Manche Pferde scheinen neue Lektionen im Handumdrehen zu lernen, während anderen die Fragezeichen ins Gesicht geschrieben stehen. Wer seinem Vierbeiner etwas beibringen möchte, sollte sich mit dem Lernverhalten auseinandersetzen und wissen, dass sich Lernmuster nicht eins zu eins vom Menschen auf Pferde übertragen lassen

Das Verhalten unserer Pferde beruht auf ihren Urinstinkten als Flucht- und Herdentier. Für unsere Vierbeiner ist ihr Verhalten also immer logisch. In der Psychologie wird Lernen zum einen als eine dauerhafte Änderung des Verhaltens (im Gegensatz zu einer vorübergehenden) und zum anderen als eine Änderung von Verhaltenspotenzialen, die durch Übung und Erziehung erfolgt beschrieben. Für Pferde ist Lernen eine wichtige Basis für das Überleben. Und zwar nicht nur für das Individuum, sondern auch für die gesamte Spezies. Darüber hinaus sind Pferde in der Lage, mehr zu lernen. Wir Menschen haben dadurch die Chance, sie zu unseren Partnern zu machen und ihnen etwas beizubringen. Das geht jedoch nur mit Vertrauen und der entsprechenden Kommunikation. Schon seit Jahrhunderten werden Pferde trainiert. Auch wenn nicht alle Methoden pferdegerecht waren, gab es durchaus schon immer Ausbilder, die sich intensiv mit der Natur und dem Lernverhalten des Pferdes auseinandersetzten und mit Gefühl an die Sache gingen. Reitmeister wie Xenophon oder De la Guérnière machten sich Gedanken und versuchten, ihre Ausbildungsmethoden den Pferden anzupassen.

Den eigenen Zustand verbessern

Pferde sind generell sehr gutmütig und unter anderem bereit, ihre Angst für Menschen zu überwinden und zu kooperieren. Dennoch lernen sie nicht, um uns eine Freude zu machen oder uns zu gefallen. Vielmehr dient Lernen der Optimierung des eigenen Zustands, sodass sich das Pferd besser seiner Umwelt anpassen kann. Wäre das nicht so, müsste der Vierbeiner in jeder Situation aufs Neue ausprobieren, wie er sich am besten verhält – ziemlich aufwändig, oder? Zwar verfügen Pferde über genetisch festgelegte, angeborene Verhaltensweisen, die sie automatisch bei bestimmten Auslösern zeigen, doch das allein würde nicht ausreichen, um das Überleben zu sichern. Wir können uns die Lernbiologie des Pferdes zunutze machen: Wenn wir ein Pferd belohnen, verbessert (optimiert) sich sein Zustand. Für den Vierbeiner ist das Anreiz genug, das zuvor belohnte Verhalten zu wiederholen. Nach und nach verknüpft es die Aktionen miteinander. Damit Gelerntes im Langzeitgedächtnis abgespeichert wird, ist eine gewisse Häufigkeit der Paarungen nötig. Zusätzlich müssen die zu verknüpfenden Aktionen eindeutig und gleich im Gehalt ihrer Informationen sein. Pferde haben ein gutes Erinnerungsvermögen. Daher kann es sein, dass bei einfachen Verknüpfungen bereits wenige Wiederholungen ausreichen. Hingegen müssen schwierige Lerninhalte häufiger geübt werden. Auch wir Menschen lernen durch Wiederholungen, sind jedoch in der Lage, unser Verhalten ganz anders zu reflektieren. Ein gewisser Lerneffekt ist also durchaus in der Retrospektive möglich.

