Wallendes Langhaar, muskulöser Körperbau und ein temperamentvolles, aber dennoch ausgeglichenes Wesen: Die Pura Raza Española sind die perfekten Partner für die traditionelle Reitweise Doma Vaquera, aber auch für die Freizeit
Bebende Hufe, starke Muskeln, stolzer Kopf: Die Erscheinung der Pura Raza Española ist beeindruckend. So beeindruckend, dass sich Könige und Herrscher, wie Richard Löwenherz, Friedrich der Große oder Napoleon, sich diese Wirkung zunutze machten und sich mit den spanischen Pferden auf Gemälden abbilden ließen. Hier ist die Frage: Wer sieht stolzer aus? Das Pferd oder der darauf thronende Reiter?
Und auch heute stellt sich die Frage: Wer kennt sie nicht? Die spanischen Pferde, die einem das Gefühl geben, man sei eine starke Prinzessin, die im geschwinden Galopp über Wiesen und Felder reitet, und das auf einem wunderschönen Pferd. Lockige Mähne, die im Galopp im Gesicht des Reiters kitzelt, der starke, muskulöse Körper, der einem das Gefühl von Sicherheit gibt, und der menschenbezogene Charakter, der die Herzen schmelzen lässt. So ein Pferd ist das Pura Raza Española (P.R.E.). Die edlen Pferde stammen aus Spanien und gehören zu den ältesten Rassen in Europa. Zu Beginn der Zuchtgeschichte wurden sie durch Einkreuzungen von Arabern und Englischen Vollblütern veredelt. Sie wurden sowohl vor dem Wagen als auch im Krieg eingesetzt und haben auf diesem Weg maßgeblich zur Geschichte Spaniens beigetragen. Denn im Krieg lösten sie die schweren Pferde, wie damals häufig die Kaltblüter, ab, die deutlich weniger schnell und wendig waren als die Pura Raza Española. 1476 begann dann die Zuchtgeschichte einer speziellen Linie dieser Pferde: der Cartujanos. Die Karthäusermönche setzten die Reinzucht fort – auch gegen den Befehl von Napoleon. Dieser befahl nämlich, die Rasse mit schweren und größeren Rasen zu kreuzen, doch die Mönche blieben stur und retteten damit diese Rasse. Obwohl diese Linie aus reinen P.R.E.-Pferden besteht, gibt es heute dennoch Typenunterschiede. Der Cartujano ist dem schweren Barocktyp zuzuordnen, während andere Züchter sich mittlerweile auf die Züchtung von leichteren und moderneren Sportpferden konzentrieren. 1835 wurden die kirchlichen Güter in Spanien verstaatlicht. Damit mussten die Karthäusermönche auch die Zucht der P.R.E. aufgeben. Sie verkauften die Pferde an die Familie Zapata, welche knapp 20 Jahre später die Zucht an Vincente Romero übergab und 1897 teilweise an Romero Benitez verkaufte. 1911 wurde die Zucht von Vincente Romero komplett aufgelöst. Verschiedene Teile der Linie gingen an Privatzüchter und kurz darauf an staatliche Gestüte. 1972 wurde die Asociación Nacional de Criadores de Caballos de Pura Raza Española (ANCCE) gegründet, um den Ursprungstyp der Rasse erhalten zu können. Sie legte die Regelungen der Zucht und auch die Kriterien für die P.R.E.-Pferde fest, um Abweichungen zu verhindern. Seit 1912 ist die Zucht der P.R.E.-Pferde streng reglementiert. Durch die Eintragung in das Stutbuch können die Vorfahren des Tieres bis auf mehrere Generationen lückenlos nachvollzogen werden. Diese Aufgabe übte bis 2006 sogar das spanische Verteidigungsministerium in Madrid aus.
Kräftig, kompakt und edel zugleich
Der Körperbau der Pura Raza Española zeichnet sich durch eine breite Brust und einen ausgeprägten, starken Rücken mit einer leicht abfallenden Kruppe aus. So wie der Rücken sind auch Hals und Brust gut bemuskelt. Der Kopf hat eine edle Form mit einer geraden bis leicht nach außen gewölbten (konvexen) Nasenlinie. Die großen, dunklen Augen spiegeln das sanfte Wesen des P.R.E.-Pferdes wider. Die Stuten dieser Rasse werden ca. 152 bis 170 cm groß, die Hengste erreichen ein Stockmaß von ca. 154 bis 172 cm – sind also nur geringfügig größer.
