AKUTE VERGIFTUNGEN sind glücklicherweise recht selten. Trotzdem ist das Pferd täglich schädlichen Einflüssen ausgesetzt, die Probleme machen können, wenn der Körper nicht mehr mit ihnen fertig wird. Dann braucht er Unterstützung.

Über die Nahrung, die Atemwege und die Haut nimmt das Pferd sowohl erwünschte als auch unerwünschte Stoffe zu sich – Mykotoxine aus dem Futter, Schimmelsporen aus dem Heu, Medikamente, ungeeignete Holzimprägnierungen, verunreinigtes Stroh, bestimmte

Pflanzen oder auch nur deren Samen. Das ist nicht ungewöhnlich, und der Körper des Pferdes ist darauf eingestellt. Wenn Leber und Niere ihren jeweiligen Aufgaben nach- kommen und die Belastung nicht zu groß ist, werden die Giftstoffe und Toxine (Toxi- ne sind immer organischen Ursprungs, Giftstoffe können auch anorganische Stoffe sein)

aus dem Blutkreislauf – in den sie letzten Endes alle gelangen – herausgefiltert und über den Urin ausgeschieden. Und das funktioniert so: Sauerstoffarmes, aber nährstoffreiches Blut aus Dünn- und Dickdarm, Magen, Bauchspeicheldrüse und Milz läuft in der Pfortader zusammen und gelangt darüber in die Leber. Hier mischt es sich mit sauer- stoffreichem Blut. Das ist wichtig, denn für die nun folgenden Stoffwechselvorgänge ist Sauerstoff notwendig. Über biochemische Prozesse werden im Rahmen dieser Stoffwechselvorgänge Schad- und Giftstoffe entweder direkt abgebaut oder aber so weit entschärft, dass sie über die Nieren ausgeschieden werden können – wofür die Pferde natürlich immer ausreichend saufen müssen! Diese körpereigene Müllabfuhr ist 24/7 im Einsatz. Um es mit Tierärztin Dr. Heike Kühn vom Immunologischen Zentrum für Pferde in Truchtlaching zu sagen: „Jeder Wirkstoff, der im Blut ist, wird ständig in Leber und Niere umgewälzt.“ Da leuchtet ein, dass es problematisch ist, wenn Leber und/ oder Niere ihren Job nicht mehr machen (können), wie sie sollen.

Wie kann das sein?

Falsche Fütterung, Krankheiten, zu hohe oder zu wenig körperliche Belastung können die Leberfunktion einschränken. In Sachen Fütterung sind die Pferdehalter daran mitunter sogar selbst schuld. Wer es zu gut meint mit den Zusatzfuttermitteln, riskiert eine Überversorgung. Die wiederum kann den Entgiftungsapparat überlasten, weil die überschüssigen Nährstoffe ausgeschieden werden müssen. Das Gleiche gilt für zu hoch dosierte Medikamente. Das heißt natürlich nicht, dass man keine Medikamente mehr verabreichen darf, nur sollte man sich da- bei genau an die Anweisungen des Tierarztes halten. Und Zusatzfuttermittel können dem Pferd wirklich helfen, wenn vorher ein Mangel herrschte. Nur sollte man das im Vorfeld durch eine Blutuntersuchung abklären las- sen. Denn beispielsweise kann viel Selen zu Vergiftungserscheinungen führen.

Wichtig in Sachen Prophylaxe ist auch die Futterhygiene. Pferdehalter und Stallbetreiber sollten peinlich darauf achten, dass Heu bei der Lagerung und Fütterung nicht mehr Verunreinigung ausgesetzt ist als nötig. Krippen und Tränken in Boxen wie auf der Weide müssen regelmäßig gereinigt werden. Faulende Rückstände, etwa von Mash etc., müssen unbedingt vermieden werden! Die Tierärztin und Expertin für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Dr. Ina Gösmeier, sagt: „Die Pferde werden immer mehr mit Schadstoffen belastet, immer häufiger haben sie schlechte Leberwerte. Das liegt unter anderem an der Art und Weise, wie das Futter verabreicht wird, nicht an der Qualität des Futtermittels an sich.“

Auf Sparflamme

Für den gesamten Stoffwechsel ist es problematisch, wenn das Pferd nicht genügend säuft, etwa weil die Tränke verunreinigt oder die Badewanne auf der Weide schon voller Algen ist. In seltenen Fällen gibt es auch das Gegenteil, Pferde, die zu viel saufen und so zu viele Elektrolyte ausscheiden. Auch das kann zu Vergiftungserscheinungen führen. Letzteres kann beispielsweise passieren, wenn die Pferde aus lauter Langeweile in der Box anfangen, mit der Tränke zu spielen. Was zum nächsten Ursachenkomplex führt: der Haltung.

