Text: Inga Dora Schwarzer Foto: www.Slawik.com
Ein ausbalancierter Sitz im Sattel und eine harmonisch aufeinander abgestimmte Hilfengebung sind kein Hexenwerk. Reiter brauchen dafür nur eins: eine gute Koordination auf dem Pferd. Ähnlich wie ein Muskel lassen sich koordinative Fähigkeiten gezielt trainieren – und das sogar, ohne zu reiten
Wir können Reiten lernen, ohne zu reiten. Da Informationen aus den Augen (visuelles System), aus dem Gleichgewicht (vestibuläres System) und aus der Eigenwahrnehmung im Raum (Propriozeption) aufgenommen werden, sei es möglich, die Koordination durch einen Kleinhirntest zu steigern.
Und so geht’s: Kleben Sie einen Zettel (z.B. Post-it) mittig auf Augenhöhe an eine Wand und verteilen Sie mindestens fünf Zettel kreisförmig um diesen herum. Schauen Sie den Zettel auf Augenhöhe ständig an, während Sie versuchen, die umliegenden Zettel mit Ihrem Zeigefinger zu berühren. Danach führen Sie Ihren Zeigefinger zur Nasenspitze. Wechseln Sie dann zum Zeigefinger der anderen Hand und wiederholen Sie diese Übung pro Seite etwa zehn bis 15 Mal. Ein solches Neuro-Athletik-Training ist unter Profisportlern längst bekannt. Im Reitsport hat Marc Nölke ein spezielles gehirnbasiertes Training entwickelt, um gezielt jene Gehirnareale des Reiters zu trainieren, die für die Stabilität, das Rhythmusgefühl, die Bewegungspräzision und die Sehzentrale zuständig sind.
Laut dem Experten wirkt sich vor allem die Händigkeit auf unsere Koordination aus. Dazu erklärte er Tanja Schulze Folgendes: Die bevorzugte Hand sei mit der Lateralisation des Gehirns, also der Aufteilung von Prozessen auf die rechte und linke Gehirnhälfte, verbunden. Eine Gehirnhälfte wäre dabei stets dominanter als die andere. Das beeinflusse unsere motorischen Fähigkeiten. Laut Studien könnten Rechtshänder eine bessere Koordination und Geschicklichkeit in ihrer dominanten Hand aufweisen, was bei präzisen Aufgaben wie dem Schreiben oder Werfen vorteilhaft sei, beim Reiten aber ein Ungleichgewicht mit sich bringe. Sie setzen die rechte Körperhälfte geschickter und feinmotorischer ein als die linke, sodass das Pferd auf der rechten Hand oft besser geritten werden kann. Linkshänder hingegen würden oft eine gleichmäßigere Verteilung der Fähigkeiten zwischen beiden Händen zeigen und sich besser an neue motorische Aufgaben anpassen, weil sie in einer von Rechtshändern dominierten Welt zurechtkommen müssten. Diese Flexibilität könne sich positiv auf ihre allgemeine motorische Koordination auswirken. „Die Händigkeit ist also nicht nur eine Vorliebe für eine Hand, sondern umfasst tiefgreifende Auswirkungen auf die Koordination, die motorische Steuerung und die neurologische Organisation eines Individuums“, fasst die Ausbilderin zusammen.
Externe Faktoren
Nicht zuletzt wird unsere Koordination durch weitere externe Faktoren bestimmt. „Falsche Atmung, Stress, Bewegungsmangel, Alkohol, schlechter Schlaf usw. haben einen negativen Einfluss auf die Körperkontrolle im Sattel. Im Umkehrschluss wirken sich guter Schlaf, gute Ernährung, ausreichende Bewegung neben dem Reiten und eine entspannte Atmung positiv aus“, meint die Expertin. Ähnliches gilt für eine gute Kon- dition.
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