Achtsamkeit durch Pferde lernen Vertrauen und Respekt sind die Basis für eine gute Beziehung zum Pferd. Achtsamkeit kann uns dabei helfen. Das bedeutet, im Moment zu sein und ihn nicht zu bewerten, ­sondern ihn in vollen Zügen zu genießen.

 

Wenn ich vom Stall nach Hause komme, bin ich meistens zufrieden. Mein Kopf ist frei, ich habe neue Energie und spüre, wie die Glücksgefühle tanzen. Ich muss dafür noch nicht mal ein „erfolgreiches“ intensives Training absolviert haben. Es sind auch die vielen kleinen Momente, die zählen. So wie vor Kurzem, als ich nach einer Knieverletzung und einer langen Pause zum ersten Mal wieder auf meiner Reitponystute Lotti saß. Schon beim Putzen war sie unglaublich ruhig und verschmust. Dann ließ sie mich ganz entspannt aufsteigen, obwohl ich dabei Unterstützung brauchte, da ich mein Bein immer noch nicht vollständig bewegen kann. Lotti ist gerade fünf geworden und immer motiviert beim Training. Dabei hat sie viel „Go“, ist aber dennoch sehr unerschrocken. Ich habe sie selbst ausgebildet, und dadurch haben wir eine vertrauensvolle Bindung zueinander, die immer weiter wächst.

nach kurzer Zeit war er entspannt. Pferde spüren nicht nur unsere Stimmung, sondern nehmen die gesamte Atmosphäre um sich herum wahr. Wir sind Selbstversorger und kümmern uns um alles – vom Misten über das Rausstellen bis zum Füttern. Und ja, auch das macht mich glücklich. Weil ich sehe, wie gut es meinen Ponys geht, wie zufrieden sie am Ende des Tages dösen, ihr Heu fressen und ihre Bezugspersonen schon am Gang erkennen, bevor sie diese gesehen haben. Dann wird geblubbert. Beide haben einen starken, eigenen Charakter, den ich sehr mag, weil sie so sein dürfen, wie sie sind.

Uns selbst wieder spüren

Pferde leben im Hier und Jetzt, und wir können genau das durch sie lernen. Dabei geht es nicht nur darum, achtsam gegenüber uns selbst zu sein, sondern uns auch auf unser Pferd einzulassen. Jeder Vierbeiner ist anderes (und das ist auch gut so). Wenn wir es schaffen, voll und ganz im Moment zu sein, können wir uns auf das jeweilige Pferd einlassen. Das geht nicht immer sofort, es ist durchaus ein Prozess, ein Kennenlernen –aus dem sich mehr und mehr ein Verständnis entwickelt. Im häufig sehr hektischen Alltag werden wir jedoch meist zum Gegenteil gezwungen: Es geht um Leistung, um Erfolg – darauf werden auch schon Kinder programmiert. Wir überschreiten unsere Grenzen, ignorieren unsere Bedürfnisse, verlieren vielleicht sogar mehr und mehr den Kontakt zu unserer Gefühlswelt. Stress steht bei vielen Menschen auf der Tagesordnung. Dieser Stress bleibt jedoch nicht einfach brav im Auto sitzen, wenn wir am Stall angekommen sind. Wir nehmen ihn mit, und dann ist auch Frust häufig nicht weit. Mit festen Zielen im Kopf begegnen wir unserem Pferd. Diese lassen sich allerdings nicht immer umsetzen. Das kann dazu führen, dass wir unserem Pferd nicht mit unserer vollen Aufmerksamkeit begegnen, nicht im Moment sein können und im schlimmsten Fall sogar unfair reagieren. Wenn wir doch im Job schon so auf Erfolg geprägt sind, wollen wir auch, dass die Trainingseinheit erfolgreich wird. Aber Pferde sind Lebewesen. Sie haben genauso wie wir mal bessere und mal schlechtere Tage. Zudem sind sie unglaublich feinfühlig und nehmen unsere Stimmungen wahr. Genau deshalb halten sie uns so oft den Spiegel vor. Und das, ohne etwas zu beschönigen.

