Leider sind Fehler in Sachen Anlehnung sehr häufig vorhanden. Die korrekte Haltung muss manchmal regelrecht gesucht werden, erkennt man auf so manchen Abreiteplatz.
Ein besonders häufig vorkommender Fehler ist die Stirn-Nasen-Linie hinter der Senkrechten. Der höchste Punkt liegt dabei im ersten Drittel des Halses. Die Reiterhand wirkt deutlich zu stark auf das Pferd ein und zwingt es so in diese Haltung. Korrektur erfolgt durch eine weichere Hand und feinere Verbindung zum Pferdemaul. Uta Gräf erklärt, dass sie bereits viele Pferde kennengelernt hat, die so leicht im Genick waren, dass sie sehr leicht hinter die Senkrechte hätten geraten können. „Bei diesen Pferden reite ich in häufig wechselnder Aufrichtung und mit vielen Übergängen, baue zudem Tempounterschiede stetig mit ein. Das alles fördert bei solchen Pferden die Anlehnung immens.“ Das Reiten von vielen Übergängen ermöglicht dem Reiter, sich vermehrt auf das Pferd und wie es sich dabei anfühlt zu konzentrieren und zu erkennen, warum welche (Fehl-)Haltung entsteht. Auch für Fortgeschrittene bedarf es dabei viel Übung. Anfänger bei der Ausbildung eines Pferdes sollten auf jeden Fall immer einen erfahrenen Trainer auf den Prozess blicken lassen. Auch auf dem Zügel aufgestützte Pferde sind ebenfalls keine Seltenheit. Sie stützen sich am Gebiss ab und treten dadurch nicht genügend mit der Hinterhand an das Gebiss heran. Durch angemessenes Annehmen und Nachgeben und Aktivieren der Hinterhand durch vermehrtes Treiben kann hier eine Besserung eintreten. „Immer treiben, treiben, treiben“, erklärte auch bereits der ehemalige Leiter der Abteilung Ausbildung bei der FN, Christoph Hess. Die Koryphäe im Bereich Ausbildung betont, dass zum Treiben das Abwarten mit der Hand gehört. Wer versucht, sein Pferd durch Gegenhalten und Riegeln in eine bestimmte Form zu zwingen, der blockiert den Rücken des Pferdes und damit die Tätigkeit der Hinterbeine.
Anlehnung Fehler: Falsche Knicks und Verwerfen
Zahlreiche Pferde weichen auch den Zügelhilfen nach hinten aus und nehmen diese überhaupt nicht an. Die daraus folgende Verbindung zum Pferdemaul ist teils kaum vorhanden. Mit einem Trainer, der von unten die Handhaltung genau im Blick hat und korrigiert, kann diese Problematik oft behoben werden. Im Mittelpunkt steht hierbei die Arbeit an einer fein führenden und weich agierenden Reiterhand, welche dem Pferd dennoch die nötige Sicherheit gibt. Longieren kann beim Abbau dieser Problematik ebenfalls sinnvoll sein. „Wenn Pferde relativ stark im Genick sind und tendenziell eher gegen die Reiterhand gehen, sind Übergänge ebenfalls eine gute Möglichkeit, um eine korrekte Anlehnung zu erarbeiten“, betont Uta Gräf. „Dabei nutze ich die letzten Tritte vor dem Parieren, um die Bewegungsenergie federnd abzufangen, um die Pferde nicht im Vorwärts zu blockieren. So wird es möglich, dass das Pferd sich vom Gebiss abstoßen kann und in vermehrte Selbsthaltung kommt. Dadurch nimmt es die Last auf die Hinterhand vermehrt auf und ermöglicht sich dadurch, leicht an der Hand zu werden.“ So ist es möglich, die feine Verbindung zur Reiterhand herzustellen und die Nase vorzulassen, erklärt Gräf. „Diesen Rahmen mit mehr geöffnetem Ganaschenwinkel versuche ich dann in das erneute Antragen oder -galoppieren mit hineinzunehmen.“
Auch der sogenannte „falsche Knick“ kommt immer wieder vor. Hierbei ist der höchste Punkt beim Pferd zwischen dem dritten und vierten Halswirbel und nicht am Genick. Auch hier spielen wiederum die rückwärts wirkenden Hände des Reiters in vielen Fällen – neben einer vielfach genetischen Disposition des Pferdes (auch bei bestimmten Rassen) – eine wichtige Rolle. Die Korrektur erfordert bei jungen wie auch bei älteren Pferden vor allen Dingen Zeit. Häufig praktiziertes „Zügel aus der Hand kauen lassen“ unterstützt den Prozess ebenso wie energischeres Treiben.
Und dann wäre da noch das bekannte „Verwerfen im Genick“. Oft benutzt wird dieser Begriff und leider sieht man die ungesunde Haltung auch ebenso oft bei Freizeit- und Turnierpferden gleichermaßen. Das Pferd hält dabei den Kopf schief und weicht der Stellung durch den Reiter aus. Das Verwerfen kann entweder entstehen, wenn das Pferd nur mangelhaft gerade gerichtet ist, oder aber, wenn die Stellung zu deutlich und durch übermäßigen Handeinsatz erzeugt wurde. Korrigiert werden kann eine derartige Problematik, die leider in vielen Fällen schon dauerhaft vorhanden ist, durch das erneute Ausarbeiten einer leichten und dennoch für das Pferd sicheren Anlehnung unter Anleitung eines Trainers. Die Selbsthaltung des Reiters sollte dabei ständig überprüft werden, denn hier liegt in den allermeisten Fällen die Crux. „Es ist immens wichtig, dass der Reiter sich seines Körpers bewusst wird. Das gelingt nur durch stetige Schulung der Haltung und Wahrnehmung. Aber wenn ihm das erst einmal bewusst ist, geht vieles im Sattel viel leichter“, erklärt Uta Gräf. Sie ist deshalb auch ein großer Fan von Sitzschulung – auch für fortgeschrittene Reiter. „Dadurch entsteht ein ganz anderes Körperbewusstsein.“ Bei der Korrektur des Verwerfens des Genicks ist es stets wichtig, auf einen geöffneten Hals-Ganaschen-Winkel zu achten. Das gelingt am besten dem achtsamen Trainer am Rand der Bahn.
Hilfszügel können beim Prozess der Ausarbeitung einer korrekten Anlehnung übrigens unterstützend wirken und sollten nicht aufgrund von falscher Eitelkeit („Ich kann das auch ohne von Anfang an“) aussortiert werden, betonen die Experten. Allerdings ist die korrekte Verschnallung Voraussetzung für eine sinnvolle Nutzung.
Text: Alexandra Koch Foto: Holger Schupp