Neben Fütterungsfehlern gibt es viele Faktoren, die zu Magengeschwüren führen – vor allem ein Auslöser wird häufig nicht ernst genug genommen

Studien zufolge leiden 80 Prozent der Rennpferde im Training an einem Magengeschwür. Von den Turnierpferden sollen es bis zu 70 Prozent sein, bei Absetzern 60 und bei Freizeitpferden immer noch 30 Prozent. Erschreckende Zahlen, die deutlich machen, wie groß das Problem ist. Kein Wunder, schließlich schlagen dem Pferd verschiedenste Faktoren im wahrsten Sinne auf den Magen. Fütterungsfehler fallen den meisten Pferdebesitzern sicherlich als erstes als Ursache ein. Gefolgt von Stress – Stress beim Absetzen, auf Turnieren, Transport oder etwa einem Umzug. Was vielen vielleicht nicht so bewusst ist: Auch Stress im Training oder im Umgang mit dem Pferd, den wir als Reiter oder Pferdebesitzer nicht so wahrnehmen, kann eine Ursache sein. „Pferde sind uns zugewandte Tiere, und wie wir sie arbeiten, beeinflusst ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit“, erklärt Fachtierarzt Dr. Michael Paar aus der Pferdeklinik  Sottrum West in Niedersachsen. „Man sollte sich immer wieder fragen, ob man es dem Pferd leicht macht.“ Seiner Erfahrung nach zeigen Patienten mit Magengeschwüren oftmals ein sehr gestresstes Verhalten. Sie laufen in der Box umher oder koppen zum Beispiel.

Therapie durch die Hintertür

Bevor man an die Therapie denkt, ist es wichtig zu wissen, wo das Geschwür sitzt – dafür ist eine Magenspiegelung nötig. Liegt das Geschwür im vorderen, nicht drüsenhaltigen Teil des Magens, spricht man von einer ESGD (Equine Squamous Gastric Disease). Gibt es Veränderungen im hinteren, drüsenhaltigen teil, nennen Mediziner es EGGD (Equine Glandular Gastric Disease). „Bei einer ESGD sind Omeprazol-Präparate das Mittel der Wahl“, so Dr. Michael Paar. Therapie durch die Hintertür, nennt der Tierarzt die Wirkung von Omeprazol. Dieser Protonensäurehemmer muss zunächst den Magen unbeschadet passieren, bevor er im Dünndarm ins Blut aufgenommen wird. Übers Blut gelangt er in die Schleimhäute des Magens und bewirkt dann dort, dass weniger Magensäure produziert wird.

Neben der Lage des Geschwürs ist für eine gezielte Therapie sehr wichtig, in welcher Formulierung das Medikament vorliegt und wie es laut Beipackzettel verabreicht werden muss. „Entscheidend ist, welche Formulierung man verwendet, also ob Paste oder Granulat, und daraus resultiert, wann das Medikament bei welcher Magenfüllung verabreicht wird. Daraus ergibt sich die Bioverfügbarkeit des Medikaments, also wie gut der Körper den Wirkstoff aufnimmt.“ Die Fütterung kann in einem solchen Fall zur Herausforderung werden, wenn all die Ruhe- und Fresspausen eingehalten werden sollen: Medikament auf möglichst nüchternem Magen geben, danach wegen des Medikaments Fresspause einhalten, dann Fütterung, dann wieder Ruhepause bevor das Pferd geritten wird – das ist manchmal gar nicht so einfach in die Praxis umzusetzen. „Aktuell wird noch daran geforscht, Omeprazol direkt in Muskeln zu injizieren“, weiß Dr. Paar. Damit wäre das Fütterungsmanagement wesentlich einfacher. „Noch ist es aber nicht soweit, das Medikament wird wohl erst in einigen Jahren auf den Markt kommen.“ Liegt das Geschwür im hinteren Teil des Magens (EGGD), kommt zusätzlich der Wirkstoff Sucralfat zum Einsatz. „Er stammt aus der Humanmedizin und muss umgewidmet werden, damit er bei Pferden zur Verfügung steht“, erklärt Dr. Paar. Der Wirkstoff funktioniert als Schleimhautschutz und fördert durch die Verstärkung eines bestimmten  körpereigenen Hormons (Prostaglandin E) die Durchblutung der Schleimhaut.

