Im Englischen werden sie liebevoll sanfte Riesen genannt, und genau einen solchen wollte unser Wunschpferd-Kandidat Carsten Lennartz einmal reiten. Auf dem Gestüt Molehill Shire wurde ihm dieser Wunsch von Birgit und Christof Backhaus erfüllt
Text: Jessica Classen; Fotos: Mathis Wienand/Getty Images
Er strahlt von einem Ohr zum anderen und marschiert schnurstracks auf die Herde zu: Carsten Lennartz, unser Wunschpferd-Kandidat, ist fasziniert von Shire Horses, und das sehen wir ihm auch an. „Wenn man einmal dieser Rasse verfallen ist …“, sagt er, vollendet den Satz aber nicht. Sein Strahlen lässt auch so jeden wissen, was er sagen wollte: Dass Shire Horses einfach tolle Pferde sind. Punkt. Alle Pferde des Gestütes Molehill Shire – Hengste, Stuten, Wallache, junge und ältere – stehen zusammen in Offenstallhaltung. Hinzu kommen noch zwei Alpakas. „Für die Offenstallhaltung haben wir uns bewusst entschieden, weil sie unserer Meinung nach die einzig artgerechte Form der Pferdehaltung ist“, erklärt uns Birgit Backhaus, die zusammen mit ihrem Mann Christof auf dem Gestüt Molehill Shire in Hückeswagen (NRW) diese Shire Horses züchtet. Auf der Weide kommen die englischen Riesen dann wie selbstverständlich auf Carsten zu. Jeder Beobachter könnte meinen, dass sie sich schon ewig kennen, so vertraut gehen sie miteinander um. „Das ist typisch für die Rasse“, erklärt Christof Backhaus. „Shire Horses sind sehr neugierig und verschmust.“ Wie zum Beweis kommt die kleine Molehill Janeway auf Carsten zu und weicht ihm nicht mehr von der Seite. „So etwas niedliches habe ich ja noch nie gekrault“, ruft er lachend. Die „Kleine“ ist erst wenige Wochen alt und misst schon jetzt eine beachtliche Größe von einem guten Meter. „Am Karsamstag nachts um 3:36 Uhr kam sie auf die Welt“, erzählt Birgit. „Wir hatten uns vorher am Rand der Wiese einquartiert, damit wir dabei sein konnten, falls irgendetwas sein sollte. Janeway ist nämlich Kathalenas erstes Fohlen.“
Das kleine große Kennenlernen
Um ein Gefühl für diese besonderen Pferde zu bekommen, geht Carsten mit ihnen auf Tuchfühlung. „Unsere Stute Shuggar und unser Hengst Comander stehen momentan separat auf einer Weide, weil sie im Juni ein Fohlen bekommt“, sagt Birgit. „Das ist dann das zweite Fohlen aus der Verbindung von ihr und Comander.“ Auf dieser Weide lernt der Wunschpferd-Kandidat dann die anderen ausgewachsenen Shire Horses kennen – und lieben. „Ich finde diese großen Pferde einfach klasse“, sagt er mit einem breiten Grinsen. „Im Nachhinein ärgere ich mich sogar, dass ich keinen Anhänger dabei habe, um direkt eins mitzunehmen.“ Comander und Shuggar machen es ihm aber auch leicht: Sie sind ebenso verschmust wie die jungen Tiere auf der großen Weide und lassen sich von ihm bereitwillig kraulen. Nachdem Carsten die beiden kennengelernt hat, führt er sie von der Weide auf den Paddock und stellt einmal mehr fest, wie brav sie doch alle sind: „Sie lassen sich einfach von mir mitnehmen und folgen mir ohne Weiteres.“ Die Begeisterung ist ihm förmlich ins Gesicht geschrieben: Das breite Grinsen will einfach nicht mehr weichen.
