trab-Galopp-Trab-Übergänge heißt dies: die ersten Übergänge auf großen gebogenen Linien, nicht am Punkt. Dann aus kleinen gebogenen Linien wie der Volte Übergänge am Punkt entwickeln, z. B. immer am Ende der Volte bei Erreichen des Hufschlages. Übergänge an der Mitte der kurzen Seite sind der nächste logische Schritt, und erst wenn all dies harmonisch gelingt, kann man sich an die anspruchsvolleren Übergänge herantrauen, z. B. Mitte der langen Seite auf einer geraden Linie. Eine weitere Schwierigkeit macht die Übergänge dann noch komplexer und stellt schon sehr hohe Anforderungen an die Durchlässigkeit des Pferdes: das Angaloppieren aus dem Trab an der langen Seite im Konter- statt im Handgalopp – eine tolle Übung, um zu prüfen, ob das Pferd wirklich korrekt auf die Reiterhilfen reagiert.
Höchstes Niveau: Die Galoppsprünge auf der Diagonalen verlängern, Rückführung in den versammelten Galopp, Übergang zum Trab, Tritte verlängern.
Text: Kerstin Niemann, Bild: slawik.com