Interview: Pulver, Tablette oder Paste – was hilft denn nun wirklich? Wir haben mit Sonja Weyrauch gesprochen. Die Futter-Expertin erklärt uns die Welt rund um die Zusatzmittel und wie wir mit ihnen die Pferde unterstützen können.

 

MEIN PFERD: Wieso benötigen Pferde heutzutage überhaupt Unterstützung von innen heraus?

SONJA WEYRAUCH: Die heutigen Pferde sind keine klassischen Steppentiere mehr. Und sie werden u.a. durch Zucht und Reitsport gefordert. Auch haben sich die Haltungsbedingungen im Vergleich zum Steppentier geändert: Zivilisationskrankheiten sind entstanden, und klimatische Veränderungen haben Auswirkungen auf die Nährstoffe der Grundnahrung des Pferdes sowie auf den Stoffwechsel selbst. Daher macht eine an das jeweilige Pferd angepasste Fütterung durchaus Sinn.

 

In welchen Situationen kann man Pferde mittels Zusatzmitteln unterstützen?

Eine Unterstützung mit Zusatzfuttermitteln macht beispielsweise in Zeiten großen Stresses Sinn, wie häufige Turnierteilnahmen oder Stallwechsel. Hier können Zusatzfutter- mittel das Nervenkostüm des Pferdes und den sehr stressempfindlichen Magen-Darm- Trakt unterstützen. Aber auch in Zeiten der Rekonvaleszenz nach einer Verletzung, bei Problemen im Fellwechsel oder besonderer Beanspruchung der Muskulatur können Zusatzfuttermittel unterstützen.

 

Wie wirken die „Futterbooster“, die man im Handel kaufen kann?

„Wirken“ ist relativ – schließlich sind es Futtermittel und keine Arzneien. Das heißt, die Inhaltsstoffe können bei bestimmten Pro- blemen wie z.B. bei empfindlichem Magen oder verspannter Muskulatur unterstützen, aber keine Erkrankung heilen. Die „Wirkung“ basiert auf den Inhaltsstoffen und ist daher sehr unterschiedlich. Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wie z.B. Flavonoide können nachweislich antioxidativ und antientzündlich wirken. Auch werden einigen Kräutern aufgrund solcher Inhaltsstoffe oder ätherischen Öle bestimmte, z.B. krampflösende, husten- reizlindernde oder wundheilungsfördernde Eigenschaften zugesprochen. Spurenelemente und Vitamine können ebenso bestimmte Stoffwechselvorgänge fördern.

 

Öl hat einen guten Ruf in der Pferdefütterung. Was halten Sie davon, und wann empfehlen Sie welches Öl?

Öl ist ein hervorragendes Futtermittel. Es liefert deutlich mehr Energie, als es aus leicht verdaulichen Kohlenhydraten wie Stärke und Zucker möglich ist, ohne dabei den Stoffwechsel zu belasten. Denn es enthält keinerlei Zucker, Stärke oder Eiweiß und belastet so weder den Blutzuckerspiegel noch Leber oder Niere. Dabei ist die Energie langfristig verfügbar und führt nicht, wie manchmal bei Getreide üblich, zu „explosionsartigem“ Ver- halten. Besonders empfehlenswert ist Lein- öl aufgrund des hohen Gehalts an essenziellen Omega-3-Fettsäuren, die das Pferd nicht selbst herstellen kann und daher über die Nahrung aufnehmen muss. Aber auch andere Öle wie Mariendistel-, Schwarzkümmel- oder Reiskeimöl finden ihren berechtigten Einsatz in der Pferdefütterung.

 

Gibt es Hausmittel, die als „Futterbooster“ zählen, und wenn ja, welche sind es und welche empfehlen Sie?

Sofern Kräuter als Hausmittel zählen, sind das ideale „Futterbooster“, die man ganz ein- fach im Garten anbauen kann. Auch eine Kräutertee-Mischung aus der Drogerie – ohne Zusätze und Zucker – kann im Stall auf- gekocht und anschließend kalt bis lauwarm verfüttert werden. Die verschiedenen Kräuter und Gewürze haben sich bereits in der Volksheilkunde bewährt und können so auch bei leichten Herz-Kreislauf-Problemen durch die Sommerhitze oder bei kurzfristig auftretendem Hustenreiz unterstützen. Wichtig ist nur immer, bei andauernden Problemen den Tierarzt zu konsultieren. Ansonsten würde ich auf für Pferde entwickelte Produkte setzen und keine Hausmittelchen wie Backhefe oder Natron einsetzen – das kann schnell zu schwerwiegenden gesundheitlichen Problemen führen.