Klare Kommunikation

Ein fundamentaler Baustein für die Arbeit und den Umgang mit dem Pferd ist Kommunikation: Der Vierbeiner benötigt bestimmte Zeichen und Signale, zum Beispiel in Form von Körpersprache, Mimik oder Stimmhilfen, damit es diese umsetzen und durch unsere Rückmeldung auf sein gezeigtes Verhalten interpretieren kann. Kommunikation findet ständig statt, selbst wenn der Ausbilder nicht bewusst kommuniziert hat. Ähnlich sieht es mit dem Lernen aus: Manchmal lernen Pferde auch Dinge, die wir ihnen gar nicht beibringen möchten. Der Reiter sollte sich zum einen klarmachen, was er tut und was er damit bezwecken will. Andererseits ist es wichtig, das Pferd im Training so zu motivieren, dass es Spaß am Lernen hat. Wir können bestimmte Bewegungsabläufe nur erlernen und reiten, wenn wir wissen, wie diese funktionieren. Ebenso sind wir nur in der Lage, einzelne Übungen richtig in das Training einzubauen, wenn klar ist, welchen gymnastischen Wert diese Übung hat und wofür sie sozusagen gut ist. Wenn Pferde nicht wie vom Reiter gewünscht lernen und gefühlt auf einem Niveau stecken bleiben, kann es daran liegen, dass die Basis-Signale wie Schenkel- oder Zügelhilfen nicht richtig sitzen. Auch hier kommen wieder die Motivation und das Lob ins Spiel, denn das Pferd muss eine Rückmeldung auf sein Verhalten bekommen, um Zusammenhänge zu verstehen.

Optimale Voraussetzungen

Druck und Zwang bringen weder Pferd noch Mensch weiter. Optimales Lernen kann nur in einem passenden Umfeld unter den richtigen Voraussetzungen gelingen. So müssen sich auch unsere Vierbeiner konzentrieren können und benötigen sowohl geistige als auch körperliche Energie, um Neues zu lernen. Daher müssen zunächst alle Grundbedürfnisse erfüllt sein. Neben genügend Auslauf und sozialen Kontakten gehört auch ausreichend Zeit und Ruhe zum Fressen von Raufutter dazu. Boxenpferde sind weniger Reizen ausgesetzt als ihre Artgenossen im Offenstall oder mit viel Weidegang. Auch das wirkt sich auf das Lernverhalten aus. Stellen Sie sich vor, Sie müssten für eine Prüfung lernen. Wo würde Ihnen das Lernen leichterfallen? In einem kleinen, dunklen Zimmer, mit knurrendem Magen oder in einem gemütlichen Lernumfeld mit einer Tasse Tee und Blick in den Garten? Pferde sind Gewohnheitstiere. Sie sollten von klein auf langsam an neue Situationen herangeführt und mit ihnen vertraut gemacht werden. Auch beim Reiter spielt das Alter und der Ausbildungsstand eine Rolle. Beides muss beim Training beachtet werden. Wer als Kind mit dem Reiten anfängt, lernt unter anderem Bewegungsabläufe ganz anders.

Einen gemeinsamen Weg finden

Wenn sich Reiter und Pferd das erste Mal begegnen, haben sie bereits gewisse Erfahrungen gemacht und bestimmte Dinge gelernt. Manchmal sprechen beide einfach (noch) nicht die gleiche Sprache. Die Folge können Kommunikationsprobleme und damit auch Probleme in Bezug auf das Lernen sein. Ein klassisches Beispiel ist eine falsche Hilfengebung bei den Übergängen: Der Reiter hat den Bewegungsablauf und die Einwirkung auf eine bestimmte Art erlernt und verinnerlicht. Vielleicht nutzt er vor allem deutliche Zügelhilfen zum Durchparieren. Der Vierbeiner ist jedoch sehr fein ausgebildet worden und reagiert normalerweise schon auf eine leichte Veränderung der Körperspannung und nahezu unsichtbare Hilfen. Plötzlich wird das Pferd regelrecht ausgebremst und der Bewegungsfluss unterbrochen. Das Tier ist verunsichert, bleibt abrupt stehen und geht ein paar Schritte rückwärts. Der Reiter gibt nun Impulse am Schenkel, und das sensible Pferd fühlt sich schon wieder „überfallen“. Es stürmt diesmal nach vorne, um dem Druck zu entkommen. Wenn der Reiter diese Einwirkung ein paar Mal wiederholt, lernt das Pferd, dass Übergänge etwas Unangenehmes sind. Um das zu vermeiden, ist es wichtig, dass der Reiter sein eigenes Verhalten reflektiert und sich Gedanken darüber macht, auf welche Art und Weise sein Partner Pferd am besten lernt. Wenn der Grundstein einmal gelegt ist, steht dem erfolgreichen Lernen nichts mehr im Weg.

Text: Aline Müller    Foto: www.Slawik.com

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