Ohne Raufutter geht es nicht – Pferde müssen regelmäßig fressen, damit der Magen- und Darmtrakt gesund bleibt. Längere Fresspausen können daher zu Problemen führen. Ob und wie viel Kraftfutter ein Pferd benötigt, hängt dagegen von unterschiedlichen Faktoren ab. Das sollten Sie wissen

Kennen Sie das Gefühl, vor Supermarktregalen zu stehen und nicht zu wissen, welches Produkt Sie eigentlich wirklich brauchen? Auch im Fachhandel für Pferdefutter gibt es mittlerweile ein vielfältiges Angebot an (Zusatz-)Futtermitteln. Vom Spezialmüsli über Heucobs bis hin zu Ölen und Co. Wer sein Pferd richtig füttern möchte, muss sich mit der Natur der Vierbeiner beschäftigen. Kein Pferd ist dafür gemacht, die meiste Zeit des Tages in einer Box zu stehen und auf die Stallgasse zu gucken. Auch wenn so mancher Reiter denkt, dass eine große, komfortable Box ausreicht. Pferde haben bestimmte Grundbedürfnisse, die erfüllt werden müssen, damit sie lange gesund und vital bleiben. Eine gute Fütterung ist daher auch immer Gesundheitsvorsorge.

Dauerfresser in Bewegung

Im Vergleich zu unseren Hauspferden durchstreiften Wildpferde in großen Herden die Steppen. Das Futterangebot war eher rar, und daher waren sie permanent mit der Nahrungssuche beschäftigt. Wildpferde wanderten rund 16 Stunden täglich umher. Dabei legten sie nicht nur viele Kilometer zurück, sondern füllten den Magen auch immer wieder mit kleinen Portionen. Das lohnte sich: Denn so konnten die Vorfahren unserer Hauspferde bis zu 50 oder 60 Kilogramm Weidegras pro Tag zu sich nehmen. Das entspricht einem Trockensubstanzgehalt von zehn bis zwölf Kilogramm. Dazu wird einfach der Wassergehalt von der Gesamtmenge abgezogen. Ein Pferd, das 500 bis 600 Kilogramm wiegt, hat also in der freien Wildbahn rund zwei Kilogramm Futter in der Trockensubstanz aufgenommen. Noch heute ist Raufutter die Basis jedes Futterplans, denn der Verdauungstrakt der Pferde hat sich nicht verändert, nur weil wir sie in Boxen stellen und das Futter rationieren. Im Prinzip haben unsere Vierbeiner das instinktive Bedürfnis, ständig zu fressen und sich dabei zu bewegen. Pferde sind Dauerfresser, und ihr Magen ist darauf ausgelegt, permanent kleinere Futtermengen zu verarbeiten. Aus diesem Grund produziert er ununterbrochen Magensäure, um die aufgenommene Nahrung zu verdauen. Diese kann nur durch Speichel neutralisiert werden. Und genau dazu ist das Kauen wichtig.

Fresspausen mit fatalen Folgen

Lange Fresspausen ohne Kauen und somit ohne Speichelfluss führen schnell zu Magenproblemen. Stellen Sie sich vor, Sie haben Sodbrennen und den Drang, etwas zu essen, damit die Schmerzen aufhören, aber Sie sind in einem Geschäftstermin und müssen warten, bis dieser vorbei ist. Das Gefühl ist sehr unangenehm, und wahrscheinlich leidet ihre Konzentration recht bald unter den Umständen. Pferden, die in der Box stehen beziehungsweise keinen Zugang zu Raufutter haben, geht es im Prinzip ähnlich. Kann das Pferd länger als vier Stunden kein Futter aufnehmen, fehlt der Speichel, der die Magensäure abpuffert. Diese wird allerdings weiter produziert und greift die Magen- und Darmschleimhaut an. Nicht nur Verhaltensauffälligkeiten oder -störungen bis hin zum Weben oder Koppen, sondern auch Magengeschwüre und Koliken können die Folge einer mangelhaften Versorgung und zu langer Fresspausen sein. Kommt jetzt noch Stress durch das Training hinzu, sind weitere Probleme vorprogrammiert. Pferde sollten so gehalten werden, dass ihr Bedürfnis nach einer steigen Aufnahme von faserreichem Futter gestillt wird. Dazu gibt es verschiedene Ansätze: stets genügend Raufutter in der Box, Offenstallhaltung mit Auslauf und entsprechender Fütterung oder mehr Weidegang. Obwohl auch hier darauf geachtet werden muss, dass die Pferde genug Gras aufnehmen können. Der letzte Sommer war zum Beispiel so heiß und regenarm, dass viele Vierbeiner auf völlig trockenen, kurzen Wiesen ins Leere gestarrt haben.

