Der Kappzaum ist ein ­tolles Werkzeug, um an der ­Stellung und Biegung zu arbeiten und das Pferd zu gymnastizieren. Auf dem Markt gibt es eine ­ Vielzahl unterschied­licher Kappzäume – wir zeigen die verschiedenen ­Einsatzbereiche.

 

Der Kappzaum hat in vielen ­Ländern eine lange Tradition als Ausrüstungsgegenstand: Es gibt die spanische Serreta, das französische Caveçon oder den schweren Kappzaum, der häufig hierzulande eingesetzt wird. Generell kann der Kappzaum vielseitig zur Ausbildung und Gymnastizierung des Pferdes eingesetzt werden: Sowohl bei der Arbeit an der Longe, der Hand oder am langen Zügel als auch bei der Jungpferdeausbildung leistet er gute Dienste. „Der Kappzaum wirkt im Gegensatz zu einem Gebiss auf den Oberkiefer des Pferdes. An diesem sind die Hauptmuskeln des Halses über die Genickverbindung laufend angeheftet“, erklärt Kirsten Jung, Ausbilderin und Autorin des Buches „Rückentraining mit dem Kappzaum“. „Der Longenführer nutzt den Reflex des Pferdes aus, bei korrekter Genickstellung die innere Hüfte nach innen zu nehmen und dadurch mit dem inneren Hinterbein vermehrt unter den Schwerpunkt zu treten. So kann der Longenführer bei geschickter Einwirkung die gesamte äußere Muskelkette des Pferdes dehnen und damit lösen.“ Durch diesen Zusammenhang wird deutlich, warum der Kappzaum eine enorme Wirkung auf den gesamten Körper des Pferdes hat und somit als Hilfsmittel eingesetzt werden kann, um aus einem steifen Pferd ein losgelassenes zu machen, den Rücken zu aktivieren und ein Pferd langfristig gesund trainieren zu können. Aufgrund der punktuellen Wirkung des Kappzaums auf Oberkiefer und Genick kann der Longenführung durch feine Einwirkung an der Stellung und Biegung arbeiten.

 

Exkurs: zuchtspezifische Anforderungen

 

Das heutige Pferd unterscheidet sich in ­seinem Exterieur und somit den Anforderungen an das Training von früheren ­Pferden. „Die ­modernen Pferde sind nicht nur gangstärker und meist geschmeidiger geworden, auch hat sich leider die Abwärtshaltung bzw. Vorderlastigkeit gegenüber früher deutlich verstärkt. Als Kind habe ich gelernt, dass ein Gepard aufgrund der Beweglichkeit seiner Wirbel­säule dem Pferd in Sachen Geschwindigkeit weit überlegen ist, weil dieses eine steife ­Wirbelsäule hat und deshalb mit den Beinen nicht so weit ausgreifen kann. Inzwischen schwingt bei vielen Pferden der Rücken ebenfalls enorm – leider genauso weit nach unten wie nach oben. Da sich durch das Anzüchten vermehrter Schubkraft auch die Statik verschlechtert hat, haben die Pferde eine ­massive Abwärts­haltung bekommen“, gibt Kirsten Jung einen Einblick in die neuen Trainingsherausforderungen aufgrund der gezüchteten Hypermobilität der modernen Pferde.

Dadurch liegt das Hauptaugenmerk des Trainings – auch bei der Arbeit am Kappzaum – nicht mehr nur auf der Losgelassenheit, sondern vielmehr auf der Stabilität des Pferdes. Ist das Pferd nicht stabilisiert genug, können nicht nur Erkrankungen des Bewegungsapparates, sondern auch des Stoffwechsels und der Atemwege die Folge sein. „Viele dieser Probleme haben ihre Ursache in nichts anderem als in der Körperhaltung, die aufgrund der Statik ungünstig ist und durch die Belastung durch das Reitergewicht heute schon bei ganz jungen Pferden zu riesigen Problemen führt“, erklärt die Expertin. In früheren ­Generationen der Pferde befanden sich Knie und ­Ellbogen auf gleicher Höhe, und die Abwärtshaltung der Wirbelsäule war nur sehr gering – somit konnten diese Pferde problemlos am Kappzaum die Grundlagen erlernen. „Bei den modernen Pferden steht das Knie in normaler Haltung deutlich höher als der Ellbogen. Zudem zeigen schon die Dornfortsätze hinter dem Widerrist sichtbar abwärts, und die Linie der Wirbelsäule selbst noch viel deutlicher. Daher muss ein solches Pferd aufgrund seiner Anatomie anders gearbeitet werden: Zunächst muss die Körperhaltung verbessert werden, bevor es an die Grundlagen in der Ausbildung zum Reitpferd geht“, so Kirsten Jung.

