Stress und Zeitknappheit nehmen einem oft den Blick für das Wesentliche im Leben. Grund genug, mal richtig abzuschalten, um in uns hineinzuhören, was uns wirklich glücklich macht.

Jetzt noch die Beine seitlich etwas mehr anziehen und bloß nicht das Gleichgewicht verlieren in der nächsten Kurve. Plötzlich wird alles dunkel, und ich rase mit meinem Reifen durch eine vermeintliche Nacht, während über mir sternförmige Lichteffekte für Stimmung sorgen. Ich schreie auf und blinzle mit den Augen, um noch Umrisse meines Weges erkennen zu können, während meine Geschwindigkeit stetig zunimmt. Dieser leichte Geruch nach Chlor und die Geräusche sind es dann, die mich endgültig aus meinen sonstigen Gedanken reißen. Was war es, was unsere Kindheit so einzigartig gemacht hat, worauf viele von uns zurückblicken und sich einen kleinen Teil des Gefühls zurückwünschen? Aus dem dunklen Tunnel kommend, wird es plötzlich heller, und mit Volldampf werde ich wieder ins Freie katapultiert und döppe mit meinem Kopf unter Wasser. Als ich wieder auftauche, fühle ich mich befreit – nicht nur vom Adrenalin, das während des Rutschens in der Wasserrutsche durch meine Adern geschossen ist, sondern auch von anderen Gedanken, die jetzt eigentlich so unwichtig erscheinen. Ich erinnerte mich an meine Kindheit und die unzähligen Tage im Spaßbad, das meine Freunde und ich häufig besuchten. Dieses Gefühl, dass alles Sonstige nicht wichtig ist, sondern nur der Moment zählt. Wir lachten, sprachen über die Dinge, die um uns herum passierten, rutschten unzählige Male und probierten bei jeder Rutschrunde eine neue Technik aus, die uns noch schneller werden ließ, und waren einfach nur sorglos. Als Kind füllten wir unsere Zeit mit Dingen, die uns die Möglichkeit gaben, uns möglichst frei zu fühlen. Bei denen wir einfach wir selbst sein konnten, Spaß hatten und den Moment genießen konnten. Wir versuchten, unsere Zeit mit so vielen solcher Momente wie nur möglich zu füllen. Eines dieser Dinge, die mich damals alles um mich herum vergessen haben lassen, waren auch immer die Pferde, die bis heute ein großer Teil meines Alltags sind. Die Zeit mit Pferden schien ein Zeitloch zu sein. So vergingen schon immer Stunden, die mir aber vorkamen wie Minuten, wenn ich mit ihnen zusammen war oder durch die Wälder ritt. Ein paar Tage runterkommen, fernab von Papierkram und täglichen Aufgaben, ein paar Tage die Leichtigkeit der Kindheit spüren, das war es, was ich mir für diese Reise vornahm. Letztes Jahr war ich zum ersten Mal in Südtirol gewesen. Die Kombination aus Bergen, den Ötztaler Alpen, den Dolomiten und dem zunächst ungewohnt mediterranen Wetter, machen diese Region zu etwas ganz Besonderem. Zwischen den Weinbergen findet man neben unzähligen Wäldern, die zum Wandern einladen, auch Gletscher und botanische Gärten. Grund genug also, diesen Ort erneut zu besuchen und meinem Ziel, der totalen Entschleunigung, etwas näher zu kommen. Das Luxushotel Quellenhof, das nur ein paar Minuten von der Altstadt von Meran entfernt ist, bietet hierfür einen geeigneten Rahmen, die Seele baumeln zu lassen. Neben unzähligen Flächen, die fast jegliche Art von Sport möglich machen und Wasserlandschaften mit verschiedenen Rutschen, befindet sich auch ein Reitstall auf dem Gelände.

