Vor Jahren kaufte sich der gelernte KFZ-Mechaniker Georg Stevens ein Kaltblut und nahm es mit in den Wald. Hobbymäßig fing er mit dem Holzrücken an, brachte sich und seinem Pferd alles selber bei und hing irgendwann seinen Beruf an den Nagel. Heute betreibt er gemeinsam mit seiner Frau NicolaBasten die Fuhrhalterei Stevens, einen RAL-zertifizierten Holzrückebetrieb

Lumpi ist gerade erst im Sommer zu ihnen gekommen, nachdem sein Vorgänger, der erfahrene Sam, im Alter von nur zehn Jahren an einer Kolik gestorben war. „Das tut immer noch weh“, gesteht Nicola. „Die Pferde sind unsere Kollegen und Familienmitglieder, und Sam hat immer so toll auf mich aufgepasst. Wenn ich hingefallen bin, ist er sofort in der Bewegung eingefroren und hat sich umgedreht, ob alles in Ordnung ist.“ Sein Nachfolger Lumpi ist gerade mal fünf Jahre alt und macht, so Nicola, in den letzten Monaten schon große Fortschritte. „Er konnte am Anfang nichts, und jetzt fährt er schon mit dem Planwagen durch Xanten.“

Für einen Großteil der Arbeiten ist jedoch der zuverlässige Sepp zuständig – auch heute. Nachdem Georg und Nicola ihn vom Hänger geladen haben, legen sie ihm das Rückegeschirr an. Sie verwenden ein bayerisches Spitzkummet mit einem dicken Schulterkissen, mit dem Druckstellen bei schwerem Zug verhindert werden sollen. Der Vorteil gegenüber dem häufig genutzten Brustblattgeschirr ist, dass durch die Last kein Druck auf den Brustkorb entsteht und die Atmung so nicht behindert wird. Die Baumstämme werden später mithilfe einer Kette am Schwebe-Ortscheit befestigt, damit das Pferd sie möglichst mühelos in die Rückegasse ziehen kann. Früher wurde vor allem das Boden- Ortscheit genutzt, davon ist man mittlerweile abgekommen. „Beim Schwebe-Ortscheit kann das Pferd in engen Wendungen nie über den Strang treten“, erklärt Nicola. Das Boden-Ortscheid kann sich hingegen leicht im Unterholz verheddern und das Pferd behindern. „Die Arbeit ist so viel effektiver und für uns rückenschonender. Man braucht nicht ständig anzuhalten und sich zu bücken, um verfangene Äste herauszuziehen.“

In Belgien und Luxemburg wird seit Jahren mit dem Schwebe-Ortscheit gearbeitet, doch hierzulande ist der Trend in der Holzrückerszene gerade erst aufgekommen. Zum Schluss wird Sepp der Schweif eingeflochten und mit einer Bandage zusammengebunden, damit sich der Schweif nicht im Ortscheid verheddert. „Früher wurden die Schweife kupiert“, berichtet Nicola Basten, „aber heute ist das zum Glück verboten!“

Holzrücker-Pferde: Schutz für Rücken, Schweif und Hufe

Das Holzrücken selber ist zwar ein für Mensch und Pferd körperlich anstrengender, aber so entspannend leiser Vorgang, dass man jedes Vogelzwitschern und Knacken von Ästen, über die Sepp mit seinen riesigen Hufen tritt, genau hört. Wie jedes Rückepferd ist er so punktgenau ausgebildet, dass er auf einfache Stimmkommandos und ein leichtes Ziehen an der Leine reagiert. Georg und Sepp beeindrucken hier als eingespieltes Team: Leichtfüßig wie eine Ballerina spaziert das gewaltige Kaltblut über das Unterholz, tritt nie daneben und zieht die fünf Meter langen Fichtenstämme treffsicher an ihren Platz, wo am Ende alle säuberlich aufgereiht nebeneinander liegen. Auf „Wir“ geht es (weiter) vorwärts, auf „Vista“ biegt Sepp nach links ab, auf „Hot“ nach rechts. Wenn Georg „Jäh vista“ sagt, dreht Sepp sich auf der Stelle links herum, bei „Jäh hot“ rechts herum. Auf „Ho“ hält er auf der Stelle an, und auf „Zurück“ legt er den Rückwärtsgang ein. Georg vergisst niemals, Sepp mit „Fein gemacht, mein Jung!“ zu loben, wenn er wieder einen Stamm an seinen Platz in der Rückegasse gezogen hat. Das quasi blinde Verständnis mit seinem Pferd ermöglicht ihm nicht nur, mit nur einem Zügel zu arbeiten – üblich sind Leinen links und rechts – sondern es ist auch elementar für seine eigene Sicherheit. Sepp weiß etwa, dass er nach dem Rücken so lange stehenbleiben muss, bis Georg die Stämme gelöst hat. „Die Kette darf nicht auf Spannung sein“, erklärt Nicola. „Sonst kriegt man den Schlinghaken nicht ab. Wenn er dabei zu früh losrennt, und man hat die Finger dazwischen, dann sind sie ab.“

Gemeinsam bugsieren sie die gewaltigen Stämme zwischen den stehenden Bäumen hindurch – ein schwieriges Unterfangen. Der Stamm darf die Bäume nicht berühren, da dort sonst die Rinde abgeht und Feuchtigkeit und Pilze ungehindert eindringen können. „Das sollte man tunlichst vermeiden“, warnt Georg Stevens. „Die Zertifizierung besagt, dass auf einer Länge von 100 Metern nur ein Baum beschädigt werden darf.“ Deshalb kommt es darauf an, die Kurven richtig zu nehmen. An manchen Stellen, wo die Bäume sehr eng stehen, lotst er Sepp sogar nur mit Stimme hindurch, da er mit der Leine nicht hinterherkommt.

Wie häufig kann Sepp die schweren Stämme ziehen, einen nach dem anderen? „Natürlich würde er auch sein eigenes Körpergewicht schaffen“, erklärt Georg. „Das wäre dann ein dicker, zehn Meter langer Stamm. Das macht er aber auch nur einmal, und das war’s dann für den Tag.“ Wenn ein Stamm jedoch maximal 250 bis 300 Kilogramm wiegt, kann Sepp problemlos den ganzen Tag damit arbeiten. „Das ist das ideale Maß.“

Die Kräfte richtig einteilen

Am Ende des Tages liegen die Stämme fein säuberlich aufgereiht nebeneinander – fast, als hätte jemand sie zentimetergenau abgemessen. „Es wird schon darauf geschaut, dass die Stämme parallel liegen und auch abschließen“, erklärt uns Georg. Die meisten davon rücken sie als Auftrag, meist für die Förster. Einen Teil verarbeiten sie im heimischen Betrieb zu Kaminholz und verkaufen es weiter. Fichte ist häufig als Papierholz vorgesehen, Buche und Eiche als Wertholz, meist für Furniere. Die Traubenkirschen braucht jedoch niemand mehr.

Sepp nimmt eine Kostprobe und knabbert an den dürren Zweigen. Hier darf er das; in Wäldern mit hochgiftigen Eiben trägt er zum Schutz eine Fressbremse. „Wir sind ja für unsere Pferde verantwortlich“, betont Nicola. „Und so schnell kann man gar nicht gucken, wie sie irgendwas anknabbern. Gerade das Kaltblut frisst einfach immer gern.“ Das darf Sepp nun zu Hause in seinem Offenstall auch tun. Für heute ist Feierabend.

Text: Julia Schay-Beneke     Foto: Daniel Elke 

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