Egal ob steil bergauf und bergab, über rutschige Böden oder durch Engpässe: Schwierige Hindernisse lassen sich mit jedem Pferd meistern. Wie Sie Ihren Vierbeiner ruhig und sicher durch Extremsituationen im Gelände reiten, erklärt der erfahrene Wanderrittführer Piet Rott

 

Text: Inga Dora Meyer, Foto: Imago/Frank Sorge

 

Im französischen Teil der Pyrenäen gibt es eine Strecke, auf der mir tatsächlich aus Angst die Luft weggeblieben ist. Wir ritten mit unseren Pferden den Col de Pailhères, einen bis zu 2.100 Meter hohen Gebirgspass, hinauf. Von unten sah der Weg, der sich um den Hang herumschlängelte, recht harmlos aus. Dann aber wurde er zu einem immer schmaleren Pfad, bei dem eine Seite hunderte Meter steil bergab fiel. Durch Erosionen war er an zwei Stellen fast vollständig weggebrochen. In solchen Situationen muss man dem Pferd einfach vertrauen. Es weiß, was es tut“, erzählt Piet Rott von einem Erlebnis im vergangenen Sommer. Das ganze Jahr über ist der Inhaber eines Wanderreitbetriebs in der Vulkaneifel mit Kunden und Reitpferden in  der freien Natur unterwegs. Unwegsames Gelände kennt er daher zur Genüge, aber bei diesem Ritt, so sagt der Experte, sei er an seine Grenzen gestoßen.

Wichtige Voraussetzungen

Um solch schwieriges Gelände zu meistern,  muss der Reiter über einen gefestigten und ausbalancierten Sitz verfügen, mit dem er die Pferdebewegungen weich und geschmeidig aufnehmen kann. Das Pferd muss im Gegenzug in allen Gangarten kontrollierbar sein und eine gute Balance und Trittsicherheit besitzen. „Letzteres lernt es aber nicht auf einem Reitplatz mit ebenem Boden. Dafür müssen Sie rausgehen. Das Motto ist ‚Learning by Doing‘. Unsere Jungpferde führen wir zum Beispiel immer an der Seite eines erfahrenen Wanderreitpferdes an schwieriges Geläuf heran, das ihnen Ruhe und Gelassenheit vermittelt“, so Rott. Generell gilt: Anforderungen langsam steigern und nur solche Aufgaben stellen, die Ihr Pferd bewältigen kann, damit es nicht zu einem Vertrauensbruch kommt. „Dieser ist schnell passiert“, sagt der Wanderrittführer DWA (Deutsche Wanderreiter-Akademie). „Will ein Pferd beispielsweise absolut nicht vorwärtsgehen, darf ich es nicht mit Gewalt dazu zwingen. Das geht nach hinten los.“ Der Wanderreitprofi weiß, wovon er spricht. „Unsere Pferde wollten auf einem Geländeritt mal nicht durch einen Bach gehen. Wir haben gesagt: ‚Stellt euch nicht so an, wir gehen da jetzt durch.‘ Und dann ist eines der Tiere bis zum Bauch im Treibsand eingesunken. So etwas habe ich nur ein einziges Mal erlebt. Da hilft nur, so rasch wie möglich abzusteigen und die Zügel lang zu lassen, damit das Pferd selbst entscheiden kann, wie es sich am besten aus  der misslichen Lage befreit. Zum Glück ist alles gut gegangen und keiner zu Schaden gekommen. Dieses Beispiel zeigt aber, wie wichtig es ist, dass sich die Tiere darauf verlassen können, dass ihnen nichts passiert und sie mit der Situation klarkommen.“ Was eine Herausforderung darstellt und was nicht, lässt sich jedoch nicht pauschal beantworten. Manchmal kann schon ein rutschiger Untergrund ein Problem darstellen. Hierbei können Sie Ihren vierbeinigen Partner unterstützen, indem Sie ihn in Ruhe den Boden anschauen lassen und ein ruhiges Schritttempo wählen. Versuchen Sie, seinen Bewegungsablauf so wenig wie möglich zu stören. Er soll im Idealfall selbst herausfinden, wie er über diese Art von Böden gehen kann. Ein panisches Hin-und- her-Schwanken oder ein Ziehen am Zügel sollte unterlassen werden. „Bei meinen Pferden habe ich im Winter, als es glatt war, folgende Erfahrung gemacht: Je schwieriger der Boden wurde, desto ruhiger wurden sie. Dieses Verhalten entwickeln sie im Zuge der Ausbildung“, meint der Experte. In aller Ruhe sind auch steinige und felsige Strecken sowie Sandpassagen zu bewältigen. Geben Sie dem Pferd die Möglichkeit, sich mit den Gegebenheiten vertraut zu machen. Dann lassen Sie es wieder auf eigene Faust den Weg wählen. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Hufe einen guten Halt haben. Ob Sie dabei auf Barhuf, Eisen mit Widiastiften, griffige Hufschuhe oder Kunststoffbeschläge setzen, ist im Prinzip egal. „Nur mit abgewetzten Eisen sollte man nicht in die Berge gehen. Da wäre die Rutschgefahr zu hoch. Müssen Sie tiefen Matsch bewältigen, kann es zudem vorkommen, dass mal ein Eisen oder Hufschuh verloren geht. Wenn es möglich ist, sollten Sie deshalb um Matsch einen Bogen machen“, empfiehlt Rott.

 

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