Besonders im Herbst und Winter greifen Pferde­besitzer vermehrt zu Ölen, um ihrem Pferd etwas Gutes zu tun. Aber ist das wirklich notwendig? Brauchen ­Pferde Öle als Zusatz zu Rau- und Kraftfutter überhaupt?

 

Leinöl, Reiskeimöl, Schwarzkümmelöl und Co. – der Markt bietet die unterschiedlichsten Öle an. Kaum ein Futterwagen, in dem nicht eine Flasche oder ein Kanister davon zu finden ist. Die Fettsäuren scheinen zu einem unverzichtbaren Bestandteil in der Pferdefütterung geworden zu sein. Dabei ist die Ernährung der Vierbeiner evolutionsbedingt eigentlich gar nicht auf Öle ausgelegt. „Da Pferde sich von Steppengras ernährten und nicht, wie andere Säugetiere, dann fressen mussten, wenn Nahrung erbeutet wurde, ergab sich aus diesem Fressverhalten in der Evolution der Pferde keine Notwendigkeit dafür“, erklärt Thomas Kranz, Diätetikspezialist für Pferde und Gründer der Firma Natural Horse Care.

Daher haben Pferde keine Gallenblase. „Dennoch produzieren sie ausreichend Galle, die zu einem Teil in den Gallenwegen und insbesondere in der Leber bevorratet wird. Da aber Pferde den ganzen Tag Nahrung zu sich nehmen, wird die Galle den ganzen Tag über in konstanten Mengen über die Bauchspeicheldrüse der Verdauung (Dünndarm) zugeführt. Eine große Bevorratung ist daher nicht nötig“, so der Experte. Ein Pferd mit 500 Kilogramm Körpergewicht würde immerhin zehn bis 15 Liter Gallenflüssigkeit produzieren, die unter anderem fettspaltende Enzyme enthält. Die Studienlage hierzu sei eindeutig. „Pferde sind jedoch nur in der Lage, Öle zu verdauen, sofern die Gesamtration im Schnitt einen Rohfettgehalt von circa fünf Prozent nicht übersteigt“, so der Diätetikspezialist. Wissenschaftlich konnte erwiesen werden, dass bis zu zwei Gramm Fett/Öl je ein Kilogramm Körpermasse mit über 80 Prozent bereits im Dünndarm problemlos verdaut werden können – dies sind immerhin 250 Milliliter Öl. Werden die Fettmengen sehr gleichmäßig über die gesamte Fütterung verteilt, werden bis zu 100 Milligramm je 100 Kilogramm ­Lebendmasse mit einer Verdaulichkeit von über 90 Prozent erreicht.

Fette können verdaut werden

Die Verdaulichkeit von Ölen ist aber vom eigenen Schmelzpunkt abhängig, das heißt von der Temperatur, bei der die Öle flüssig sind. Je niedriger dieser ist, desto mehr ungesättigte Fettsäuren liegen vor und um so besser kann das Öl verdaut werden. „Eine gute Verdaulichkeit z. B. haben Leinöl und Fischöl, auch wenn viele weitere Öle auf dem Markt erhältlich sind. Hier steckt ein gezieltes Marketing hinter jedem Öl, denn jedem Öl kann man etwas abgewinnen“, weiß Kranz.

Das richtige Öl ist idealerweise kaltgepresst worden und stammt aus Ländern mit hohen Anbaustandards, was z. B. die Verwendung von Herbiziden und Glyphosat anbetrifft. Es wird erst kurz vor dem Abfüllen gepresst, und der Hersteller ist in der Lage, die Reinheit des Öls zu bescheinigen. Bioöle sollten frei von lebertoxischen sogenannten Pyrrolizidin-Alkaloiden sein, die unter anderem von bestimmten Unkräutern (z. B. Jakobskreuzkraut) ­gebildet werden.

„Denken Sie beim Ölkauf daran, möglichst regional einkaufen. Palmöle sollten grundsätzlich nicht in den Futtertrog. Erstens, weil sie schwer verdaulich sind, und zweitens, weil sie wichtige Ressourcen zerstören. Kokosöle sind ebenso schwer verdaulich und legen bis zu uns viele Tausende Kilometer zurück – auch hier sollte der Einsatz abgewägt werden“, rät der Experte.

