Text: Inga Dora Schwarzer     Foto: www.Slawik.com

Alles, was der Reiter tut, hat einen Lerneffekt auf sein Pferd – positiv wie negativ. Kommt es zu einer ungewollten Fehlkonditionierung oder Gewöhnung, reagiert das Pferd nicht wie gewünscht. Es stumpft auf die Hilfen ab oder zeigt ein anderes als das erwartete Verhalten. Wie Sie den Vierbeiner wieder sensibilisieren, erklärt Dr. Sandra Ruzicka

Unsensibilität hat viele Gesichter. Reiter beschreiben ihre Pferde als faul und triebig oder hart im Maul, weil sie nicht oder nur ungenügend auf die reiterlichen Hilfen reagieren. Die Tiere drängeln oft besonders mit der Schulter. Manche rennen ihren Menschen um, weil sie seinen Raum nicht beachten, oder wollen ihm nicht oder nur ungerne weichen. Möchte man mit dem Longieren beginnen, fällt den Tieren die Distanzvergrößerung schwer. Oft rammen sie die Beine in den Boden, wirken angespannt und erstarren oder bocken, anstatt die Energie ins Vorwärts umzuleiten, zählt Pferdeverhaltensexpertin Dr. Sandra Ruzicka aus Giesen in Niedersachsen ein paar typische Beispiele auf.

Wie lernt das Pferd?

Die Ursachen für eine mangelnde oder ungewollte Reaktion des Pferdes auf die Reiterhilfen sind so vielschichtig wie die Symptome selbst. „Am häufigsten handelt es sich bei der vermeintlichen Abgestumpftheit jedoch um ein Unverständnis in der Hilfengebung“, ist sich Ruzicka sicher. Der Reiter teilt dem Pferd etwas in einer Art und Weise mit, das es nicht verstehen kann. „Die Ausbildung des Pferdes basiert vor allem auf der Lernform der Konditionierung. Es erlernt Signale und Bewegungen mittels positiver und negativer Verstärkung“, sagt Ruzicka. Hier liegt die größte Fehlerquelle.

Bei der Konditionierung wird ein neutraler Reiz mit einer neuen Bedeutung verknüpft – zum Beispiel die vorwärts treibende Schenkelhilfe mit einer Vorwärtsbewegung. Dafür kann sich der Reiter der positiven Verstärkung bedienen, die er sich als ein Pluszeichen vorstellen kann. Zu einem bestimmten und gewünschtem Verhalten wird etwas hinzuaddiert, was das Pferd als angenehm empfindet. Das kann ein Lob, ein Leckerli, eine Pause oder ein Sekundärverstärker wie die Stimme sein. Die negative Verstärkung hingegen stellt ein Minuszeichen dar. Der Reiter nimmt einen Reiz weg. „Beide Arten von Verstärkung stellen eine Belohnung dar, worauf das Pferd ein Verhalten häufiger zeigen wird“, erklärt die Ausbilderin.

Zur nichtassoziativen Lernform zählt die Sensibilisierung. „Wenn die Reizstärke (beispielsweise der Schenkeldruck) sinkt, dabei aber eine gleich starke Reaktion (Vorwärtsbewegung) hervorgerufen wird oder auf den gleichen Reiz eine deutlichere Reaktion erfolgt, spricht man von einer Sensibilisierung auf einen bestimmten Reiz (Signal, Hilfe)“, so die Expertin weiter. Setzt der Reiter die Hilfe aus, sobald das Pferd korrekt reagiert, und reduziert sie bei den nächsten Anfragen immer weiter, genügt bald eine sanfte Ausführung, um das Vorwärts auszulösen. „Damit es den Reiz als relevant einstuft, muss jedes Mal die Reizschwelle überschritten werden und die gewünschte Reaktion erfolgen“, erläutert die Trainerin. Nur dann käme es zu einer Verfeinerung der Signale bzw. einer stabilen Reaktion auf geringstmögliche Signale, einer erhöhten Reaktivität, einer Leichtigkeit in der Hilfengebung, mehr Motivation und schlussendlich durch ein kooperatives Pferd auch zu mehr Sicherheit für beide Parteien.

Am Ende steht die Durchlässigkeit, bei der keine Energie im Pferd steckenbleibt. „Reagiert ein Pferd sensibel auf die Hilfen, gleicht der Input dem Output. Würde es mit weniger Output als Input antworten, wäre es ‚abgestumpft‘, bei mehr Output als Input überreaktiv. Wir suchen deshalb genau das Gleichgewicht, in der Energie gespiegelt, durchgelassen und umgeformt wird“, erklärt Sandra Ruzicka.

Falsche Verknüpfung

Wurden die Hilfen jedoch falsch vermittelt, stimmt die Waage nicht mehr. „Wird der Reiz nicht im richtigen Moment weggenommen und dadurch nicht negativ verstärkt bzw. belohnt, verliert er schnell an Relevanz“, weiß die Ausbilderin.

Mehr Tipps von der Ausbilderin finden Sie in der neuen Mein Pferd- Ausgabe.

#doitride-Newsletter   Sei dabei und unterstütze die #doitride-Kampagne! Mit unserem Newsletter verpasst Du keine Neuigkeiten rund um #doitride. Jetzt aktivieren!