Lange, gut geformte Beine und starke Hufe machen es den Tieren leicht, sich in den verschiedenen Disziplinen zu beweisen. Besonders auffällig bei dieser Rasse ist der üppige Langhaarbewuchs. Die Mähne und der Schweif sind lang und dicht, und der Schweifansatz ist wegen der abfallenden Kruppe tief angesetzt. Vor allem Schimmel, Rappen, Braune und Falben sind bei der spanischen Rasse vertreten. Schecken gibt es nicht.
Vielschichtiges Temperament
Die spanischen Warmblüter zeichnen sich durch ein freundliches und ruhiges Wesen aus, passen sich schnell unterschiedlichen Situationen an und werden vor allem für ihre Nervenstärke, Kooperation und Reaktionsbereitschaft sehr geschätzt. Unter dem Sattel zeigen sie sich gehorsam und bilden gerne eine Einheit mit ihren Reitern. Sie sind sehr menschenbezogen, lernwillig und bei der Arbeit auch stets motiviert. Darüber hinaus wird der spanischen Rasse Intelligenz und Fügsamkeit nachgesagt. Solche Eigenschaften machen sie zu idealen Partnern für den Sport. Da die Tiere aber auch sehr feinfühlig und sensibel sind, benötigen sie jedoch einen gefühlvollen und vor allem verständnisvollen Umgang – bestenfalls durch bereits erfahrene Reiter.
Aufgrund ihres ausgeglichenen Charakters und ihres starken Körperbaus eignen sich die Pferde für viele Disziplinen. Die ausdrucksvollen Gänge machen sie zu guten Partnern für die Dressur bis hin zur Hohen Schule. Durch ihr ruhiges, unerschrockenes Wesen und ihren Ausdruck werden die Tiere auch gerne im Showreiten eingesetzt. Hier begeistern sie unzählige Zuschauer bei ihren Auftritten. Aber die Tiere sind ebenso gut für den Fahr- und Springsport geeignet oder für die Arbeit mit Rindern. Vor allem werden die Pferde aber in der Working Equitation, in der traditionellen Doma Vaquera, ausgebildet. Denn das war bzw. ist die traditionelle Reitweise der spanischen Rinderhirten (siehe Kasten). Bei dieser schwierigen Kunst wird zwischen einer starken Versammlung im Vollsitz und dem leichten Sitz gewechselt. Typisch für die Doma Vaquera ist außerdem die „Garrocha“, eine Art Lanze, die beim Reiten eingesetzt wird. Raumgreifen, taktrein und elastisch – das beschreibt die Grundgangarten der Pura Raza Española sehr gut. Die Tiere haben eine deutliche Knieaktion und eine gut unterfußende Hinterhand. Außerdem besitzt diese Rasse eine ausgeprägte Versammlungsfähigkeit. Ihre Bewegungen sind sehr bequem für den Reiter. Aber auch hier gilt: Da diese Rasse sehr sensibel ist und die Tiere auch im Maul leichtführig sind, sollte sich im Optimalfall kein Anfänger auf die spanischen Pferde setzen. Reiter, die sogar schon Erfahrungen gesammelt haben mit dieser Rasse, wären dagegen perfekt. Denn so kann das Talent des Tieres gefördert und gefordert werden, ohne es dabei zu überfordern.
Gezüchtet, um zu tanzen?
Vor allem in der südwestlichen Region Spaniens, in Andalusien, werden diese Pferde gezüchtet. Interessiert man sich für diese Rasse, oder möchte man vielleicht sogar ein Tier erwerben, führt der erste Weg meist an das Gestüt der Königlich-Andalusischen Reitschule, der Fundación Real Escuela Andaluza del Arte Ecuestre in Jerez de la Frontera. Hier lernen die spanischen Vierbeiner die Kunst der Hohen Schule. Dafür sind sie dank ihrer Veranlagung zu kunstvollen Sprüngen, erhabenen Bewegungen und Taktgefühl gemacht.
Im Mai jeden Jahres findet die Parade Feria del Caballo statt. Hier geht es darum, die Pferde der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie tänzeln unter den barock kostümierten Reitern durch die Menge der jubelnden Massen – und begeistern Spanier ebenso wie Touristen.
Text: Nora Dickmann Foto: www.Slawik.com