Von raffinierten Ölen (wie Rapsöl und Sonnenblumenöl), die einen relativ hohen Schmelzpunkt haben und die Verdaulichkeit stark beeinträchtigen, ist generell abzuraten. Sie werden unter dem Einsatz von Trennmitteln, vor allem Alkohol und Hitze, gewonnen. Dabei gehen aber natürliche Vitamine und wertvolle Fettsäuren verloren. Inwieweit auch Mineralöle im Kraftfutter (Müsli) eingesetzt werden, ist noch nicht genauer untersucht worden. Dennoch werden immer wieder Öle mit geringer Verdaulichkeit und Qualität in Mischfutter eingemischt.

Vorsichtig sollten Pferdebesitzer bei der Medikamentgabe in Zusammenhang mit der Ölfütterung sein. „Wenig sinnvoll ist es z. B. ein Magenmedikament gemeinsam mit hohen Ölmengen zu verabreichen, da das Öl sich wie ein Schutzfilm über das Medikament legen könnte. Die meisten Medikamente werden aber erst im Dünndarm aufgeschlossen – hier wäre eine moderate Ölfütterung gemeinsam mit dem Medikament unproblematisch.“ Der Experte ergänzt, dass Kleien, Flohsamenschalen oder Leinsamen zusammen mit Medikamenten gemieden werden sollten, da diese einen schützenden Schleim bilden würden, der die Aufnahme noch im Dünndarm beeinträchtigen könnte. „Dieser Ansatz ist aber sehr theoretisch, weil es zum Thema bisher keine Studien gibt“, so Kranz.

Durch ihr tägliches Futter nehmen die Tiere übrigens viel Öl auf. „Der Rohfettgehalt im Hafer beträgt circa vier Prozent, im Heu circa 2,2 Prozent und im Weidegras circa 0,7 Prozent. Im Grunde liefern daher alle Futterquellen ausreichend Öl. Eine grundsätzliche Notwendigkeit Öle zu füttern, ergibt sich also zunächst einmal nicht“, sagt der Diätetikspezialist. Daher spielen Öle und Fette in der Ernährung der Pferde eher eine untergeordnete Rolle. Für den Experten macht die Öl­fütterung aber dennoch Sinn.

Öl als Energielieferant

Denn Öle und Fette dienen der Energieversorgung. Sie zählen wie die Kohlenhydrate zu den energieliefernden Substanzen. „Gezielt eingesetzt werden Öle deshalb bei Leistungspferden“, sagt Kranz. Aber auch Vierbeiner, die unter Getreideallergien, Eiweißüberschüssen aus der Futterration oder einer Stoffwechselerkrankung wie z. B. PSSM leiden, kann ein Schuss Öl helfen. Hier kommen wieder Lein- und Fischöle ins Spiel. „Sie enthalten einen sehr hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren, die aus ernährungsphysiologischer Sicht insbesondere bei Störungen im Haut- oder Gelenkstoffwechsel entzündungsmindernd eingreifen können“, so der Experte. Er erachtet daher gerade solche Öle in der täglichen ­Fütterung für sinnvoll.

Andere Öle werden aufgrund ihrer sekundären pflanzlichen Wirkstoffe (Schwarzkümmelöl, Boretschöl, Mariendistelöl, Nachtkerzenöl oder Traubenkernöl), die insbesondere im Samen der Pflanzen sitzen, eingesetzt. Häufig ist es aber in diesen Fällen sinnvoller, den ganzen geschroteten Samen zu verabreichen, da nur ein geringer Anteil der Wirkstoffe bei der Pressung in das Öl übergeht. Für Kranz hat die Ölfütterung daher vor allem einen ­ernährungsphysiologischen Nutzen.