Reitoase in den Bergen

Der Reitstall, der aus hellem Holz gebaut wurde, wirkt wie so vieles hier in Südtirol wie eine Mischung aus italienischem und österreichischem Stil. Etwas rustikale Balken schmücken den Stall, der jedoch stilvoll und gleichzeitig schick wirkt. Die Stallgasse beherbergt etwa 20 Pferde und Ponys, die alle eine helle Box mit angrenzendem Paddock ihr Zuhause nennen. Tagsüber sind viele von ihnen im Herdenauslauf zusammen draußen und toben, während neben ihnen ein großer Golfplatz eine ganz andere Art von Sportlern begeistert. Eine 60er-Halle und ein Außenplatz bieten denjenigen, die nicht ausreiten wollen, die Möglichkeit, an Reit- oder Longenstunden teilzunehmen. Außerdem kann auch das eigene Pferd mitgebracht werden. „Einige Stammgäste bringen immer ihre Pferde mit und integrieren sie so in ihren Urlaub. Das klappt eigentlich immer problemlos“, erzählt Amina, die Stallleiterin. Seit vielen Jahren schon leitet sie den schönen Stall, der direkt an das Luxushotel angrenzt. Und obwohl die Gegend so viele Möglichkeiten für Urlaube bieten würde, verlässt sie ihn so gut wie nie: „Irgendwie ist das wie eine Art Zuhause für mich. Die ersten Jahre bin ich auch gar nicht in den Urlaub gefahren, weil ich immer bei den Pferden vor Ort sein wollte“, erzählt die Trainerin. Sie unterrichtet und begleitet Reitschüler jeden Alters und gibt auch Unterricht in höheren Klassen. Gerade die Mischung der Reitschüler ist es, die ihr so gut gefällt. Besonderen Wert legt sie dabei auf die Auswahl der richtigen Pferde für die Gäste. „Es müssen schon sehr brave Pferde sein, die sich von vielen Reitern bedienen lassen, und außerdem brauchen wir auch immer eine große Herde, denn wir möchten nicht, dass die Pferde überlastet werden, sondern ein schönes Leben bei uns führen“, so die Südtirolerin, die direkt im Nachbarort groß geworden ist und jeden kleinen Winkel dieser Umgebung kennt. Zwischen den Großpferden, die sowohl im Springen als auch in der Dressur ausgebildet sind, gibt es auch viele Haflinger, die aus dieser Gegend stammen: „Wir haben sie immer gerne hier, denn meistens sind sie robust und brav, und ich kaufe lieber Pferde in der Umgebung, sodass ich auch einen direkten Ansprechpartner habe, falls mal etwas mit dem Pferd sein sollte. Ich weiß dann gern, wie der bisherige Weg des Pferdes war, damit ich Rückschlüsse daraus ziehen kann“, so Amina.

Tief durchatmen

Das noch zarte Sonnenlicht und die frische Herbstluft lassen mich tief durchatmen, während wir über die Schotterwege am Wasser entlangreiten. Das stetige Plätschern neben mir und das Klappern der Eisen auf dem Weg sind all das, was ich gerade brauche. Obwohl ich schon häufig durch die Wanderwege rund um Meran zu Fuß unterwegs war, bietet der Blick vom Pferderücken noch mal eine ganz andere Perspektive. Über hölzerne Brücken, vorbei an Wiesen und Feldern durch die Gebirge reiten wir und vergessen dabei die Zeit. Amina und ich sprechen über unsere Wünsche und was uns gerade glücklich macht und genießen die Momente mit den Pferden, die uns sicher und souverän durch die steinigen Wege tragen. Die Schwalben fliegen tief über uns, und der aufkommende Tag bringt eine warme Brise, die mir durch die Haare weht. Was an Alltagsstress jetzt noch übrig ist, wird bei einer Runde durch den Wald zuverlässig eliminiert. Die Vögel zwitschern in den Baumkronen, und ein Reh sehe ich etwas entfernt vom Reitweg, während ich noch die Natur in all ihren Facetten bestaune. Dass der Aufenthalt im Wald gesund ist, bestätigt auch die Wissenschaft: Die Bäume haben eine entspannende Wirkung auf unsere Psyche; Stresshormone werden abgebaut, und Entspannung macht sich breit. Und außerdem ist auch der Waldboden gesund und stärkt das Immunsystem. Terpene, sekundäre Pflanzenstoffe, sowie ätherische Öle aus Nadeln oder Rinde wirken sich positiv auf die Abwehrkräfte aus. Zudem sinkt der Blutdruck, weshalb der Wald auch auf das Herz-Kreislauf-System eine wohltuende Wirkung hat. Als ich den Stall nach dem Ausritt verlasse, bin ich entspannt und fühle mich schon jetzt wie nach einem Kurzurlaub. Als hätte jemand für ein paar Stunden die Pausetaste gedrückt. Ist dieses Gefühl nicht genau der Grund, weshalb wir uns als Kind so sehr für Pferde und das Zusammensein begeistern konnten? Etwas, was wir nie so ganz verloren haben, und nur manchmal vergessen, wie wir es abrufen können?

Während es draußen dunkel wird, habe ich mich entschieden, den Tag in der Sauna ausklingen zu lassen. Der Ofen knackt, während ich auf meiner Bank sitze und hinaus auf die Berge schaue und die Eindrücke meines Tages verarbeite. Mein Atem ist ruhig und kontrolliert, und die heiße Luft, die durch das Handtuchschlagen des Saunameisters meinen Körper berührt, fühlt sich an wie ein Streicheln. Ganz tief versunken fühle ich mich in meinem Körper und spüre eine wohlige innere Ruhe. 28.200 Tage leben wir Menschen durchschnittlich, jedoch ist fraglich, wie viele dieser Tage wir uns glücklich fühlen und wirklich bei uns selbst sind. In den Momenten, in denen wir entspannen können, zeigten wir vermutlich die ehrlichste Form von uns selbst. Die Achtsamkeit für den Moment zu empfinden und zu wissen, wie wir das sorglose Kindheitsgefühl wieder empfinden können, ist entscheidend für die alltäglichen Momente des Glücks. Ich schließe die Augen wieder und lasse die Pausetaste noch ein bisschen länger gedrückt, denn schließlich zeigen uns unsere Pferde ja ständig, wie es richtig geht: den Moment vollends wahrzunehmen und alles andere hinter sich zu lassen. Zumindest jetzt, denn dies ist mein Moment, sorglos wie früher und ganz allein mit mir.

Text: Lara Wassermann      Foto: Getty images

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