Nein, ein Pferd kann nicht simulieren. Was es aber sehr gut kann, ist, Schmerzen zu kompensieren.

Schmerzt das rechte Vorderbein, wird es sein Gewicht zwangsläufig mehr auf das linke Vorderbein verlagern. Um dies aber für einen längeren Zeitraum tun zu können, muss es seinen gesamten Bewegungsablauf an die neue körperliche Situation anpassen. Nur so lässt sich der Schmerz verteilen. Solche und andere Kompensationsvorgänge waren in der freien Natur wichtig und entschieden nicht selten über Leben und Tod.

Der Grund? Das Pferd ist ein Beutetier. Zeigt es Schmerzen deutlich an, könnte es zu einem bevorzugten Opfer für ein Raubtier werden. Also tut es alles dafür, eventuelle Einschränkungen auszugleichen. Dazu zählen neben Schmerzen auch Verspannungen und Dysbalancen sowie Probleme durch unpassende Ausrüstungsgegenstände oder falsche bzw. störende reiterliche Einwirkungen. Genau hier liegt dasgroße Problem. Selbst für geschulte Experten ist es nicht immer einfach, versteckte Schmerz-Symptome, die auf eine subtile Lahmheit hindeuten, frühzeitig zu erkennen und ihre Ursache(n) zu finden. Doch das wäre wichtig.

Die offensichtlichen, deutlich erkennbaren Lahmheiten stellen nämlich meist das Ende einer negativen Entwicklungskette dar, der lange Zeit vorher bereits kompensatorische Vorgänge vorausgegangen sind. Die Liste der Symptome ist lang: u.a. leichtes Tickern, Veränderungen im Bewegungstempo, Probleme in Wendungen, Schwierigkeiten bei bestimmten Bewegungen (z.B. beim Wechsel in eine neue Gangart, beim Angaloppieren, Zulegen oder Rückwärtsrichten), Auf-der-Vorhand- Laufen, mangelnde Hinterhandaktivität, fester Rücken, Anlehnungsprobleme. Also, all solche Probleme, die oft als Rittigkeitsproblem bezeichnet werden.

Verschiedene Lahmheitsgrade

Der Tierarzt unterscheidet in der Regel fünf Lahmheitsgrade:

L 1: Bei einer subtilen Lahmheit zeigt sich eine minimale Taktverschiebung, die nicht zwangsläufig schmerzhaft sein muss, sondern auch eine Dysbalance darstellen kann.

L 2: Es zeigt sich eine undeutliche Lahmheit, die im Schritt nicht erkennbar ist, im Trab nur für ein geschultes Auge.

L 3: Der Beobachter erkennt eine deut- liche Lahmheit im Trab, die aber im Schritt nur wenig sichtbar ist.

L 4: Das Pferd zeigt sowohl im Schritt als auch im Trab eine massive Lahmheit.

L 5: Wird das Bein nicht mehr aufgesetzt, liegt eine höchstgradige Lahmheit vor. Jede Gangstörung sollte ernst genommen werden, auch wenn sich viele nach ein paar Tagen Ruhe bessern. Das kann aber keine generelle Empfehlung für Lahmheiten sein. Es gilt: Lieber einmal mehr den Tierarzt rufen als zu wenig.

Absolute Notfälle sind starke oder plötzlich auftretende Lahmheiten. Denn nur der Experte kann zweifelsfrei erkennen, woher die Lahmheit kommt und welche Folgen sie nach sich ziehen kann.

Wichtig: Vor einer tierärztlichen Lahmheitsuntersuchung sollte das Pferd keine schmerzlindernden Medikamente bekommen. Das würde die Bewegungsanalyse verfälschen.

Text: Inga Dora Schwarzer    Foto: www.Slawik.com

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