Text & Foto: Verena Szebeni

Das Fernweh trieb Verena Szebeni in die Mongolei. Dort ritt sie durch die mongolische Rushhour und durch grüne Täler

Maßvoll war ich noch nie. Weder bei Schokolade, noch beim Shoppen und schon gar nicht beim Reisen. So führt mich mein Fernweh dieses Mal in die Mongolei. Ich möchte in atemberaubenden Landschaften ertrinken, mich in unendlicher Weite verlieren. Ich möchte, dass sich mir die Welt zu Füßen legt. Und ich möchte meiner Liebe zu den Pferden so sehr frönen, dass mein Herz droht überzuschwappen. 4.152 Flugmeilen. Als ich im Landeanflug auf Ulan Bator aus dem Fenster schaue, wird mir ganz anders. Wie kann die Hauptstadt eines Landes, in dem es mehr Pferde als Menschen gibt, so groß sein? Zum Glück haben wir nicht vor, länger in der Stadt zu bleiben. Nachdem wir den Sieger eines Pferderennens beim Naadam-Nationalfest bejubelt und ausreichend Gebetsmühlen im Gandan-Kloster gedreht haben, geht es zu einer Nomadenfamilie im Orkhon-Tal, deren Gäste wir für zwei Tage sein dürfen. Obwohl wir uns mit keinem gesprochenen Wort verstehen, sagen ihre Gesten viel: seid willkommen, nehmt, esst, trinkt. Das Wenige, was sie selbst haben, teilen sie großzügig mit uns. In unseren Augen sind sie bettelarm, doch die unzähligen Yaks, Ziegen und Schafe, die sie besitzen, sind ihnen Reichtum genug. Wir probieren Ayrag, vergorene Stutenmilch, über deren Geschmack wir von anderen Reisenden schon viel Schlimmes gehört haben. Überraschenderweise schmeckt die Milch gar nicht so schlecht. Abends machen wir einen Proberitt auf den Pferden. Mein Fuchs hat ein Loch im Ohr, das deshalb immer etwas runter hängt. Seinen Namen hat er schnell weg, ich nenne ihn Schlappohr, kurz Schlappi. Sein Fell ist samtweich, und ich liebe ihn jetzt schon. Wir nehmen Abschied von unserer Nomadenfamilie, denn wir haben noch eine lange Tagesetappe vor uns. Es scheint gerade mongolische Rushhour zu sein. Motorräder, Autos, Touristenbusse und eine Ziegenherde nach der anderen. So habe ich mir das wirklich nicht vorgestellt. Nach dem Mittagspicknick erreichen wir endlich die Einsamkeit. Nur noch vereinzelt Jurten und ein paar Pferdeherden. Unser Tourguide und der Wrangler singen mongolische Lieder vor sich hin. Wir sind alle zusammen und doch jeder für sich. Es ist wie in einem Dokumentarfilm mit passender Hintergrundmusik. Einer von jenen Filmen, bei denen man hinterher fast meint, selbst dort gewesen zu sein. Ach ja, ich bin ja wirklich hier. Unfassbar! Leicht wie Federn galoppieren wir dem Horizont entgegen. Wir galoppieren und galoppieren. Ich habe längst jegliches Gefühl für die Zeit verloren. In einem immer gleichen Rhythmus schlagen die kräftigen Pferdehufe auf den trockenen Steppenboden ein und wirbeln eine Staubwolke auf, die noch lange hinter uns zu sehen ist. Mein Schicksal liegt in den Hufen dieses unberechenbaren Wesens, und doch vertraue ich dem zähen Wallach bedingungslos. Und ich wünschte, dieser Moment ginge nie vorbei.

An unserem letzten Reittag liegen noch mal gut 50 Kilometer vor uns. Die Landschaft auf dieser Strecke ist ausnahmslos die Schönste der ganzen Reise. Sanfte grüne Hügel, unendliche Weite und unzählige Pferdeherden. Scheinbar frei, gehören sie doch irgendjemandem. Zum Sterben kitschig und schön!

Ihre Verena Szebeni

Instagram: @hoofbeatsaroundtheworld

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