Nimmt man einen Sattel auseinander, erkennt man, welche ausgeklügelte Technik eigentlich darin steckt. Und das seit Tausenden von Jahren …

 

Das Herz des Sattels, sozusagen das Skelett, ist der Sattelbaum. Es gibt inzwischen auch baumlose Sättel, aber viele Experten warnen davor, denn der Sattelbaum setzt den Reiter in den Schwerpunkt, also dorthin, wo das Pferd ihn tragen kann. Zudem sorgt der passende Sattelbaum dafür, dass das Gewicht von Reiter und Sattel auf eine möglichst große Fläche gleichmäßig verteilt wird. Damit er seine Aufgaben erfüllen kann, muss der Sattelbaum der Form, also dem Schwung der Wirbelsäule des Pferdes, angepasst sein. Der tiefste Punkt der Sattellage und des Sattelbaums müssen übereinstimmen. Dann setzt der Sattel den Reiter in den Schwerpunkt. Was die Größe angeht, soll der Sattelbaum das Gewicht zwar auf eine möglichst große Fläche verteilen, aber zu groß darf er auch nicht sein, damit er nicht auf den 18. Lendenwirbel bzw. den dortigen Reflexpunkt drückt, der bezeichnenderweise auch als Bock-Reflexpunkt bekannt ist. Gleichzeitig muss die Sitzfläche für den Reiter ausreichend groß sein, damit der Schwerpunkt nicht zu weit hinten auf der Wirbelsäule des Pferdes liegt. Dann bekäme das Pferd Probleme, den Rücken aufzuwölben, und schließlich Schmerzen. Als Faustregel gilt, dass zwischen Reitergesäß und Sattelkranz mindestens eine Faust breit Platz sein soll. Was also tun, wenn der Reiterpo zu dick und der Pferderücken zu kurz ist? Dieses Problem kann kein Sattel der Welt lösen. Dann passen Reiter und Pferd nicht zusammen. Eine zu große Sitzfläche gibt es hingegen nicht. Der Reiter rutscht automatisch an die tiefste Stelle des Sattels. Einziges Problem: Er hat weniger Halt.

Das Kopfeisen

Das Kopfeisen bestimmt die Ort­weite, also die Breite des Sattels, und sorgt dafür, dass der Sattelbaum stabil in der Form bleibt. Ohne Kopfeisen könnte es passieren, dass der Sattelbaum auseinanderdriftet, wenn das Material ermüdet. Das Problem: Wenn der Reiter dann aus dem Sattel geht, etwa beim Leichttraben oder beim Springen, springt der Sattelbaum auf und zu und kneift das Pferd. Das Kopfeisen sollte so angepasst sein, dass es schmal genug ist, um den Sattel stabil und vom Pferd wegzuhalten, aber breit genug, damit es die Bewegungen des Pferdes zulässt. Am Kopfeisen sind die Ortspitzen befestigt. Sie sollten parallel zur Pferdeschulter verlaufen und lang genug sein, damit sie dem Sattel Halt auf dem Pferderücken geben. Aber eben auch nicht zu lang, sonst können sie seitlich drücken. Das Kopfeisen spielt eine elementare Rolle bei der Anpassung des Sattels. Denn anders als die Form der Wirbelsäule des Pferdes ändert sich die Bemuskelung häufiger. Dann müsste das Kopfeisen theoretisch jedes Mal neu angepasst werden. Tatsächlich bieten einige Hersteller inzwischen verstellbare Kopfeisen an oder auch Sättel, bei denen man die Kopfeisen austauschen kann. Sowohl in der Breite als auch in der Winkelung können Sattelbäume variieren. Der Winkel muss immer dem Winkel der Schulter angepasst werden. Diese entscheidet, ob man eher ein V- oder eher ein U-förmiges Kopf­eisen benötigt. Während man den Winkel verändern kann, ist die Breite des Sattelbaums kaum anzupassen. Bei den meisten Sattelbäumen ist maximal ein halber Zentimeter Spielraum in der Breite. Schon deshalb kann man Pferden nicht den Sattel jedes x-beliebigen Herstellers anpassen, weil der eine eher schmal­, der andere eher breit baut. Eine Besonderheit sind hier Sättel für Ponys, weil diese häufig ein U-förmiges Kopf­eisen brauchen mit steilem Winkel, aber breitem Baum.

Je nachdem, ob man es mit einem Dressur- oder Springsattel zu tun hat, sieht das „Skelett“ des Sattels etwas anders aus. Beim Dressursattel verlaufen die Ortspitzen relativ gerade nach unten, beinahe senkrecht. Bei guten Springsätteln sind die Ortspitzen etwas nach hinten geneigt, damit die Schulter in der Landung, in der ja große Kräfte wirken, frei unter den flachen Ortspitzen nach hinten durchgleiten kann. Das ist auch der Grund, weshalb man nie mit einem Dressursattel springen sollte – zumindest nicht, wenn die Springstunde über eine Gymnastik­reihe hinausgeht. Darüber hinaus sind Springsättel deutlich flacher als Dressursättel, damit der Druck in der Lande­phase besser verteilt wird. Als Faustregel gilt: je kürzer der Bügel beim Reiten (z.B. in der Vielseitigkeit), desto flacher der Sitz und desto weiter der Vorschnitt des Sattelblattes.

