Text & Foto: Hanna Brümmel
Ein Islandpferd ist das beste Fortbewegungsmittel dort, wo kein Auto in Island mehr hinkommt. Warum wandern, wenn man auch reiten kann? Wir, das sind Katrin und Hanna, zwei Sattelfeste im Team von Island Erlebnisreisen, sind jedenfalls definitiv für Letzteres und machten uns deshalb Anfang Juli auf nach Nordisland, wo uns Gastgeber Bjarni am Flughafen von Húsavík erwartet und zu seiner nahe gelegenen Farm Saltvík bringt. Die geplante Tour heißt „Der Diamantene Kreis“, und wurde von der Sunday Times als eine der zehn schönsten der Welt ausgezeichnet – das lässt sich aus unserer Sicht kaum bezweifeln.
Der Empfang nach unserem Inlandsflug ist herzlich, und wir fühlen uns vom ersten Tag an als Teil der Familie. Die Reitstrecke ist sehr abwechslungsreich und führt durch leuchtend blaue Lupinen, grün bewachsene Hügel, Flüsse und karges Hochland. Zurück auf dem Hof warten abends Köstlichkeiten wie gegrilltes Lamm und Fisch, aber auch Gratin und Salat auf uns. Natürlich tut nach sieben Stunden im Sattel allen irgendwas weh, doch es bleibt immer genug Zeit für ein kaltes Bier im heißen Pot. Das ist das beste Mittel gegen drohenden Muskelkater, und in gelöster Stimmung genießen wir den Blick auf das Bergpanorama und die Skjálfandi-Bucht.
Am ersten Tag lernen wir – noch ohne Herde – bei einem längeren Ritt am Fjord entlang die Pferde kennen. Anschließend geht es nach einem herzhaften Essen nach Húsavík an den Hafen. Dort wartet ein altes Fischerboot auf uns, das nun als Ausflugsboot für Walbeobachtungen dient. Und da Húsavik einer der bekanntesten Orte für solche Touren ist, werden auch wir nicht enttäuscht und dürfen die beeindruckenden Buckelwale aus der Nähe betrachten.
Am nächsten Tag starten wir mit ca. 90 Pferden: Die Pferde wissen, dass es losgeht, schnauben und tummeln sich ungeduldig im Paddock der Farm, den Blick aufmerksam auf die Vorbereitungen gerichtet. Sie kennen den Weg und tölten nach einem flotten Start in entspannterem Tempo. Schritt gibt es lediglich bei engen oder steilen Stellen. Ein Teil der Gruppe reitet voraus, um die Herde hinter sich zu versammeln. Natürlich wissen die erfahrenen Tourpferde, wo es langgeht. Das Tempo bestimmen aber immer die Reiter bzw. unser Gastgeber und Guide Bjarni. Der zweite Teil der Gruppe folgt, um die Tiere beisammenzuhalten. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, in seinem Pferd einen zuverlässigen Partner zu finden und gemeinsam das Zusammenspiel von Gelände und Herdendynamik zu erleben. Jeder reitet in der Regel drei verschiedene Pferde am Tag, und nach ein bis zwei Stunden werden Pausen eingelegt. Beim Einfangen der Reitpferde für die nächste Etappe herrscht Unruhe in der Herde, und die ausgewählten Kandidaten ziehen sich energisch zurück. Mich fasziniert immer wieder zu sehen, dass die so ungezähmt wirkenden Tiere spätestens nach dem Aufzäumen plötzlich vollkommen ruhig und kooperativ sind. Es ist schön, auf so vielen verschiedenen Pferden zu sitzen, sich immer wieder neu auf sie, ihre Gangvorlieben und ihr individuelles Temperament einzustellen. Schnell haben einige der Mitreiterinnen Lieblingspferde, andere wünschen sich immer unterschiedliche Pferde, um möglichst viel Abwechslung zu haben. Ein Abstecher zum natürlichen Geothermalbad „Mývatn Nature Bath“ und dem mächtigen Wasserfall Dettifoss sind ein Erlebnis: Der Wasserfall sowie der lieblich anmutende, von Bäumen umsäumte See Mývatn mit seiner dramatischen Umgebung, geprägt von Aschekratern, Lavalabyrinth, blubbernden Schlammquellen und heißen Solfataren, sind Bestandteile des „Diamantenen Kreises“ und Lebensraum vieler Brutvögel. Nun im Sommer, in dem es nie ganz dunkel wird, hören wir bei Tag und Nacht die wunderschönen Rufe der Goldregenpfeifer und Bekassinen. Eine Nacht bleiben wir im Hochland und übernachten in der Hütte fieistareykir. Dort schmausen wir und singen Traditionals und Evergreens. Wir bekommen sogar einen legendären Geist zu Gesicht, der in einer kleinen Höhle unweit der Hütte lebt.
Am letzten Tag der Tour darf sich jeder seine zwei Lieblingspferde auswählen und ein letztes mal reiten. Wieder auf Saltvík angekommen, sind wir alle glücklich und erschöpft, satteln ab und entlassen die Pferde. Der Abschied fällt allen schwer, und wir setzen uns am nächsten Tag traurig wieder in den Flieger zurück nach Reykjavík. Wir fragen uns bei der Ankunft in der lauten, grauen und nach Abgasen stinkenden Stadt wieder, warum wir nicht einfach mit unseren Familien nach Island ziehen. Aber nach einer Islandreise ist ja auch immer vor einer Islandreise, zumindest bei uns.
Ihre Hanna Brümmel
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