Text: Kerstin Niemann Foto: www.Slawik.com
Wenn Pferd und Reiter eine gemeinsame Balance gefunden haben, wird Reiten ganz leicht. Doch welche Arten von Balance gibt es? Und wofür sind sie wichtig? Wie stark muss differenziert werden zwischen der Balance des Pferdes und der des Reiters?
Die Begriffe „Gleichgewicht“ und „Balance“ werden im allgemeinen Sprachgebrauch oft für dieselbe Sache benutzt, sind aber aus Sicht der Sportwissenschaft zwei vollkommen unterschiedliche Dinge: Denn unter „Gleichgewicht“ versteht man erst einmal nur die Tatsache, dass man einen Gleichgewichtssinn hat und diesen intuitiv nutzt.
Das Balancieren hingegen wird verstanden als aktive Handlung – das heißt, man balanciert sich aus, um nicht hin- oder gar vom Pferd zu fallen; man breitet zum Beispiel die Arme aus oder beugt die Knie oder schwankt. Alle diese Ausgleichsmaßnahmen sollen dazu dienen, wieder zurück ins Gleichgewicht zu finden.
Balance des Pferdes ohne Reiter
Das Pferd sollte erst einmal ohne Reiter im Gleichgewicht sein. Doch: „Jedes Pferd ist anders und bringt von sich aus unterschiedlich gute Voraussetzungen mit“, weiß Uta Gräf. „Dem einen fällt es leicht, ohne Reiter im Gleichgewicht zu sein, ein anderer hat’s damit schwer. Das merkt man später auch beim Reiten.“ Pferde mit einem relativ kurzen Rücken und langen Beinen zum Beispiel, Hochrechteckpferde, haben oft mehr Schwierigkeiten, sich selbst auszubalancieren, als Pferde mit etwas längerem Rücken und kürzeren Beinen – „die Schwerpunkte liegen völlig anders und damit auch die Gleichgewichtssituation“, betont Pferdewirtschaftsmeister Rolf Grebe. „Auch eher bergab konstruierte Pferde haben mehr Mühe, ihre Balance zu finden.“ Generell gilt: Wenn ein Pferd ohne Reiter wenig ausbalanciert ist, es beim Laufen auf der Weide oder an der Longe schwankt oder beim Galoppieren vier Hufschlaglinien benötigt, dann wird es auch unter dem Reiter mehr Mühe haben, sich auszubalancieren.
Unter dem Reiter: ein anderes Bild?
Unter dem Reiter spiegelt sich wider, was man schon vorher, auf der Weide, am Boden oder in der Halle beim Freilaufen sehen konnte: Bewegt sich das Pferd von sich aus geschmeidig und fast lautlos, katzengleich? Dann bringt es jede Menge Gleichgewichtssinn und Balancierfähigkeit mit und wird auch unter dem Reiter schnell mit der neuen Gleichgewichtssituation fertig. Es findet intuitiv und relativ mühelos ein „neues“ Gleichgewicht mit dem Reiter. „Man fühlt sofort, wie viel Gleichgewichtssinn ein Pferd von sich aus mitbringt“, sagt Uta Gräf, macht aber gleichzeitig Werbung für jene Pferde, denen nicht hundert Prozent Talent in die Wiege gelegt wurde: „Das Ausbalancieren unter dem Sattel lässt sich durch individuelle Förderung sehr gut erarbeiten! Wichtig für mich als Reiter ist dabei, den Blick für das Wesentliche zu schärfen: Welche Priorität muss ich setzen, welches ist die größte Baustelle, die ich zuerst bearbeiten muss?“ Bei dem einen Pferd kann dies der Takt sein – Pferde, die nicht im Gleichgewicht sind, tendieren zu Taktproblemen. Bei einem anderen Pferd kann das Fallen auf die Vorhand das dringendste Problem sein – „das muss ich wissen und danach handeln!“, fordert die versierte Ausbilderin, die schon vielfach den „richtigen“ Blick für ausbilderische Prioritäten bewiesen hat.
Reitergleichgewicht: unberechenbar!
Auch der Reiter bringt einerseits seine grundsätzliche Gleichgewichtsfähigkeit mit, die er im normalen Leben benötigt und nutzt. Und die ihn dazu in die Lage versetzt, auf einem Bein zu stehen, dabei die Augen zu schließen, beim Stehen von einem Bein aufs andere zu wechseln usw. Dies nennt man statisches Gleichgewicht. Hinzu kommt das aktive Gleichgewicht: Turnen, Tanzen, Skilaufen – in all diesen Bewegungssituationen benötigt der Mensch sein aktives Gleichgewicht.
Den kompletten Text finden Sie in der neuen Mein Pferd- Ausgabe.