Welche Rolle spielt die genetische Veranlagung bei der Entstehung von Stoffwechsel- beziehungsweise Zivilisationskrankheiten des Pferdes?
Die Fachrichtung der Umweltmedizin ist in der humanen Medizin bereits vom Robert- Koch-Institut als interdisziplinäres Fachgebiet definiert, das sich in Theorie und Praxis mit den gesundheits- und krankheitsbestimmenden Aspekten der Mensch-Umwelt-Beziehung befasst. Umweltfaktoren beziehungsweise -expositionen und deren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit gelten als zentraler Fachgegenstand. Dazu nutzt die Umweltmedizin Methoden verschiedener Arbeitsrichtungen (wie Epidemiologie, Monitoring und Toxikologie). Außerdem verfügt sie über Anteile im Bereich der allgemeinen und psychosozialen klinischen Medizin. In der Tierheilkunde ist diese Fachrichtung allerdings noch nahezu völlig unbekannt und nicht weit erforscht. Doch genau wie wir Menschen sind auch unsere Pferde bestimmten Umweltfaktoren ausgesetzt. Sie atmen mehr oder weniger verschmutzte Luft ein und kommen gegebenenfalls mit Toxinen, also giftigen Substanzen, in Kontakt.
Wo besteht nun ein Zusammenhang zwischen Umweltmedizin und Zivilisationserkrankungen? Dr. Tina Maria Ritter erklärt es an dem Beispiel einer Schwermetallbelastung: „Aus der humanen Umweltmedizin wissen wir: Eine Schwermetallbelastung geht mit diffusen Symptomen einher. Kopfschmerzen, Übelkeit, Schlafstörung, Müdigkeit, Schwäche oder auch neurologische Auffälligkeiten gehören zu dem Symptomenkomplex, der sich oft therapieresistent darstellt.“ Als Schwermetallquellen für den Menschen sind unter anderem industrielle Emissionen, die Belastung der Meere oder auch Blei in den Wasserleitungen bekannt.
Stoffwechselerkrankung Pferd HPU: In neue Richtungen denken
„Ein Umdenken tut not. Wir brauchen gute Labore, die Schadstoffbelastungen auch bei unseren Tieren detektieren können. Wir brauchen Menschen, die ihren Tieren ursächlich helfen wollen. Und auch Tierärzte und Therapeuten, die das Pferd in seinem Kontext sehen und ganzheitlich behandeln wollen“, hebt unsere Expertin hervor. Zudem sei einiges an Forschung notwendig, und Pferde, die an Zivilisationskrankheiten litten, sollten unter anderem auf eine weit verbreitete Stoffwechselstörung namens HPU (Hämopyrrollaktamurie) hin untersucht und gegebenenfalls behandelt werden. „Wenn wir den Verdacht haben, dass das Pferd an einer Stoffwechselstörung leidet, dann haben wir als Pferdehalter in der Regel schon viele Tierarztbesuche hinter uns und viel ausprobiert“, so unsere Expertin. „HPU bleibt und bedeutet: Mein Pferd hat einen besonderen Stoffwechsel, und zwar sein Leben lang.“ Genauer gesagt ist Hämopyrrollaktamurie eine Störung des sogenannten Hämsynthesestoffwechsels. „Dabei wird zu wenig von dem benötigten Stoff Häm gebildet, und stattdessen fallen neben dem Endprodukt Häm giftige Zwischenprodukte an, nämlich die Hämopyrrollaktame (HPL). Dieses HPL muss mithilfe von Zink, Mangan und aktivem Vitamin B6 entgiftet werden. Dabei kann es zum Mangel an diesen wichtigen Mikronährstoffen kommen“, heißt es im Buch „Stoffwechselerkrankungen bei Pferden“ von Dr. Tina Maria Ritter. Aus diesem Grund haben Pferde mit HPU einen erhöhten Bedarf an diesen Mikronährstoffen und damit auch der körpereigenen Substanz Häm.
Text: Aline Müller Foto: www.Slawik.com