Text und Foto: Melinda Morganti und Eva Grossmann

Schritt für Schritt. Huf vor Huf. Rechts der Hang hinunter zum Fluss, links die Felswand aus Schiefer. Schon nach wenigen Minuten auf den einheimischen Karabagh-Pferden wächst das Vertrauen in ihre Trittsicherheit, und der Blick schweift ab. Die kaukasischen Gipfel sind noch mit Schnee bedeckt. Adler ziehen in der Ferne ihre Kreise. Der Fluss rauscht wild und gurgelnd dahin. Ansonsten umgibt uns Stille: keine Autos, keine Flugzeuge am Himmel, keine klingelnden Handys. Nur das stete Geräusch der Hufe, ein zufriedenes Pferdeschnauben und immer wieder erstaunte Menschenseufzer, wenn eine besonders schöne Aussicht hinter der nächsten Abbiegung auftaucht. Auf dem Boden blitzen hier und da Bergkristalle zwischen den schroffen Felsen auf. An Absitzen und Einsammeln ist nicht zu denken – der schmale Pfad bietet gerade genug Platz für ein trittsicheres Pferd. Für uns ist der Weg das Ziel. Immer wieder laden Bergrücken, Blumenwiesen und Flussufer zu einer Rast ein. Die Pferde dürfen grasen, die Reiter nun entspannt die Blicke und die Seele schweifen lassen. Wir können nur erahnen, wie sich hier im Winter meterhoch der Schnee türmt. Unsere Guides erzählen uns Geschichten von Bären, Wölfen und Wildpferden. Hier sind diese Geschichten Realität – hier gelten noch die Gesetze der Wildnis. Eine überflutete Brücke oder ein weggespülter Weg entlocken unseren Guides­ nur ein kurzes Stirnrunzeln. Die Pferde finden hier immer ihren Weg. An Orten wie diesen finden auch wir Stadtmenschen wieder zurück zur Natur und zu uns selbst. Mit jedem Tag werden wir ruhiger und gelassener. Die Gespräche am Lagerfeuer drehen sich oft um die Wildnis und das Leben hier „am Ende der Welt“. Je mehr wir dieses Leben selbst erleben, desto größer wird die Sehnsucht nach dieser einzigartigen Verbundenheit zur Natur. Abgeschieden in den Bergen, ohne die Annehmlichkeiten des westlichen Lebens, erscheint der Einklang mit der Natur und mit sich selbst so einfach erreichbar. Wir fragen uns, ob die Georgier, die hier leben, das auch so sehen. Die meisten ziehen zwischen Oktober und Mai in tiefere Regionen, denn Schatili und die umliegenden Gemeinden sind im Winter monatelang von der Außenwelt abgeschnitten. Die wenigen Bewohner, die hier ausharren, werden von einem Helikopter mit dem Nötigsten versorgt. Sobald die Pässe im Frühling schneefrei sind, werden die Häuser wieder bezogen, Schäden repariert und Besucher willkommen geheißen. Es ist ein oft einsames und sehr einfaches Leben hier oben. Hirten leben in Steinhäusern ohne fließend Wasser und Strom. Ein Bauer hat sich seine „Sommerresidenz“ aus einem Teil eines abgestürzten Flugzeugs errichtet. Die Einheimischen erscheinen auf den ersten Blick einsilbig, abweisend, rau, vielleicht sogar harsch. Wer sich jedoch etwas Zeit nimmt und ein paar Brocken Georgisch lernt, wird unglaublich herzliche, offene und gastfreundliche Menschen treffen. Sie sind ein bisschen wie die Natur hier – sie brauchen einfach ein bisschen um aufzutauen. Am Ende unserer Reise zu Pferd sind wir „angekommen“. Wir reiten entspannt durch eisige Regenschauer, führen die Pferde selbstsicher über wacklige Brücken, flicken gerissene Sattelschnallen. Wir legen eine Gelassenheit an den Tag, die wir von uns selbst so nicht kennen. Die Zeit, Abschied zu nehmen, kommt viel zu schnell. Die Gedanken an eine heiße Dusche, an Internet oder die geliebte TV-Sendung zu Hause können die Sehnsucht hierzubleiben, nicht besänftigen. Die Rückkehr in die georgische Zivilisation erscheint unwirklich – die Rückkehr nach Deutschland unvorstellbar. Wir verabschieden uns tränenreich mit „Didi madloba“ und „Nakhvamdis“ – „Vielen Dank“ und „Auf Wiedersehen“. Das Wiedersehen scheint unvermeidbar, denn auch Wochen später – wir sind schon längst wieder zu Hause angekommen – reiten unsere Gedanken immer noch durch Chewsuretien.

Ihre Melinda Morganti und Eva Grossmann

Facebook: Wanderreiten im Kaukasus

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