Bei Pferden, die den Großteil ihrer Zeit in der Box verbringen, fährt der Stoffwechsel herunter, und der Organismus läuft auf Sparflamme. Dann arbeitet auch die Müllabfuhr langsamer mit der Folge, dass Giftstoffe länger im Körper bleiben. Anders ist das bei Pferden, die den ganzen Tag leicht in Bewegung sind und zusätzlich trainiert werden. Dabei nehmen die Pferde verstärkt Sauerstoff auf, erklärt Dr. Susanne Weyrauch. „Der Sauerstoff fördert die Ausscheidung von Kohlendioxid und damit die Entgiftung.“

Die Heilpraktikerin Karin Seeberger weist darauf hin, dass auch der Säure-Basen-Haus- halt des Körpers beim Entgiften eine Rolle spielt. Hintergrund sind die Stoffwechselvorgänge auf Zellebene: „Die Zellen brauchen für die Erledigung ihrer Aufgaben ein bestimmtes Milieu. Ist das zu sauer, können die Stoffwechselvorgänge nicht planmäßig ablaufen.“ Zu sauer kann besagtes Milieu beispielsweise durch Fehler in der Fütterung sowie durch Stress werden.

Vergiftungen erkennen

Erste Anzeichen einer Vergiftung können sich in Haut-, Fell- und/oder Hufproblemen äußern. Das Fell ist glanzlos, die Haut schuppig, das Horn rissig, und insgesamt macht das Pferd einen schlappen Eindruck. Oder aber genau das Gegenteil ist der Fall, und das Pferd ist übererregbar. All dies können, müssen aber keine Anzeichen für Vergiftungen sein, die ihrerseits neue gesundheitliche Probleme bis hin zu schweren Krankheiten nach sich ziehen können, die man ursächlich häufig nicht sofort einer Vergiftung zuschreibt, beispielsweise Kotwasser, Mauke oder Hufrehe. Zumal sich die Symptome oft schleichend verschlimmern, analog zu dem zunehmen- den Grad der Vergiftung, wenn die Ursache nicht abgestellt wird. Die Haut zeige Probleme an, wenn innere Organe „dem Entgiftungsdruck“ nicht standhalten können, sagt die promovierte Ernährungswissenschaftlerin Dr. Susanne Weyrauch. Dr. Heike Kühn ergänzt: „Manche Giftstoffe sammeln sich in den Haaren und dem Horn an. Wenn das der Fall ist, kann man über eine Haaranalyse feststellen, über welchen Zeitraum welches Gift aufgenommen wurde.“

Wenn man bereits weiß, dass das Pferd belastetes Futter gefressen hat, rät Tierärztin Dr. Heike Kühn, dem Pferd Toxinbinder wie z. B. Mananoligosaccharide oder Magnesiumsilika in kleinen Dosen über das Futter zu geben. Solche Wirkstoffe binden die schädlichen Substanzen bereits im Verdauungstrakt. Allerdings sollte vorher abgeklärt werden, mit welchen Giftstoffen man es genau zu tun hat, um sicherzugehen, dass die- se vom jeweiligen Toxinbinder auch abgedeckt werden.

Was tun im Fall des Falles?

