Richtig gut sitzen

Marmeladenglasmomente

Der Kaffee dampft am Sonntagmorgen auf dem Sofatisch, und ich sitze im „Sukhasana“ (Schneidersitz) da. Mir wurde im Yogakurs gesagt, dass dieser sich sehr gut als Meditationshaltung und zur gesunden Körperentspannung eignet. „Dann schauen wir mal, was du kannst“, denke ich mir und scrolle mich konzentriert auf meinem Handy durch Kleinanzeigen und Auktionsseiten, die mir unzählige Gemälde zeigen. Dieses Suchen wurde in letzter Zeit ein echtes Faible von mir. Ich lasse mich gerne für Dinge begeistern, die erkennen lassen, dass jemand mit echter Passion daran gearbeitet hat. Objekte, die mit Leidenschaft erschaffen wurden, haben einfach „mehr Seele“ als industriell hergestellte Dinge. Von diesem neuen Interesse gepackt, möchte ich in meinem Haus eine Bilderwand zusammenstellen mit Gemälden aus verschiedenen Epochen in unterschiedlichen Stilen. Bei all den Bildern, die an meinem Auge vorbeiziehen, bleibt mein Blick plötzlich an einem haften. Es zeigt das Meer, Berge im Hintergrund und im Fokus einen Sonnenuntergang, der die schönsten Farben hinter einer Quellwolke aufscheinen lässt – ein Moment, der so bezaubernd wirkt, dass man ihn gerne festhalten möchte und in einem Glas einschließen will, sodass man es immer wieder herausholen und betrachten kann. Ich schaue mir das Bild bis in die Details an, und obwohl das Motiv vordergründig recht einfach ist, vergeht doch eine ganze Weile, die ich im Yogasitz mit dem Kaffee in der einen und meinem Smartphone in der anderen Hand verbringe und dabei ganz im Augenblick lebe.

Die Schönheit im Hier und Jetzt zu genießen – das sollten wir viel häufiger tun. Wir alle kennen diese Momente, die sich uns einbrennen, weil sie uns so berühren und erfüllen. Gestern Abend stand ich an den Weidetoren und blickte hinunter auf die noch schön belaubten Bäume des Waldes, der an die Wiesen grenzt und über dem die Sonne unterging – wie auf dem Gemälde, das ich mir angesehen hatte. Die Lila- und Rosatöne flossen wie in einem Aquarell ineinander und schufen diese einzigartige Stimmung, wie wenige andere Naturereignisse es können – Marmeladenglasmomente!

Selten sind Menschen so ruhig und geduldig wie im Moment eines Sonnenuntergangs, und so stand auch ich da und wartete auf die letzten verblassenden Farbspiele am Himmel, fühlte mich mit den Elementen verschmolzen und sah etwas wehmütig zu, wie der schöne Schein an mir vorbeizog.

Die Wunder des Alltags achtsam wahrzunehmen und in ihnen zu verweilen lässt uns alle glücklicher zurück. Unsere Pferde und unsere Leidenschaft für sie geben uns jeden Tag unendlich viele Chancen, das Glück im Moment wahrzunehmen. Wir müssen es nur zulassen und genießen.

Ich wünsche Ihnen viele „Marmeladenglas- momente“ an Ihrem Lieblingsort!

Lara Wassermann

Chefredakteurin Mein Pferd 

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