Text: Aline Müller Foto: www.Slawik.com
Durch den häufigen Einsatz von Zügel- und Schenkelhilfen geraten die Sitzhilfen mehr und mehr in Vergessenheit. Doch sie sind wichtig, damit Pferd und Reiter eine harmonische Einheit bilden können und zu mehr Leichtigkeit finden
„Was für ein Alien sitzt da auf meinem Rücken?“, muss sich so manches Pferd denken, wenn es das erste Mal geritten wird. Auf einmal prasseln zahlreiche Signale über die Zügel, also die Hände des Reiters und die Schenkel, auf es ein. Ganz schön viel zu verarbeiten. Meist wird das Lernmodell der klassischen Konditionierung herangezogen, damit das Pferd etwas lernt. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf einem Jungpferd und möchten Ihm beibringen, auf Schenkeldruck vorwärts zu gehen. Dann muss zunächst etwas im Gehirn des Pferdes passieren, das Sie nicht sehen: Es muss eine Assoziation zwischen einer spontanen Aktivität (Vorwärtsgehen), einem Signal (Schenkeldruck) sowie einer positiven Verstärkung (z.B. Lob durch Stimme) stattfinden. Erst durch die positive (oder in manchen Fällen auch negative) Verstärkung gewinnt das Signal für das Pferd sehr an Bedeutung, sodass es im Gedächtnis zusammen mit den assoziierten Eindrücken gespeichert wird. Beim Thema Vorwärtsgehen wird meist nicht allzu lange auf ein spontanes Verhalten des Pferdes gewartet, sondern es wird durch einen bestimmten Reiz, etwa einer Stimmhilfe oder der Gerte – oft auch durch eine Hilfsperson –, ausgelöst. Mit geschickt aufgebautem Training und Geduld können Sie beliebige Signale mit erwünschten oder unerwünschten Aktivitäten des Pferdes assoziieren. Pferde sind uns in Bezug auf ihre Körperkraft um ein Vielfaches überlegen. Wir benötigen also gewisse konditionierte Signale für einen sicheren Umgang. Dazu gehören eben auch Zügel- und Schenkelhilfen. Doch wie bringen Sie Ihrem Pferd darüber bei, sich synchron mit Ihnen als Reiter zu bewegen? „Wir brauchen Anweisungen oder Befehle in Form konditionierter Hilfen, um als Menschen mit einem Pferd auch dann eindeutig kommunizieren zu können, wenn das Pferd abgelenkt, aufgeregt oder an anderen Dingen interessiert ist. Befehle sind aber kein Ersatz für Kommunikation. Daher stellt sich die Frage, wie Kommunikation zwischen zwei Wirbeltieren ganz grundlegend funktioniert“, sagt Dr. Brigitte Kaluza.
Unbewusste Fortbewegung
Pferde können lernen, unsere Körpersprache auch dann zu lesen, wenn wir auf ihrem Rücken sitzen und sie uns nicht sehen. Ganz schön faszinierend, oder? Generell kommunizieren Pferde als hoch soziale Lebewesen fast ausschließlich über Körpersprache. Dabei können sie sich sehr differenziert ausdrücken und sind gleichzeitig begabte Beobachter von Körpersprache, zum Beispiel der von uns Menschen. Ursprünglich und primär war Körpersprache etwas, das innerhalb des Körpers stattfindet. Sozusagen im Team der neuronalen Steuerkreise. Doch im Laufe der Evolution wurde es zum Überleben immer wichtiger, dass andere Artgenossen, aber auch Feinde Signale über die Körpersprache erhalten. Fische sind ganz genaue Beobachter: Sie stimmen ihr Verhalten so aufeinander ab, dass sie in Schwärmen und Formationen schwimmen können. Ähnlich machen es Vögel, wenn sie in Schwärmen fliegen.
Was denken oder fühlen andere Individuen derselben oder einer anderen Art? Körperhaltung, Mimik und Gestik verraten hier einiges. Eine Besonderheit bei uns Menschen ist der so differenziert bewegliche Stimmapparat, der uns das Sprechen ermöglicht. Wir können die Körpersprache unseres Pferdes jedoch nicht nur beobachten, sondern auch erfühlen. Dabei kann Ihnen die Übung „I feel you“ auf Seite 20 helfen. Sowohl beim Gehen als auch beim Reiten entstehen ähnliche Bewegungen, sogenannte Taumelachsenbewegungen, des menschlichen Beckens. Gleichzeitig ist es die Verbindungsstelle zum Pferderücken und wird oft in seiner Wirkung als Kommunikationszentrum unterschätzt. Fortbewegung ist ein unbewusster Vorgang. Sie denken in der Regel nicht darüber nach, wie Sie ein Bein vor das andere setzen. Die elastischen Schwingungen des gesamten Körpers werden dabei von Gangmuster-Schaltzentren im Rückenmark sowie vom Kleinhirn kontrolliert. Wird bewusst in diese Abläufe eingegriffen, ist das eine Störung. Auf das Reiten übertragen heißt das, dass wir den Bewegungsablauf und -fluss durchaus durch unsere Hilfengebung stören können. Daher ist es so wichtig, sich mit den Körperschwingungen des Pferdes zu synchronisieren.
Den kompletten Artikel finden Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.