Den Bedarf individuell decken

Pferde brauchen nicht nur Wasser und Eiweiß, sondern auch Kohlenhydrate, Fett, Mineralien, Spurenelemente und Vitamine. Durch qualitativ hochwertiges Heu kann der Erhaltungsbedarf des Pferdes gedeckt werden. Manche Pferde und Ponys kommen auch noch bei leichter Arbeit problemlos ohne Kraftfutter aus. Dennoch sollte die Fütterung nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Die Heuqualität ist nicht immer gut und kann sich von Ballen zu Ballen unterscheiden. Über Kraft- und Zusatzfuttermittel kann nicht nur der erhöhte Energiebedarf, sondern auch der Bedarf an Mineralstoffen gedeckt werden. Zudem muss beachtet werden, dass manche Pferde einen höheren Grundbedarf haben. Zum Beispiel hoch im Blut stehende Rassen. Verschiedene Faktoren beeinflussen den Energie- und Nährstoffbedarf des Pferdes. So benötigt ein Sportpferd, das täglich Leistung erbringt, ein Kraftfutter mit einem höheren Energiewert als ein Freizeitpferd, das nur leicht gearbeitet wird. Allerdings steigt der Energiebedarf nicht nur durch sportliche Belastungen. Auch heranwachsende Fohlen oder (hoch-)tragende Stuten haben einen erhöhten Nährstoffbedarf. Zu den gängigen Kraftfuttern zählen Hafer, aufgearbeiteter Mais, Gerste und Mischfutter. Das Getreide liefert neben Mineralstoffen und Vitaminen auch etwas Fett und viel Eiweiß, das zum Muskelaufbau benötigt wird. Während Hafer das traditionellste Kraftfutter für Pferde ist, gelten Gerste und Mais als schwerer verdaulich. Kraftfutter ist in verschiedenen Formen erhältlich. Von Einzelfuttermitteln über Pellets aus zerkleinerten und gepressten Futterteilen bis hin zu diversen Müslisorten. Dabei werden unterschiedliche Getreidesorten miteinander vermischt. Manchmal sind Getreidekörner in ihrer ursprünglichen Form enthalten oder gequetscht, geschrotet beziehungsweise in Flockenform. Ob Sportler mit erhöhtem Energiebedarf oder Freizeitpferd mit Stoffwechselstörungen – Kraftfutter- und Müslimischungen sind in allen möglichen Varianten erhältlich. Die entsprechende empfohlene Futtermenge des jeweiligen Herstellers ist in der Regel auf den Futtersäcken angegeben.

Auch wenn die Fütterung von Kraftfutter in vielen Ställen üblich ist, sollte sie gegebenenfalls überdacht werden. Hat das Pferd nur ein geringes Arbeitspensum oder nimmt es leicht zu, dann muss  nicht unbedingt Kraftfutter in den Trog. Für die Berechnung des Energiebedarfs des Pferdes gibt es spezielle Tabellen.

Ist getreidefrei besser?

Doch nicht nur Faktoren wie das Training, sondern auch das Klima, das Alter und der Gesundheitszustand des Pferdes haben einen Einfluss auf den Bedarf. Daher ist bei der Fütterung auch das Auge des Besitzers gefragt. Fällt Ihnen zum Beispiel auf, dass Ihr Pferd abnimmt und das Fell stumpfer wird? Dann kann das möglicherweise an einer Unterversorgung liegen. Im Gegensatz dazu gibt es auch Pferde, die schnell zunehmen oder gesundheitliche Probleme haben. Ein Grund, warum das Interesse an getreidefreiem Futter stark zugenommen hat. Von der Industrie wird es als gesünder, besser verträglich und weniger belastend beworben. Diesen Kraftfuttersorten werden statt Getreide unter anderem gehäckseltes Heu oder Luzerne, Grünhafer, Gemüse- oder Obststückchen beigemischt. In kleinen Mengen sind diese Futtermittel auch für Pferde, die eigentlich kein Kraftfutter benötigen geeignet. Getreidefrei ernährt werden sollten Pferde, die Getreide nicht gut vertragen oder an Magengeschwüren leiden. Oft ist jedoch der Gehalt an Zucker in getreidefreien Müslis höher als in Einzelfuttermitteln. Rehegefährdete oder bereits betroffene Pferde und Ponys dürfen auf keinen Fall zuckerhaltige Futtermittel bekommen.

Text: Aline Müller     Foto: www.Slawik.com

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