 

Zwischen natürlicher Schiefe und Vorwärts-abwärts

 

Die natürliche Schiefe des Pferdes kann in Kombination mit der Vorderlastigkeit zu ­gesundheitlichen Problemen führen. Um diese zu vermeiden, muss das Training auf die gesamte Längsachse des Pferdes ausgelegt werden. Bei der Longenarbeit am Kappzaum muss der Longenführer viel Sachverstand an den Tag legen, erklärt Kirsten Jung: „Auf der hohlen Seite sollte vermieden werden, das Pferd am Kappzaum auf die Zirkellinie zu ziehen und quasi durch die Wendungen zu schleifen. Hat das Pferd aufgrund seiner natürlichen Schiefe und der daraus resultierenden Defizite in der Balance Schwierigkeiten, gebogen auf der Kreislinie zu laufen, so muss der Longenführer sinnvoll eingreifen und das Pferd korrigieren. Es kann helfen, vor der runden Zirkellinie erst mal ein Viereck anzulegen und das Pferd gerade zu richten.“ Auf der Zwangsseite muss man sehr genau darauf achten, dass das Pferd nicht nach innen kippt und den Zirkel abkürzt. In einem solchen Fall muss das Pferd veranlasst werden, seine innere Schulter hochzunehmen, ohne dabei über die äußere Schulter wegzulaufen.

Aufgrund des veränderten, zuchtbedingten Exterieurs muss bei der Longenarbeit am Kappzaum noch genauer gearbeitet und hingesehen werden. Bevor bei den modernen Pferden also die Losgelassenheit das Ziel der Arbeit am Kappzaum ist, liegt das Haupt­augenmerk auf der Lastaufnahme der Hinterhand und der Geraderichtung „Vorwärts-abwärts kann erst dann zur Rückendehnung führen, wenn die Statik des Pferdes so weit korrigiert ist, dass die Hinterbeine tragend-aktiv fußen und nicht mehr schiebend, wie dies heute bei 95 Prozent aller Pferde der Fall ist“, so die Ausbilderin. „Wird das Pferd in der Dehnung schneller, schieben die Hinterbeine, und die Arbeit ist nicht zielführend. Dann muss man einen Schritt zurück gehen, das Pferd zur Lastaufnahme veranlassen und schauen, ob es diese in der Dehnungshaltung halten kann.“ Der Kappzaum bleibt auch beim modernen Pferd ein wichtiges Hilfsmittel im Training in Bezug auf den Muskelaufbau, die Gymnastizierung und die Geraderichtung des Pferdes – er muss jedoch richtig und zum Pferd passend eingesetzt werden.

 

Im Dschungel der Varianten

 

Damit der Kappzaum seine positiven ­Effekte auf das Training entfalten kann, ist die Passform und Verschnallung entscheidend.  „Wer mit diesem Werkzeug arbeiten möchte, sollte auf jeden Fall darauf achten, dass der Kappzaum sich dem Pferdekopf gut anpasst. Schlecht sitzende Naseneisen stören die ­Arbeit, anstatt das Pferd zu unterstützen. Mittlerweile gibt es von reinen Ledernasenbändern – die sich gut anpassen, aber nur bei sehr feinen und anständigen Pferden zu empfehlen sind – über mit Leder ummantelte Ketten – die nicht für dauerhafte Anlehnung geeignet sind – bis hin zu schwereren Kappzäumen mit verschiedenen Naseneisen alle möglichen Varianten“, erklärt Kirsten Jung. „Meiner ­Meinung nach ist ein Kappzaum mit gut sitzendem Naseneisen mit weichem ­Leder unterpolstert für fast alle Pferde eine gute Lösung. Damit kann auch mit dauerhafter Anlehnung gearbeitet werden.“ Diese schweren, stabilen Kappzäume sind sehr gut für die Arbeit an der (Doppel-)Longe geeignet, ebenso wie für junge, ­unausbalancierte oder ungestüme Pferde, da sie nicht so schnell verrutschen. Zudem gibt es noch die ­Serreta aus Spanien: Hier ist das Kernstück ein starres Naseneisen – teilweise mit Zacken, mit oder ohne Lederummantelung. Eine Serreta mit Zacken sollte nie verwendet werden: Die unschönen, charakteristischen Narben sind häufig auf den Nasenrücken von importierten Pferden aus Spanien oder Portugal zu finden. Auch eine Serreta ohne Zacken und mit Lederummantelung ist der am schärfsten wirkende Kappzaum und sollte daher nur von sehr erfahrenen Menschen und an ausbalancierten Pferden verwendet werden. Das ­Caveçon stammt aus dem französischen Raum: Es hat im Nasenteil eine Kette mit beweglichen Elementen – beispielsweise eine Fahrradkette –, die mit Leder ummantelt ist. Ein solcher Kappzaum ist sehr leicht, hat ­allerdings auch eine recht scharfe Einwirkung und gehört ­daher in erfahrene Hände. Ein ­Caveçon ist am besten geeignet für die Arbeit an der Hand, weniger für die ­Arbeit an der Longe. Ein Kappzaum mit einem schmalen Nasenriemen, wie beispielsweise die beiden genannten Varianten Serreta und Caveçon, mag zunächst pferde­freundlicher als ein schwerer, stabiler Kappzaum erscheinen. ­Allerdings täuscht dies: Beide haben eine stärkere Einwirkung und gehören daher in erfahrene Hände. ­Nylonmodelle sind nicht empfehlenswert, da sie häufig Defizite in Sachen Passform haben und zum Verrutschen neigen.

