Wie die deutschen Sportpferde ihren Weg zu den Weltreiterspielen 2010 in Kentucky erlebten.

Raus aus dem provisorischen Stall in der riesigen Halle hinaus aufs Rollfeld des Lütticher Flughafens. Das aufgeregte Schnauben der Pferde klingt lebendig und fremd in einer Umgebung die von Maschinenlärm bestimmt wird. Draußen wartet ein Anhänger mit grauen Containern auf die vierbeinigen Passagiere. Über eine Rampe werden die Pferde in das Innere der dunklen Container geführt.

So erging es im Sommer letzten Jahres vielen Pferden in Deutschland und anderen Ländern dieser Welt. Vom 25. September bis zum 10. Oktober fanden in Lexington im Bundesstaat Kentucky die World Equestrian Games 2010 statt. Die Weltmeisterschaften in acht Pferdeportdisziplinen. Für dieses Mega Event flogen 53 Pferde von deutschen Reitern in die USA.

Für Fernsehzuschauer ist es selbstverständlich deutsche Reiter und Pferde auf ausländischen Turnieren über den Bildschirm galoppieren zu sehen. Doch der logistische Aufwand und vor allem die Belastung für die Pferde, die dahinterstecken sind enorm: Ein Pferd aus Deutschland benötigt für die Reise mehrere Tage. Davon verbringt es allein neun Stunden in dem beengten Container im Bauch des Flugzeugs. Dort hat es weniger Platz als ein Hühn in Käfighaltung. Und das obwohl Pferde Lauftiere sind. Für die Flucht und Herdentiere sind Bewegungsraum, Sozialkontakte und Licht die elementarsten Grundbedürfnisse. Doch die müssen während einer solchen Reise zurückstecken. Damit tun sich auch die Reiter schwer, die ihre wichtigsten Partner bei der Reise nicht begleiten dürfen. Welche Mutter würde ihrem Kind schon gerne eine tagelange Reise mit fremden Menschen zumuten. Hans Melzer, der Equipchef des deutschen Vielseitigkeitsteams für Kentucky kennt die Problematik unter den Reitern, die geliebten Pferde auf eine solche Reise zu schicken und die Verantwortung aus der Hand zu geben. Seine Schützlinge sind am 22. September 2010 abgeflogen „Der Transport ist bei den Reitern und Pflegern vorher immer ein großes Thema. Die Reiter sind extrem besorgt um ihre Pferde, denn die Pferde sind stark fixiert auf die Reiter und Pfleger. Jeder würde gerne seinen eigenen Pfleger mit den Pferden mitschicken, der die Pferde besonders gut kennt“, erklärt der Bundestrainer Hans Melzer. Aber für die sechs deutschen Vielseitigkeitspferde durfte nur ein Pfleger und der Mannschaftstierarzt mitreisen.

In den Bauch des Flugzeugs dringt Turbinenlärm in die Container der Pferde. Der Frachtraum ist nicht so gut ausgekleidet wie in Passagierflugzeugen, daher ist der Geräuschpegel höher. Mit etwas Glück können zwei Pferde, die sich ein Abteil teilen mit ihren Nasen ihren Containernachbarn berühren. Ein schwacher Trost. Bei Start und Landung werden die wertvollen Vierbeiner mit Heu gefüttert, damit keine Panik ausbricht, wenn der Flug unruhig wird, erklärt Hans Melzer.

Isabell Atock ist “Horse shipping agent” der Firma Peden Bloodstock. Das Unternehmen war offizieller Agent der Weltreiterspiele 2010. Die Logistikexpertin beschreibt die Dimensionen einer solchen Veranstaltung: „460 Pferde aus 62 Nationen, sind beinahe zeitgleich von Lüttich nach Cincinnati in Ohio abgereist, 80 weitere sind von anderen Flughäfen aus angekommen. Nach den 9 Flugstunden ging es sofort in die Importquarantäne. Dort mussten die Pferde mindestens 42 Stunden bleiben und nur Pfleger und Tierarzt hatten Zugang.“ Der Pfleger durfte die Pferde innerhalb des Quarantänezelts im Schritt führen. Für Tiere, die in freier Wildbahn bis zu 16 Stunden in Bewegung sind und dabei etwa 40 Kilometer täglich zurücklegen sind das Extrembedingungen. „Nach Entlassung aus der Quarantäne ging es auf dem LKW weiter in den zirka eineinhalb Stunden entfernten Kentucky Horse Park“, schildert Isabell Atock die letzte Reiseetappe der deutschen Sportpferde.

 

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