Viele Dressursättel sind sehr tief. Hierzu Nancy Köpke: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die guten Reiter mit ausbalanciertem Sitz wenig Pauschen bevorzugen und sich im Sattel freier bewegen wollen. Meist sind es eher die Anfänger, die den tiefen Sitz und viel Pausche bevorzugen. Fürs Pferd ist Ersteres grundsätzlich besser. Aber wenn dann ein noch nicht so versierter Reiter unruhig im Sattel hin- und herrutscht, sind die tiefen Sättel wieder angenehmer fürs Pferd. Wichtig ist, dass der Reiter auf jeden Fall im Schwerpunkt sitzt!“

Holz, Stahl und Co.

Traditionell werden Sattelbäume aus ­einer Kombination aus Holz und Stahlfedern hergestellt, dann auch „Pritschenbaum“

genannt. Der Vorteil von Holz: Es arbeitet auf dem Pferd, passt sich also den Bewegungen an. Nur kann es sich mit der Zeit verziehen, sodass der Sattel seine Form verliert. Um das zu verhindern, wird Holz mit Stahlfedern kombiniert. So bleibt der Sattelbaum stabil, ist aber trotzdem flexibel. Je schwerer der Reiter, desto härter muss der Sattelbaum gefedert sein. Doch zum herkömmlichen Holz-Stahl-Feder­baum hat die Sattelindustrie inzwischen auch Alternativen entwickelt, z.B. Kunststoff, Kunststoff mit Eisen oder Kunststoff mit Holz. Hier wird sehr viel probiert und experimentiert. Kunststoff ist biegsam und sehr leicht. Zudem werden die Kunststoffbäume aus einem Stück gefertigt. Dadurch, dass sie so biegsam sind, schwingen sie stark mit – gut für erfahrene Reiter, weil sie dadurch die Pferdebewegungen besonders intensiv spüren. Aber weniger gut für Unerfahrene im Sattel, die ohnehin noch nicht besonders stabil sitzen und durch den schwingenden Baum noch mehr Probleme bekommen, die letztlich auch beim Pferd ankommen. Dieses Dilemma gibt es bei den meisten Innovationen, die mit besonders hoher Anpassungsfähigkeit an die Pferdebewegungen aufwarten können. Flexibel ist gut, aber das lässt sich nicht pauschal auf alle Reiter und auch nicht auf alle Pferde übertragen. Auch hier gilt: ausprobieren!

Im Kommen sind Sattelbäume aus ­Carbon. Carbon ist sehr langlebig und dabei formstabil, zugleich leicht und in sich flexibel. Durch die Stabilität von Carbon kommt man bei der Herstellung mit wenig Material aus. Mit dem Effekt, dass der Reiter näher am Pferd sitzt, der Sattel aber trotzdem seine Aufgabe erfüllen kann und den Rücken schützt. Der Nachteil: Carbon ist sehr teuer und der Bearbeitungsaufwand hoch. Ein Sattelbaum aus Carbon kann nicht ohne Weiteres angepasst werden, sondern muss umgeschliffen und eventuell eingeschmolzen und ganz neu angepasst werden.

Die Kissen

Sattelkissen müssen sich zwar der Muskulatur des Pferderückens anpassen, aber sie dürfen auch nicht zu weich sein, weil sie dann ihre Form verlieren, wenn der Reiter im Sattel sitzt. Dann fängt der Sattel an zu drücken. Sind die Kissen hingegen zu hart, quetschen sie die Muskulatur. Früher wurden Kissen mit Schafwolle gefüllt. Dagegen ist eigentlich nichts zu sagen. Trotzdem sind synthetische Fasern bei den Füllmaterialien immer stärker im Kommen. Es gibt mit Luft gefüllte Kissen, Kissen mit Gel, Latex, Schaumstoff, Tempur (ein Memo-Schaum, der auch bei Matratzen und orthopädischen Kissen für Menschen zum Einsatz kommt) usw.

Egal, was für ein Material es sein soll, wichtig ist, dass die Auflagefläche der Kissen frei von Unebenheiten und Knötchen ist und vor allem symmetrisch. Außer­dem sollte das Material das Anpassen der Kissen erlauben. Nancy Köpke empfiehlt Silikonhohlfasern als Polsterung oder eine spezielle Füllwatte, die es auch noch aus anderen Materialien gibt. Dann lassen die Kissen sich unkompliziert umpolstern. Es gibt verschiedene Arten und Formen von Kissen. Pferde mit normalem bis langem Rücken tragen meist Keilkissen, die hinter dem Sattelkranz hervorstehen. Pferde mit sehr kurzem Rücken und/oder tiefer Sattellage sind wiederum mit sogenannten Bananenkissen besser bedient, die kürzer als die Sitzfläche des Sattels und dem Schwung des Sattelbaums angepasst sind.

Wer sich schon immer gefragt hat, was eigentlich „französische Kissen“ sind, erhält folgende Antwort: Damit wird die Art der Befestigung am Sattel beschrieben. Französische Kissen – erkennbar an den Knöpfen links und rechts des Wirbel­kanals – werden nur punktuell am Sattel befestigt und haben keine Nähte und keinen Keil. Das macht sie sehr flexibel, sodass sie sich dem Pferderücken sehr gut anpassen können. Französische Kissen eignen sich gut für Pferde mit hohem Widerrist, weil sie den Sattel weiter vom Pferd weg bringen. Und sie sind sehr kurz. Das Gegenstück sind ­Kissen, die am Sattel festgenäht sind. Es gibt auch Zwitter­varianten, bei denen die Kissen vorne fest mit dem Sattel vernäht und hinten punktuell befestigt sind. Sie haben einen Keil, sind aber trotzdem ­etwas runder geformt.

 

Text: Dominique Wehrmann, Bild: Jan Tönjes

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