Die Allzweckwaffe
„Du wirst auf Lady April reiten“, sagt Birgit. „Sie ist unser bestes Reitpferd und könnte sogar von Anfängern geritten werden.“ Lady April wurde bereits am Vortag von Birgit und Christof nach Sprockhövel (NRW) zu einer Freundin gebracht, die Wanderritte anbietet. Bei Heike Uebelgünn können seit Kurzem auch Anfänger, die schon immer auf einem Shire Horse reiten wollten, Lady April in der Gruppe in den Wäldern Sprockhövels reiten. Und genau dorthin ist jetzt auch Carsten unterwegs, denn im Zuge des Wunschpferdes darf er nicht nur die größte Pferderasse der Welt kennenlernen, sondern auch zusammen mit Heike und Birgit das Gelände erkunden. Also geht es mit dem Auto weiter zu einem anderen Hof. Dort wird Carsten herzlich von Heike und ihren Pferden begrüßt. Die siebenjährige Stute Lady April ist trotz ihrer 1,80 Meter ein sehr gutmütiges Pferd und erwartet Carsten schon auf der Koppel. „Sie ist einfach wunderschön“, sagt er, als er sie sieht. „Wow, die Farbe ist besonders schön. Gefällt mir sehr, sehr gut!“ Kaum hat er April das Halfter umgelegt und am Strick festgemacht, sind die beiden auch schon unzertrennlich. Am Putzplatz gewöhnen sie sich beim Fertigmachen aneinander, und auch das Satteln ist kein Problem. „Carsten ist zum Glück groß genug und kann den Sattel problemlos auflegen“, sagt Heike lachend. „Das Aufsteigen dürfte für ihn dann auch kein Problem sein.“ Und das ist es auch nicht, denn keine Minute später sitzt er auch schon oben.
Der Geländeritt
Gemeinsam mit Heike und Birgit, die auf ihren Pferden beinahe winzig neben Carsten wirken, geht es in die Wälder Sprockhövels. „Ich bin gespannt, wie es wird“, ruft er im Vorbeigehen. „Es fühlt sich auf jeden Fall jetzt schon sehr besonders an.“ Eine knappe Stunde später kommt das ungleiche Trio wieder auf dem Hof von Heike Uebelgünn an. „Es war einfach fantastisch!“, sagt Carsten. „Ein unglaubliches Gefühl, so viel Pferd unter mir zu haben. April hat sehr kraftvolle Gänge, und das zu Fühlen war einfach nur klasse!“ Am Liebsten würde er auch gar nicht mehr absteigen und die Stute direkt mit nach Hause nehmen. Aber Christof und Birgit sind von dieser Idee dann doch nicht so angetan. „Er darf gerne wiederkommen und sie reiten, aber behalten wollen wir sie schon“, sagen sie lachend. Immerhin haben sie mit Lady April auch einen Schicksalsschlag hinnehmen müssen, der zusammenschweißt. Die Stute hatte vor einiger Zeit eine Totgeburt. „Das Fohlen kam mit dem Kopf zuerst. Leider kann April seitdem keine Fohlen mehr bekommen“, erzählt Christof. „Aber gerade weil sie ein so besonderes Pferd ist, geben wir sie nicht ab.“ Carsten selbst ist nicht nur von dieser Stute, sondern von der ganzen Rasse begeistert: „Es sind wunderschöne Pferde. Auch wenn man das nicht glauben kann, aber April ist sehr feinfühlig. Alleine durch Gewichtsverlagerung konnte ich sie lenken.“ Obwohl Shire Horses die größte Pferderasse der Welt bilden, sind diese Pferde ausgesprochen sensibel, feinfühlig und sanft. Deshalb werden sie in England auch gentle giants – die sanften Riesen – genannt. „Und genau so einen sanften Riesen hätte jetzt auch ich gerne zu Hause in meinem Stall“, sagt Carsten am Ende des Tages. „Ich fand diese Rasse vorher schon toll, sonst hätte ich mich ja nicht beworben. Aber nachdem ich sie nun hautnah erleben durfte, bin ich ihr noch stärker verfallen.“
Fazit des Kandidaten: „Heute ist ein Traum für mich in Erfüllung gegangen. Danke an alle, die mir das ermöglicht haben! Schon das Putzen vorher war ein besonderer Moment, als einem das erste Mal richtig klar wurde, wie viel Masse Pferd man hier gerade vor sich stehen hat: ein Kopf, so groß wie ein Kleinkind, mit tollen dunklen Augen, Kruppe wie ein Schrank und starke Hufe, groß wie Essteller. Auch beim Ausritt kam mir immer wieder der Gedanke, auf was für einem Kraftpaket ich hier eigentlich sitze. Ganz besonders beeindruckt hat mich der Trab bergauf, mit einer kraftvollen Hinterhand und ganz wenig Schwung nach oben, wunderschön angenehm zu sitzen.“