Text: Aline Müller Foto: www.Slawik.com
Wir sind nicht nur über den Körper mit unserem Pferd im Kontakt, sondern auch über unsere Gedanken. Auch Sie können diese besondere mentale Verbindung mit Ihrem Pferd erreichen und erleben, wie sich Ihr Pferd Ihnen körperlich und geistig öffnet
Im alltäglichen Leben herrscht oft ein Wettbewerb – nicht nur in beruflicher Hinsicht. Auch im privaten Bereich vergleichen und bewerten wir. Wer Wissen und eine schnelle Auffassungsgabe besitzt, hat die Nase vorn. Beide Prozesse laufen in der linken Gehirnhälfte ab. „Obwohl die logisch denken- de, wissensspeichernde linke Gehirnhälfte nur einen Teil unserer geistigen Kapazität ausmacht, ist sie dennoch ein wichtiger Teil – da sie die anderen Dimensionen des Gehirns formt und beeinflusst“, erklärt Beth Baumert. So weiß Ihre linke Gehirnhälfte, wann Ihr Turnier stattfindet, wann Sie abreiten müssen und wann die Prüfung beginnt. Zudem kennt Sie alle wichtigen Regeln, die es auf einem Turnier zu beachten gibt, und organisiert alles Drumherum: Welche Ausrüstung Sie mitnehmen müssen und wie Ihr Pferd gefüttert wird, um genug Kraft für den Tag zu haben. „Darüberhinaus verfügt der Reiter über ein intellektuelles Verständnis der körperlichen und geistigen Bedürfnisse seines Pferdes“, so unsere Expertin. Als denkender Reiter steigen Sie mit einem Kopf voller wichtiger und detaillierter Informationen in den Sattel. Diese helfen Ihnen bei der Ausbildung Ihres Pferdes. Führen Sie sich jedoch vor Augen, dass sich Ihr Bewusstsein immer nur auf eine Sache konzentrieren und diese lernen kann. Daher macht es Sinn, Trainings- einheiten gut zu strukturieren und weder sich selbst noch das Pferd zu überfordern. Sobald etwas durch Lernen zur Gewohnheit wird, wird es in das Unterbewusstsein verschoben. Wenn Sie zum Beispiel gelernt haben, Fahrrad zu fahren und die Balance zu halten, werden Sie auch nach ein paar Monaten Pause wieder in den Sattel steigen und fahren können, ohne groß darüber nachzudenken, was Sie da eigentlich genau machen.
Zwischen Denken und Nichtdenken
Außerhalb des Denkens gibt es noch einen anderen Zustand: den des Nichtdenkens. „Der nicht denkende Geist kann sich nach innen richten, dann nennen wir ihn Meditation. Oder er kann sich nach außen richten und eine Kommunikation mit dem Pferd sein“, erklärt Beth Baumert. Pferde verlangen von uns, genau diese Dimension des Bewusstseins zu erkunden. „Wir müssen dorthin gehen, wo unser Pferd ist – an den Ort, an dem es keine Auseinandersetzung mit Alltagsproblemen gibt“, sagt die Dressurtrainerin. Wenn Sie sich in einen Zustand begeben, in dem Sie nicht urteilen und im Hier und Jetzt sind, befinden Sie sich in einem Bewusstseinszustand, den Ihr Pferd lesen kann. Laut Beth Baumert reiten die besten Reiter mit zwei Bewusstseinszuständen: einen den das Pferd lesen kann, und einen, den es nicht lesen kann.
Den nicht denkenden Bewusstseinszustand spürt das Pferd. Diesem kann es zuhören, und er ermöglicht eine beidseitige Kommunikation zwischen Pferd und Ausbilder. Hingegen können Vierbeiner unseren Geis- teszustand des logischen Denkens, unser Streben nach Wissen sowie unsere Problemlösungsstrategien nicht lesen. Während des Reitens können Sie lernen, zwischen Denken und Nichtdenken hin- und herzuwechseln. Wenn Sie Ihre Gedanken so verinnerlicht haben, dass sie unterbewusst geworden sind, müssen Sie nicht mehr darüber nachdenken. „Der nicht denkende Geist spürt. Er hat keine Meinung, er ist automatisiert und befindet sich im Hier und Jetzt – in der Zone“, betont Beth Baumert.
Frei von Gedanken in der Zone
Wahrscheinlich haben Sie den Begriff der „nicht denkenden dynamischen Meditation“ bisher noch nicht gehört und fragen sich, wie Sie dorthin gelangen? Beth Baumert ist es wichtig, einen zuverlässigen Weg zu finden, um an diesen ruhigen inneren Ort zu kommen. Das bedeutet, eine andere Dimension des Geistes zu finden, die zwar frei von Gedanken ist, aber eben über unerschöpfliche Kapazitäten verfügt. „Dieser wunderbare, einfache Zustand der dynamischen Meditation ist ein Zustand, in dem sich Magie einschleichen und Ihnen eine Welt unendlicher Möglichkeiten eröffnen kann“, sagt unsere Expertin, die diesen Zustand auch als „Zone“ bezeichnet. Sie zu finden ist oft gar nicht so leicht, weil der Verstand Streiche oder sogar regelrecht verrückt spielen kann. Dann erleben wir schlaflose Nächte voller Grübeleien und kreisenden Gedanken und anschließend leistungsschwache Tage.
Den gesamten Text finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.