PSSM2 – zugegebenermaßen haben wir alle diese Buchstaben- und Ziffernkombination schon mal im Stall gehört. Für manche Pferdehalter erscheint sie wie ein großes Schreckgespenst, von Pferden mit andere halten sie für eine Art Modeerkrankung, bei der nichts so heiß gegessen wie gekocht wird. Doch was steckt am Ende wirklich hinter PSSM2? Was bedeutet die Erkrankung für die betroffenen Pferde? Und wie häufig kommt sie vor? Wir haben einige Erkenntnisse und Forschungsergebnisse für Sie zusammengetragen.

An erster Stelle muss eine Erklärung stehen, was sich hinter dem Begriff „PSSM2“ überhaupt verbirgt. Dr. Melissa Cox – eine gebürtige Kanadierin, Biologin und promovierte Genetikerin, die heute in Tübingen als wissenschaftliche Leiterin der „Generatio GmbH – Center for Animal Genetics“ tätig ist – ist eine renommierte Expertin auf diesem Gebiet. „PSSM2 ist ein Oberbegriff für eine Gruppe von Muskelerkrankungen mit ähnlichen Symptomen“, erläutert sie.

PSSM2 – Vier Buchstaben, eine Zahl – und?

„PSSM“ an sich steht übrigens für „Polysaccharide Storage Myopathy“, also die „Polysaccharid-Speichermyopathie“ oder „Polysaccharid-Speicherkrankheit“. Man unterscheidet allerdings zwischen PSSM Typ 1 und PSSM Typ 2. Typ 1 tritt vor allem bei Quarter Horses und Kaltblütern auf. Es handelt sich hierbei um eine fehlerhafte Einlagerung von Zucker in den Muskeln. Typ 2 kommt, wie Dr. Cox erwähnt, deutlich vielfältiger daher. Ursache ist jedoch hierbei nicht eine fehlerhafte Zuckereinlagerung, sondern ein Defekt in der Muskelstruktur. Der Name „PSSM“ ist daher bei Typ 2 irreführend, hatte sich jedoch bereits eingebürgert, als die Forscher immer mehr Details ans Licht brachten. So wurde er beibehalten. Mit PSSM Typ 1 hat PSSM Typ 2 jedoch rein gar nichts zu tun. Die Erbkrankheit ist zudem durch ihre vielfältigen Symptome sehr schwer zu erkennen und diagnostizieren. „PSSM2 ist letztendlich ein Sammelbegriff für eine Reihe von Symptomen, bei denen die Pferde eine Bewegungsintoleranz zeigen, aber der Gentest auf PSSM1 negativ ausfällt“, so Dr. Melissa Cox.

Lange Zeit wurde PSSM2 ausschließlich durch eine Muskelbiopsie festgestellt. Doch hier traten schnell Schwierigkeiten auf. „Eine Biopsie stellt immer nur eine Momentaufnahme dar“, betont unsere Expertin. „Diese Biopsien fielen in der Vergangenheit daher sehr häufig negativ aus, wenn gerade keine akute Symptomatik beim Pferd vorhanden war. Ein Gentest ist die deutlich bessere Lösung für eine Diagnose.

PSSM2: Seit den 90ern bekannt

Bekannt ist PSSM bereits seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Diese waren eine Zeit, in welcher auch viele andere Erkrankungen von Pferden erstmals Erwähnung fanden. Verantwortlich dafür sind verfeinerte Testverfahren und die Tatsache, dass viele Möglichkeiten der Genetik erst zu diesem Zeitpunkt erforscht und entsprechende Tests angewandt wurden. Kurz: Die späten 90er und die 2000er Jahren brachten Möglichkeiten mit sich, die man so zuvor nicht hatte. Kein Wunder also, dass einige – insbesondere genetisch bedingte Erkrankungen – zu diesem Zeitpunkt (meist unrühmliche) Bekanntheit erlangten. „2008 kamen Forscher zu dem Ergebnis, dass es nicht nur einen einzigen Typ PSSM gibt“, so Dr. Melissa Cox. „Die Forschung in dieser Richtung wurde maßgeblich von der American Quarter Horse Association unterstützt, da es unter Quarter Horses besonders viele Fälle zu geben schien. Es stellte sich aber im Zuge der Forschung heraus, dass dies eben nur auf PSSM Typ 1 zutraf, sich PSSM Typ 2 jedoch über alle Pferderassen hinweg erstreckt.“

Allerdings konnten auch hier leichte Unterschiede über die Rassen hinweg festgestellt werden. Insbesondere leicht bemuskelte und höher im Blut stehende Pferde sind verstärkt von PSSM2 betroffen. Die Erkrankung wird meist im Alter von etwa sieben bis zehn Jahren diagnostiziert. Leichtere Symptome gibt es bei manchen Tieren allerdings schon zwischen drei und fünf Jahren. Wann die ersten Symptome auftreten, scheint teilweise von der jeweiligen Rasse abzuhängen, teilweise jedoch auch von den Umweltbedingungen, unter welchen das Pferd aufwächst und lebt. „Wichtig ist zu erwähnen, dass PSSM2 in der Regel erst viele Jahre, nachdem das Pferd die Geschlechtsreife erreicht hat, symptomatisch wird. So kann sich die Erkrankung natürlich leicht innerhalb der Pferdepopulation verbreiten“, betont Dr. Melissa Cox.

„Der Erbgang ist autosomal unvollständig dominant, was bedeutet, dass eine Kopie im Genom ein Problem verursachen kann, aber mehrere Kopien ein größeres Problem nach sich ziehen“, erläutert die Expertin. „Das ist nachvollziehbar, aber es gibt noch eine Menge Fragen, wie genau man deshalb PSSM2 als Erkrankung einschätzen muss.“ Sie stellt klar: „Wenn beide Elterntiere keine genetische Mutation aufweisen, kann sie auch nicht auf das Fohlen übertragen werden. Es muss somit nicht separat getestet zu werden.“ Sicher ist bislang zudem, dass es nicht nur eine genetische Veranlagung gibt, sondern Umweltfaktoren wie Fütterung und Bewegung ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung und den Schweregrad der Symptome haben.

Letztendlich handelt es sich bei beiden PSSM-Typen um eine bereits jahrhundertalte Genmutation. „Mutationen bieten häufig einen besonderen Vorteil für die jeweilige Spezies. Im Fall dieser Mutation ist es möglich, dass sie dahingehend unterstützt, dass Pferde in karger Umgebung besser zurechtkommen“, so die Expertin.

Text: Alexandra Koch      Foto: www.Slawik.com

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