Tag für Tag lernen

Das Thema Achtsamkeit hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Doch alleine schon mal davon gehört zu haben heißt noch nicht, es auch im Alltag umsetzen zu können. Ein Tipp zu Beginn: Setzen Sie sich nicht unter Druck. Achtsamkeit ist kein Ziel, das Sie erreichen, sondern etwas, das Sie Tag für Tag praktizieren. Etwas, das Sie lernen, und ein Lernprozess, der nicht aufhört. Pferde sind dafür (wie auch andere Tiere) sehr gute Lehrmeister. Achtsamkeit bedeutet, im Hier und Jetzt zu sein und den Moment wahrzunehmen, ohne ihn zu bewerten. Auch das ist nicht gerade etwas, was wir im Alltag lernen. Da wird alles mögliche bewertet, von der Leistung bis zum Verhalten. Wie erfüllen wir die uns zugeschriebenen Rollenbilder? Wie sind wir als Tochter, Sohn, Mutter, Vater und so weiter? Andere nehmen es sich heraus, uns zu bewerten, aber genau das Gleiche machen wir häufig auch mit uns selbst. Das kann verletzend sein und gleichzeitig dazu führen, dass wir alles geben, um Erwartungen zu erfüllen, obwohl uns das nicht guttut. Auch ich schwebe nicht jeden Tag auf Wolke sieben. Ich habe Mentaltraining und Coaching studiert, was nicht heißt, dass ich am Ende meiner Reise bin. Ganz im Gegenteil: Ich lerne weiter dazu, gebe mir Mühe, zu reflektieren und zu beobachten. Das gelingt mir mal gut, und mal merke ich, dass mir ebenso wie vielen anderen Menschen der Druck des Alltags im Nacken sitzt. Gleichzeitig ist mein Kopf Meister darin, mit Gedanken zu jonglieren. Er ist dann schon zehn Schritte weiter, und ich komme nicht mehr hinterher. Pferde können uns genau dann helfen, wieder im Moment anzukommen. Denn nur dann sind wir in der Lage, ihre feinen Signale wahrzunehmen und uns auf sie einzulassen.

Auch ein „Nein“ akzeptieren

In den letzen Monaten gab es einige schlimme Beispiele aus dem Profisport, die gezeigt haben, wie kalt Menschen gegenüber Pferden sein können, und welche Zwangsmaßnahmen eingesetzt werden, wenn es um Geld und Erfolg geht. Ein „Nein“ des Pferdes wird nicht akzeptiert. Es wird einfach gezwungen, weil sich manche Menschen den Tieren überlegen fühlen und ihre Macht ausüben. Achtsamkeit bedeutet, auch ein „Nein“ des Pferdes wahrzunehmen und zu akzeptieren. Bleiben Sie dabei wertfrei und beziehen Sie das Ganze nicht auf sich. Dann können Sie nach möglichen Ursachen suchen. Das beinhaltet in vielen Fällen auch Selbstreflexion. Denken Sie wieder daran, dass Pferde unser Spiegel sind. Geben Sie sich dabei keine Schuld, sondern arbeiten Sie daran, es besser zu machen. Wenn Sie es schaffen, Ihr Pferd als Ihren Lehrmeister anzusehen, der Sie auf Ihrem Weg begleitet, haben Sie bereits einiges gelernt. Des Weiteren können Sie viel verändern, wenn Sie sich Zeit nehmen, um in Ruhe an sich selbst zu arbeiten und dann gemeinsam mit dem Pferd. Ein Beispiel: Sie sind noch gestresst und angespannt vom Arbeitstag und wollen einen entspannten Ausritt machen. Ihr Pferd spürt den Stress aber ganz genau und wird unruhig. Sie selbst kommen schnell an Ihre Grenzen und reagieren ungeduldig oder frustriert. Wenn wir uns so verhalten, kann das manchen Pferden richtig Angst machen. Schließlich haben Sie doch eigentlich alles „richtig gemacht“: Sie haben einfach nur auf unsere Anspannung reagiert. Selbstreflexion kann mit Schmerz verbunden sein. Vielleicht spüren wir Schuldgefühle unserem Pferd gegenüber. Es tut uns leid, wenn wir uns unfair verhalten haben. Nehmen Sie das als Anlass, sich weiter mit dem Thema Achtsamkeit zu beschäftigen.

 

Text: Aline Müller, Foto: slawik.com

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