Je nach Art und Lage des Haarrisses kann eine konservative Behandlung ohne Operation die Methode der Wahl sein. „Das ist bei einer bestimmten Konfiguration der Fissur (z.B. dem Röhrbein, der Tibia (Unterschenkel) oder dem Radius (Unterarm)) möglich, besonders wenn keine Gelenksbeteiligung und keine Dislokation vorhanden sind“, sagt Dr. Andrea Nogue- ra, Leiterin der Orthopädischen Chirurgie in der Hanseklinik Sittensen.
Es müsse jedoch klar sein, dass es ganz plötzlich zu einer Instabilität kommen könnte und die Fissur somit zur instabilen Fraktur würde, was in manchen Fällen ein Todesurteil fürs Pferd bedeuten würde. „Läuft alles nach Plan, und die Fissur ver- schlechtert sich nicht über die Zeit, braucht der vierbeinige Patient je nach Diagnose mindestens sechs Wochen Boxenruhe, bevor auch hier langsam mit dem Schrittführen begonnen werden kann“, empfiehlt die Tierärztin. Für die gesamte Heilung müsse ein Zeitraum von etwa drei bis vier Monaten eingeplant werden. Bei einer frühzeitigen und richtigen Behandlung könnten Pferde nach einer ausgeheilten Fissur in der Regel wieder geritten werden.
Zu den weiteren Komplikationen zählen die Belastungsrehe an der kontralateralen Gliedmaße und Verdauungsstörungen (u.a. Koliken) aufgrund von Bewegungsmangel.
Ähnliche Problematiken weist die Fraktur auf, die früher fast immer ein Todesurteil für den Vierbeiner darstellte. Frakturen entstehen, wie Fissuren auch, meistens durch Trittverletzungen anderer Pferde, aber ebenso durch Stürze. Häufig brechen solche Knochen, die mit wenig Haut und Gewebe umgeben sind (wie z.B. Griffelbein, Röhrbein etc.). Auch Scherkräfte, denen ein Knochen bei der Landung nach einem Sprung ausgesetzt ist, können zu einer Fraktur führen. Häufig davon betroffen sind die Zehenknochen. Es kommt sofort zu einer hochgradigen, akuten Lahmheit. „Das Pferd kann seine instabile Gliedmaße nicht mehr belasten und steht auf drei Beinen. Es zeigt Panik, weil es als Fluchttier nicht mehr flüchten kann“, weiß Dr. Noguera. Hier ist es wichtig, erst mal Ruhe zu bewahren, das Pferd so ruhig wie möglich zu stellen, nicht großartig zu bewegen und den Tierarzt sofort anzurufen. Dieser sediert das Pferd, macht Röntgenbilder und immobilisiert die Gliedmaße. Dann wird entschieden, wie der weitere Verlauf ist. „Entweder geht es per Anhänger in die Klinik, oder die Chance auf Heilung ist hoffnungslos, und das Pferd muss eingeschläfert werden“, so die Expertin.
Fast alle Frakturen müssen chirurgisch durch Metallimplantate (Schrauben und/ oder Platten) versorgt werden. Ziel einer Operation ist es, eine anatomische Rekonstruktion zu erzielen, die eine bestmögliche Stabilität für den betroffenen Knochen bietet. Die Therapie danach hängt zwar in erster Linie vom entstandenen Schaden ab. Mindestens sechs bis acht Wochen Boxenruhe mit anschließendem Schrittgehen stellt aber für alle Patienten den Anfang der Genesungsphase dar.
Beinverletzung: Unterschiedliche Prognosen
Brüche haben, je nach Art und Lokalisation, heute gute Heilungschancen, wenn man sie rechtzeitig chirurgisch behandelt. „Bestimmte Brüche weisen sogar eine bessere Prognose auf als einige ernsthafte Weichteilverletzungen“, meint die Tierärztin. Es kommt aber immer auf die Lage, Art und Komplexität der Fraktur sowie auf das Alter und Gewicht des Pferdes an. „Solche, die an den unteren Teilen der Gliedmaßen entstehen, sind in der Regel einfacher zu managen, als solche in den oberen Teilen (Ober- und Unterarm, Ober- und Unterschenkel). Letztere müssen eine große Last tragen, die zum Problem werden kann. Kompliziert sind immer auch Trümmerbrüche“, weiß die Expertin. Zudem sei eine Fraktur bei einem ausgewachsenen Großpferd generell schwieriger zu behandeln als bei einem Fohlen, Jung- oder Kleinpferd. Auch hier würde das hohe Gewicht zum Problem. „Etwa drei bis fünf Monate benötigt eine Fraktur für die Heilung. Und ja, man kann – je nach Fall natürlich – nach einer Fraktur mit dem Pferd sportlich wieder unterwegs sein. Das ist möglich“, so Dr. Noguera abschließend.
Text: Inga Dora Schwarzer Foto: www.Slawik.com
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