Therapie-Dilemma

„Lange Zeit hat man eine Dual-Therapie durchgeführt, also sowohl Omeprazol als auch Sucralfat verabreicht, und das über eine längere Zeit, also zwei bis drei Monate“, erklärt Dr. Paar. „Das ist aber teuer und nicht immer erfolgreich. Das Dilemma aktuell ist, dass es einen Wirkstoff gibt, der ähnlich wie Prostaglandin E wirkt und gut hilft, der aber sehr problematisch ist, da er bei unsachgemäßer Anwendung dem Menschen schaden kann. Es handelt sich um den Wirkstoff Misoprostol. Entsprechend dem Arzneimittelgesetz darf dieser Wirkstoff, der für die Humanmedizin zugelassen ist, zum aktuellen Zeitpunkt nur im Rahmen der Umwidmungskaskade Anwendung finden und muss mit einem hohen administrativen Aufwand aus dem Ausland importiert werden. Er hat mehr Nebenwirkungen fürs Pferd und eignet sich nicht für tragende Stuten. Das Gefahrenpotenzial für den Menschen ist hoch, da er bei Schwangeren zu Wehen führt.“

Der Tierarzt aus Sottrum setzt den Wirkstoff bisher nicht ein, stellt aber die Frage in den Raum, ob Misoprostol eine Chance für Therapieversager sein kann – also für Pferde bei denen die üblichen, zugelassenen Medikamente nicht angeschlagen haben.

Ab auf die Weide!

Die Fütterung eines Pferdes mit Magengeschwür muss möglichst an die Vorgaben der Medikamenten-Verabreichung angepasst werden. 100-prozentig ist dies aus Sicht des Tierarztes nicht immer möglich. Er spricht mit seinen Kunden genau durch, wie sie Medikamente und Fütterung am besten unter einen Hut bekommen und auf was sie achten sollen. „Die Hausaufgabe bei Magengeschwüren ist für meine Kunden, dass sie ihren Pferden möglichst viel Weidegang bieten.“ Wenn die Weiden sehr trocken oder stark abgeweidet sind, sollte man Heu zufüttern. „Wichtig auf der Weide ist, dass das Pferd dort keinen Stress hat! Es also mit einem Kumpel in einem gefestigten Sozialverband steht, wo es kein Mobbing gibt, kaum Wechsel in der Herdenstruktur stattfindet und das Pferd keine Angst haben muss. Individuelle Fressplätze, die ausreichend Abstand zueinander haben, tragen dazu bei, Stress zu reduzieren“, rät Dr. Paar. Natürlich müssen auf der Weide auch saubere Wassertränken vorhanden sein, ebenfalls so angebracht, dass jedes Pferd in Ruhe saufen kann.

Fütterung im Stall

Ist das Pferd in der Box untergebracht, rät Dr. Paar dazu, täglich etwa 1,7 Kilogramm Heu pro 100 Kilogramm Lebendmasse zu füttern, aufgeteilt auf drei Mahlzeiten. „Das Heu sollte qualitativ gut und vom ersten Schnitt sein“, so der Tierarzt. Alternativ ist aus seiner Sicht auch Silage möglich. Diese sollte selbstverständlich hygienisch einwandfrei sein wie auch die Einstreu in der Box. Die Kraftfutter-Ration hängt vom Aussehen des Pferdes ab: Ist es gut genährt, kann man zunächst Kraftfutter zurückfahren oder auf stärke- und zuckerreduziertes Futter zurückgreifen. Fehlt in der Ration dann Energie, werden Pflanzenöle eingesetzt.„Magere Pferde darf man energetisch nicht zu weit herunterfahren. Hier sollte man eine exakte Fütterungsberatung durchführen. Ein guter Zusatz ist Luzerne in Cob- oder Pellet-Form. Nicht als Häcksel, diese können die Magenschleimhaut mechanisch reizen.“

Von heu ad libitum hält der Tierarzt nichts, da Pferde teilweise mehr aufnehmen, als sie benötigen und es die Verabreichung der Medikamente erschwert – die Bioverfügbarkeit der Magenmittel ist bei recht leerem Magen am besten. Um den Heilungsverlauf zu überprüfen, führt Dr. Paar bei all seinen Magengeschwür-Patienten Kontroll-Gastroskopien durch. Wer Magengeschwüren vorbeugen möchte, kann überschaubare Kraftfutterrationen geben, ausreichend Heu füttern und auf Ruhephasen nach dem Füttern achten. Vorbeugend das Pferd mit Omeprazol oder Sucralfat schützen, funktioniert nicht: Bei dauerhafter Nutzung haben sie zu viele Nebenwirkungen. Futter mit Lecithin oder Pektinen soll Studien zufolge unterstützend gegen Magengeschwüre helfen.

Text: Kerstin Wackermann     Foto: www.Slawik.com

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