Der Experte führt aber noch zwei ­weitere Gründe an, warum es sinnvoll ist, Öl zu geben – und zwar die falsche Beweidung und die Fütterung aus Heunetzen. „Ungesättigte Fettsäuren sind ­essenziell, das heißt, sie müssen der Nahrung zugeführt werden. Die Hauptquelle dieser Öle finden sich in den Samen der Gräser. Doch wenige davon kommen überhaupt bis zur Blüte, weil sie bereits ­vorher ­abgefressen werden. Beim Heu erntet man meist erst zum Blütenende, aber die heutigen ­Fütterungstechniken hindern Pferde ­daran, diese Samen in nennenswerten Mengen aufzunehmen. Heunetze machen es fast unmöglich, dass die Pferde se­lektieren können. Unter natürlichen ­Bedingungen würden sie, wenn sie die Wahl haben, zunächst die feinen Blütenköpfe mit den Samen fressen“, so der ­Ex­perte. ­Haben sie diese Wahl jedoch nicht, kann ein Schuss Öl helfen. Auch der benötigte Bedarf an Omega-3-Fettsäuren sollte seiner Meinung nach nicht außer Acht gelassen werden. „Im Regelfall sind im Pferdefutter häufig die Omega-6- und Omega-9-Fettsäuren im Überfluss vorhanden. Ein ungleiches Verhältnis erhöht aber die Infektions- bzw. Entzündungsanfälligkeit bei Pferden“, sagt er. Ein Ausgleich würde über ein Alpha-Linolensäure-haltiges Öl gelingen. Hier würden wiederum Leinöl und Fischöl alle anderen Öle in den Hintergrund stellen.

Verdauliche Mengen einhalten

Sofern die maximalen verdaulichen Mengen eingehalten und der Schwerpunkt der Fütterung auf eine strukturreiche Grundversorgung gelegt werden, gibt es für Kranz keine Nachteile bei der Ölfütterung. Nur ein Zuviel könne schaden. „Es ist, wie anfangs bereits erwähnt, darauf zu achten, dass der Rohfettgehalt der Futter­ration nicht über fünf Prozent beträgt. Zu hohe Ölmengen belasten am Ende Leber und weitere gallenführenden Organe. Sie können über das Verdauungssystem nicht vollständig verdaut werden und es kommt zu einer ‚Verölung‘ des Verdauungstraktes.“ Die Folge? Am Ende wird der enzymatische Verdauungs­stoffwechsel beeinträchtigt, der dadurch eine reibungslose Nährstoffaufnahme verhindert. Zu fettreiche Nahrung sorgt zudem für einen Anstieg der Fettanteile im Blut, eine überforderte Bauchspeicheldrüse und unnötige Fettdepots – auch an den Organen.

Wildsamen oder Ölsaaten

Grundsätzlich können auch Ölsaaten für die Ölfütterung herangezogen werden. Einen großen Vorteil bieten die Samen, da mit ihnen auch der gesamte Anteil an nativen Inhalts- und Wirkstoffen gefüttert wird. „Bevor diese aber verfüttert werden, müssen sie aufgeschlossen (gemahlen oder aufgequollen) werden, da der ­Verdauungstrakt sonst nicht in der Lage ist, diese zu verdauen. Der Nachteil ist, dass die Samen einen hohen Anteil an Eiweiß haben – und somit den Entgiftungsstoffwechsel stark beanspruchen können“, sagt der Experte.

Heute gibt es zudem vereinzelte Wildsamen-Saaten als Futterzugabe zu kaufen. Aber Achtung, deren Mischungen sind meist für Pferde umgewidmete Ziervogelmischungen. „Die Kilopreise liegt zwischen 35 und 45 Euro, und damit wird eigentlich auch wieder nur der Pferdebesitzer gemolken“, kritisiert Kranz.

Sonnenblumenkernen kann er persönlich wenig abgewinnen, da der fehlende Anteil an Omega-3-Fettsäuren aus ernährungsphysiologischer Sicht keinen Mehrwert für Pferde habe. „Der gerne angepriesene hohe Gehalt an Spurenelementen ist reines Marketing. Hier müssten einige Kilos täglich verfüttert werden, um einen Effekt zu erzielen. Diese Mengen wären aber für Pferde lebensbedrohlich“, so der Futterexperte abschließend.

 

Text: Inga Dora Schwarzer, Bild: Fotolia

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