 

Die Qual der Wahl

 

Generell ist jeder Kappzaum nur so hart wie die Hand, die ihn führt – genau wie bei einer Zäumung mit Gebiss. In erster Linie ist nicht die Variante entscheidend, sondern die Passform, die individuelle Vorliebe des Pferdes und die Anforderungen durch das Training. Ein Kappzaum mit Naseneisen besitzt aufgrund der robusten Bauweise eine höhere Stabilität und somit mehr Einwirkung als einer ohne. Allerdings können zu dicke oder unpassende Polster die Hilfengebung schwammig und ungenau machen. Daher unbedingt auf eine gute, passende Polsterung achten: Mehr ist nicht immer von Vorteil. Für die Arbeit an der Longe oder bei jungen,  steifen oder unausbalancierten Pferden ist ein Kappzaum mit Naseneisen eine gute Wahl.

Kirsten Jung erklärt, warum es Unterschiede in der Wirkweise eines Kappzaums in Abhängigkeit zur Verschnallung gibt: „Kappzäume, die ein bis zwei Finger breit unter der Jochbeinleiste verschnallt sind, wirken milder und sind daher auch für die Arbeit mit dauerhafter Anlehnung geeigneter. Je tiefer der Kappzaum verschnallt wird, desto stärker ist die Wirkung – deshalb sollte mit dieser Verschnallung nur mit feinen Signalen gearbeitet werden und nicht mit dauernder Anlehnung.“ Die Verschnallung kann entscheidend für das Ausmaß und die Verteilung des Drucks sein. Insbesondere bei sehr tiefer und lockerer Verschnallung ist Vorsicht geboten: Zum einen besteht die Gefahr, dass die Atmung des Pferdes beeinträchtigt wird, und zum anderen kann bei plötzlichem Druck – beispielsweise einem Temperamentsausbruch des Pferdes – der empfindliche weiche Nasenknorpel Schaden nehmen.

 

Nicht jeder Anfang ist schwer

 

Kirsten Jung erklärt eine tolle Übung für die erste Trainingseinheit: „Zu Beginn sollte die Stellung am Kappzaum erarbeitet werden. Insbesondere auf der hohlen Seite – meist ist dies die linke Hand – des Pferdes ist Vorsicht geboten: Die Pferde neigen dazu, sich mit dem linken Hinterbein zur rechten Schulter hin wegzuschieben, daher sollte der Longenführer sich in diesem Fall eine kurze Dressurgerte zu Hilfe nehmen. Das Pferd wird im Genick leicht gestellt und mit einem Gertenzeig in die Richtung des linken Hinterbeins aufgefordert, seitlich anzutreten. Sollte es den Hals zu sehr herumnehmen und über die rechte Schulter ausbrechen, kann die Gerte die Schulter von vorne außen einrahmen – dafür muss der Longenführer leicht vor dem Pferd stehen und sich rückwärts bewegen. Insbesondere die Zwangsseite kann das Pferd und den Longenführer bereits bei dieser Übung vor Probleme stellen: Das Pferd drängt auf die innere Schulter und bewegt sich in die Richtung des Longenführers. Deshalb muss das Pferd lernen, in Stellung vom Menschen weg anzutreten und dabei die ­innere Schulter hochzunehmen. Klappt dies, wird es später an der Longe einfacher dem Drängeln nach innen entgegenzuwirken.“

Die Wahl fällt bei den vielen Kappzaum-Modellen nicht leicht: Die Entscheidung richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen von Pferd und Reiter sowie den Anforderungen und Zielen des Trainings. Empfehlenswert ist es, verschiedene Modelle auszuprobieren, und zu schauen, womit sich das Pferd am wohlsten fühlt.

 

Foto: slawik.com

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