Mein Pferd: Wie kamen Sie auf die Idee, eine Pferdesinn-Ausbildungsskala zu entwickeln?
Ulrike Neukäter: Das Wesen der Pferde, was sie brauchen, wie sie ticken und wie wir Menschen mit ihnen die viel beschriebene Harmonie und Leichtigkeit erleben können, beschäftigt mich schon lange. Ich weiß, dass ich – Gott sei Dank! – damit nicht alleine bin. Und doch gelingt es so häufig nicht, trotz allerbester Vorsätze. Das erlebe ich als Trainerin und kenne es … na ja … auch von mir selbst. Was hindert uns, woran scheitern wir, was fehlt dem Pferd von uns, wenn Gemeinschaft misslingt? Ich hatte das Bedürfnis, eine Leitlinie zu entwickeln, an der Pferdemenschen sich orientieren und weiterentwickeln können.
Was zeichnet Ihrer Meinung nach einen „Traummenschen“ für ein Pferd aus?
Ein Traummensch für ein Pferd zeichnet sich aus meiner Sicht dadurch aus, dass er sich die Aspekte der Pferdesinn-Ausbildungsskala immer mehr erschließt und als Grundhaltung und Basis jeglichen Handelns dem Pferd gegenüber verinnerlicht. Es ist ein Mensch, der verstanden hat, dass seine eigene persönliche Entwicklung und die Bereitschaft, sich in das Pferd hineinzuversetzen, untrennbar mit dem Wohl seines Pferdes verknüpft ist.
Wie entstand Ihre Verbindung zu Pferden?
Ich glaube, ich bin mit dem Pferde-Gen geboren worden. Schon als Kind bin ich an jeder Pferdeweide stehen geblieben und wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich nicht „erst“ mit elf Jahren Reiten gelernt. Noch mal eine ganz neue und deutlich tiefere Verbindung zu Pferden entstand, als ich vor rund 20 Jahren zum ersten Mal die Gelegenheit zur Freiarbeit mit einem Pferd hatte. Mit buchstäblich nichts in der Hand und der Aufgabe, dieses Pferd von A nach B zu bewegen, war ich in nicht gekannter Weise auf mich selbst zurückgeworfen und mit dem Pferd auf Augenhöhe. Bewährte „Techniken“ griffen nicht, und ich musste völlig neu denken – wie ich mich diesem Pferd verständlich machen kann, wie es mich wahrnimmt und was ich tun kann, um es für meine Idee zu gewinnen.
Glauben Sie, dass Pferde den Charakter eines Menschen prägen, und wenn ja, warum?
Ich glaube nicht, dass Pferde einen anderen Menschen aus jemandem machen können, aber sie können das Beste in uns zum Vorschein bringen. Sie reagieren nun mal so ausgeprägt und unverfälscht auf unser Innerstes, unsere Gedanken, Gefühle und innere Haltung. Wenn wir hier klar, authentisch und zugewandt sind, haben wir die Basis für das gelegt, wonach wir uns (hoffentlich) alle sehnen: im Einklang mit unserem Pferd zu sein.
Wie helfen Sie Pferdebesitzern, die sich schwertun, die Leitlinien Ihrer Ausbildungsskala umzusetzen?
Ich würde eher davon sprechen, wie diese Leitlinien mit Leben gefüllt und für Mensch und Pferd erlebbar gemacht werden können. Ich glaube, jeder Mensch kommt an irgendeinem Punkt an seine Grenzen – das ist natürlich und menschlich.
Für alle, die hier nicht stehen bleiben wollen, habe ich ein Begleitprogramm zur Pferdesinn-Ausbildungsskala entwickelt, das ich online anbiete. Die Teilnehmer bekommen hier noch einmal ein tieferes Verständnis dafür, was die einzelnen Punkte der Ausbildungsskala für ihr Pferd bedeuten und warum jeder Aspekt aus Pferdesicht so wichtig ist. Im zweiten Schritt geht es darum, die Themen für sich selbst zu reflektieren, Schwierigkeiten zu überwinden und so über sich selbst hinauszuwachsen – um immer mehr der Mensch zu werden, den sich das Pferd wünscht. Danach geht’s an die konkrete Umsetzung mit dem eigenen (bzw. dem anvertrauten) Pferd. Hierzu erhalten die Teilnehmer jeweils praktische Übungsanleitungen. In regelmäßigen Live-Treffen beantworte ich aufkommende Fragen und bin insbesondere als Coach an der Seite der Teilnehmer, um jeden einzelnen in der persönlichen Entwicklung zu unterstützen.
Sind Sie der Meinung, dass Pferde die mentale Gesundheit des Reiters unterstützen können?
Auf jeden Fall! Vorausgesetzt, wir lassen uns auf diese wunderbaren Wesen ein und sind bereit, uns von ihnen berühren und bewegen zu lassen.