 

Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Mein Pferd hat Probleme damit, Muskulatur aufzubauen, trotz regelmäßigem Training. Wie kann man es unterstützen, und wieso hilft genau dieses Zusatzfutter aus dem Handel bei diesem Problem?

Gelingt der Muskelaufbau trotz durchdachtem Trainingsprogramm und sinnvoll auf- gebauter Trainingseinheiten nicht, können Futtermittel den Muskelaufbau durchaus fördern. Solche Muskelaufbau-Präparate enthalten einen hohen Anteil an Protein und essenziellen Aminosäuren wie Lysin, Methionin und Threonin. Vor allem Lysin und Threonin sind für die Muskulatur und das Bindegewebe entscheidend. Ebenso wichtig ist aber auch die ausreichende Mineralisierung, denn gerade Vitamin E und Selen sind für eine gut funktionierende Muskulatur unerlässlich. Neben reinen „Proteinpulvern“ gibt es mittlerweile auch Mineralfutter, das die Versorgung mit Spurenelementen und Vitaminen sicherstellt und zugleich essenzielle Aminosäuren und Protein liefert.

 

Was sagen Sie zu natürlichen Zusatz­ futtermitteln wie zum Beispiel Kräutern? Wie wirksam sind sie, und was ist zu beachten?

Kräuter sind seit langer Zeit aus der Volksheilkunde bekannt und teils sogar in wissenschaftlichen Untersuchungen getestet worden. Wirksam sind hier vor allem die sekundären Pflanzeninhaltsstoffe, Gerbstoffe und ätherischen Öle. Manche von ih- nen wirken z.B. antioxidativ – schützen also die Zellen vor Schäden – oder entzündungs- hemmend. Zu beachten ist, dass Kräutermischungen meist kurweise gefüttert werden. Zumindest sollte man zwischen ein und der- selben Mischung regelmäßig eine einwöchige Pause einlegen, damit es nicht zu Gewöhnungseffekten kommt. Auch können manche Pferde allergisch auf bestimmte Kräuter oder Gewürze reagieren – bei empfindlichen Pferden sollte man das in jedem Fall berücksichtigen.

 

Wie gefährlich ist eine Überdosierung von Zusatzfutter?

Hält man sich an die Fütterungsempfehlung des Herstellers, kommt es in der Regel zu kei- ner Überdosierung, die gefährlich werden kann. Problematisch wird es, wenn mehrere unterschiedliche Zusatzfutter gegeben wer- den. Dann ist eine Überdosierung verschiedener Inhaltsstoffe schnell passiert. Wie gefährlich das ist, hängt von den überdosierten Inhaltsstoffen ab. Überschüssige Mineralien werden z.B. über die Niere ausgeschieden. Manche Spurenelemente und Vitamine stehen aber auch miteinander in Wechselwirkung: Ist ein Stoff deutlich überdosiert, kann ein anderer gegebenenfalls gar nicht mehr vom Pferd aufgenommen und verwertet werden. Es entsteht ein sekundärer Mangel- zustand, der auf Dauer zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Wirklich gefährlich wird es bei Stoffen, die ab einer bestimmten Menge giftig werden, wie es z.B. bei Selen der Fall ist. Für einen gut durchdachten Futterplan gilt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich!

 

Kann man denn eigentlich ohne Blutbild korrekt zufüttern?

Ganz einfach: Ja. Denn über das Blutbild ist die Nährstoffversorgung des Pferdes nur bedingt analysierbar. Das Blutbild lässt z.B. bei Mineralien wie Kalium, Natrium, Chlor, Phosphor und Magnesium sowie bei den meisten Vitaminen sehr gute Rückschlüsse auf die Fütterung zu. Andererseits ist der Zusammenhang zwischen aufgenommener gefütterter Menge und dem Wert im Blutbild bei Calcium, Zink, Kupfer, Eisen oder auch Vitamin A nur sehr gering, weshalb hieraus z.B. kein Mangel abgeleitet werden. Füttert man ein hochwertiges Mineralfutter, ist das Pferd in der Regel mit allem bedarfsgerecht versorgt. Und das auch in einem optimalen Nährstoffverhältnis.

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