Text: Inga Dora Schwarzer Fotos: www.Slawik.com
Aussitzen ist eine Herausforderung für den Reiter. Er muss auf dem sich bewegenden Pferd eine koordinative Meisterleistung vollbringen. Wie sie gelingt und warum der Weg zum guten Sitz für jeden Menschen einzigartig ist, zeigt Bewegungsexpertin Katja Trillitzsch.
Jetzt aussitzen!“ Bei dieser Anweisung des Reitlehrers sträuben sich bei vielen Reitern die Haare zu Berge. Sie mühen sich ab, um sich auf dem Pferderücken zu halten. Aber auch Fortgeschrittene hoppeln oft mit dem Allerwertesten im Sattel herum. Und so mancher Dressurfrack kaschiert bei Turnierreitern ein unfreiwilliges Anheben des Gesäßes aus dem Sattel. Aussitzen ist eben anspruchsvoll. Aber muss man es deswegen einfach nur irgendwie überstehen? Oder wäre es nicht schöner, es gelänge spielerisch leicht und in Harmonie mit den Pferdebewegungen?
Individualität ist Trumpf
„Im Reitunterricht werden Korrekturen oft pauschal gegeben. Das funktioniert aber leider nicht, weil wir Menschen unterschiedlich sind. Unser Bewegungssystem ist so komplex, das es nicht eine Lösung für alle, sondern nur individuelle Lösungen geben kann, die der Ausbilder herausfinden muss“, erklärt Katja Trillitzsch, Pferdewirtschaftsmeisterin, Bewegungstrainerin und -pädagogin aus dem bayerischen Fürth. Es gibt daher verschiedene Wege, die zum korrekten Aussitzen führen. Aber fangen wir von vorne an und zwar dort, wo Bewegung überhaupt entsteht.
Hinter all unseren Tätigkeiten steckt ein perfekt aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel zwischen den motorischen Systemen in Gehirn und Rückenmark und den rund 650 Muskeln, die diese wie bei einem eingespielten Sinfonieorchester dirigieren. Doch die motorischen Leistungen des Menschen werden oft unterschätzt. Nur wer einmal ein Kleinkind beobachtet hat, das Laufen lernt, hat eine vage Ahnung davon, wie kompliziert das einfache Gehen eigentlich ist, das man als Erwachsener wie selbstverständlich und vollkommen mühelos absolviert.
„Wie sich der Mensch bewegt, hängt immer davon ab, wie gut seine bewegungssteuernden Systeme miteinander arbeiten. Hierbei spielt der Pool an Bewegungserfahrungen (im Leben erlernte Bewegungen im Alltag, beim Sport etc.), auf die der Mensch auch beim Reiten zurückgreifen kann, eine wichtige Rolle“, so die Expertin. Alle Bewegungen, die wir machen, können Sie sich als Bewegungsdaten vorstellen, die im Gehirn wie auf einer Festplatte gespeichert werden. Aus diesen Daten sucht sich der Körper die beste Lösung heraus, um auf eine bestimmte Situation zu reagieren. Das Problem? „Hat das Gehirn nur wenige Bewegungsdaten zur Verfügung, ist der Pool, aus dem es schöpfen kann, gering“, erläutert die Bewegungsexpertin. Es wird also vielleicht nur die zweit- oder drittbeste Möglichkeit finden, um ein Bewegungsproblem zu lösen. Ziel sollte es deshalb sein, dem Gehirn so viel Input wie möglich zu geben.
Spiel mit den Bewegungen
Erwachsene scheuen sich aber häufig davor, ihre Komfortzone zu verlassen. Die Gewohnheit hat uns im Griff. „Man möchte Lektionen reiten, aber keine neuen und ungewohnten Bewegungen ausprobieren. Das Spielen mit dem Körper überlassen wir lieber Kindern. Dabei sind es gerade Veränderungen, die uns in der reiterlichen Entwicklung weiterhelfen“ so Trilitzsch. Um Reiter aus ihrem Trott zu holen, nutzt sie u.a. das Prinzip des Bewegungswissenschaftlers Eckart Meyners, der eine Übung in verschiedenen Geschwindigkeiten und Radien mit und ohne Kraftaufwand ausführen lässt, um dem Körper viele sensorische Daten zu vermitteln.
… weitere Informationen zum Thema Aussitzen finden Sie in der September-Ausgabe.