Bei einer akuten Vergiftung durch z.B. Giftpflanzen muss sofort ein Tierarzt gerufen werden! Ist die Diagnose hingegen unklar und könnte es sich um eine chronische Vergiftung handeln, wird der Tierarzt zunächst ein großes Blutbild anfertigen mit Leber- und Nierenwerten. Sind die aus dem Lot geraten, weiß man: Leber und Nieren arbeiten nicht so, wie sie sollten. Auch bestimmte Spurenelemente gelten als Indikator. Zink beispielsweise hat auch die Aufgabe, Giftstoffe zu binden, sodass sie über den Darm ausgeschieden werden können. Eine Unterversorgung mit Zink bedeutet also, dass Giftstoffe im Körper bleiben. Außerdem wird der Tierarzt sich ein Bild vom Allgemeinzustand des Pferdes machen – wie sehen Hufe und Fell aus? Zeigt das Pferd auffällige Verhaltens- weisen, wie zum Beispiel Leerkauen? Bestätigt sich der Verdacht auf eine Vergiftung, wird zum einen der Organismus angeregt, die Toxine und Giftstoffe selbst auszuscheiden. Zum anderen werden Leber, Nieren so- wie das gesamte Immunsystem wiederaufgebaut. Der Verbündete dabei ist die Natur in Gestalt von Kräutern sowie chinesischen Pilzen, weiß Tierärztin Dr. Ina Gösmeier, die auf diesem Gebiet eine ausgesprochene Expertin ist. Ihr Tipp aus dem Kräutergarten: Kapuzinerkresse, die chronische Entzündungen abbaut, Mariendistel und Brennnessel, die beide die Leberfunktion unterstützen, wobei letztere, ebenso wie Goldrute, dabei hilft, Giftstoffe und Toxine auszuleiten. In Zeiten, in denen der Stoffwechsel ohnehin stärker belastet ist, Stichwort Fellwechsel, können Kräuter die Organe unterstützen. Dr. Ina Gösmeier empfiehlt, leber- und nieren- unterstützende Kräutermischungen im Rahmen vierwöchiger Kuren zu geben. Sie rät allerdings von eigenen Zusammenstellungen ab. Die Qualität der Kräuter und die Zusammensetzung der Mischungen seien entscheidend für die Wirkung. „Viel hilft nicht automatisch viel. Manche Wirkstoffe heben sich gegenseitig auf bzw. arbeiten gegenläufig“, so die Expertin. Man sollte sich hier also immer Rat vom Fachmann holen, der die Mischung individuell aufs Pferd abstimmt. Ein älteres

Pferd brauche z.B. mehr aufbauende Kräuter, für ein anderes gehe es vor allem um aus- leitende Bestandteile. Hinzu kommt, dass alles, was wirkt, auch Nebenwirkungen haben kann und einige Kräuter für Pferde mit sensibler Magenschleimhaut oder einer labilen Darmflora ungeeignet sind. Der Rat vom Fachmann ist bei chronischen Vergiftungen natürlich erst recht nötig. Hier empfiehlt Dr. Gösmeier zusätzlich zu Kräutern chinesische Pilze wie Shiitake und Reishi. Sie leiten Giftstoffe aus, stärken aber auch das Immunsystem. Aus dem Bereich der Homöopathie sind Sulfur und Lycopodium bekannt als Mittel, die die Leber unterstützen sollen.

Ein weiteres Hilfsmittel aus dem Bereich der alternativen Medizin, das dem Kör- per beim Entgiften helfen soll, ist die Akupunktur. Speziell ausgebildete Akupunkteure wissen, wo sie am Körper Nadeln setzen müssen, um Leber und Stoffwechsel anzuregen. Die Heilpraktikerin Karin Seeberger berichtet: „Manchmal fangen Pferde während einer Akupunktur richtig an zu stinken. Das passiert, wenn der Körper durch die Behandlung mit dem Entgiftungsvorgang anfängt.“ Auch klebriges Fell könne eine Folge sein, wenn die Pferde die toxischen Substanzen über die Haut ausscheiden.

Eine ähnliche Wirkung wie die Akupunkturnadeln haben übrigens Blutegel, deren Speichel zudem den blutverdünnenden, entzündungshemmenden und antibiotischen Wirkstoff Hirudin enthält, der dazu bei- trägt, die überlasteten Organe zu unterstützen. Weitere Methoden, die Entgiftung von außen zu unterstützen, sind Leberwickel oder auch Schröpfen, wobei Karin Seeberger gegenüber dem Schröpfen skeptisch ist, da das „sehr auf den Kreislauf “ gehe.

Bild: slawik.com, Text: Dominique Wehrmann

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