Die Trainingslehre fordert ein rhythmisches An- und Abspannen der Muskulatur für optimale Leistung – genau das passiert beim Leichttraben. Was bei Pferd und Reiter abläuft und warum die Wissenschaft das Leichttraben trotzdem nicht so gut findet
Zwei Studien beschäftigten sich mit Themen rund ums Leichttraben. In Utrecht (Holland) wurden acht Pferde geprüft unter der Fragestellung, inwieweit sich die Muskeltätigkeit des Pferdes beim Leichttraben verändert. Alle Pferde wurden jeweils mit leichttrabendem Reiter und mit aussitzendem Reiter verglichen. Ergebnis: Wenn das Pferd in Dehnungshaltung leichtgetrabt wird, hält es zwar Kopf und Hals niedriger, aber die Rückenmuskulatur dehnt sich gar nicht so stark. Beim Aussitzen dagegen, wenn das Pferd Kopf und Hals etwas höher trägt, konnten die Wissenschaftler eine stärkere Dehnung der Rückenlinie nachweisen.
In Uppsala (Schweden) ging man der Frage nach, welche Kräfte auf die Gliedmaßen der Pferde einwirken beim Leichttraben. Der Fokus lag also mehr auf der Frage nach der Symmetrie bzw. Asymmetrie beim Auffußen. Es wurden ausschließlich bis Grand Prix ausgebildete Pferde für den Test verwendet. In dieser Untersuchung stellte man fest, dass das Pferd grundsätzlich beim Einsitzen des Reiters geradezu ausgebremst wurde. Das heißt, die Kräfte, die entstanden, gingen mehr in den Boden als nach vorne. Welche Konsequenzen sich hieraus ableiten lassen könnten im Hinblick auf den Gelenkverschleiß der Gliedmaßen, ist eine Frage, bei der man noch am Anfang steht.
Individuelle Lösung
Bis das deutsche Sportpferd Wumpi sechs Jahre alt war, ging es fast immer lahm. Es fiel auf das rechte Vorderbein. Untersuchungen zeigten bereits Gelenkverschleiß. Der behandelnde Tierarzt vermutete aber, dass die Ursache im Kreuzdarmbeingelenk lag, und sicherte diese Diagnose mit Röntgenaufnahmen. Er riet der Besitzerin, auf das Leichttraben komplett zu verzichten und zum Lösen eine Art „Jog“ (sehr langsamer Trab) zu wählen, um damit Faszien und Muskeln tragfähiger zu machen. Unglaublich: Seit sechs Jahren ist Wumpi lahmfrei und hat Dressurprüfungen bis M gewonnen!
Tipps für den Reiter
Die Gewichtsverlagerung nach vorne ist ein häufig auftretender Reiterfehler. Viele Reiter neigen ihren Oberkörper beim Leichttraben zu weit nach vorne in der falsch verstandenen Absicht, das Pferd zu entlasten. Hier hat sich ein Missverständnis vom Vorwärts- abwärts-Reiten entwickelt. Die Vorhand des Pferdes wird durch die Gewichtsverlagerung des Reiters zu stark belastet. Oft hat das Vorneigen des Oberkörpers auch etwas mit mangelnder Körperbeherrschung/fehlendem Gleichgewicht zu tun.
Tipp:
Üben Sie das Leichttraben einhändig oder an der Longe sogar auch mal freihändig. Denn dies kann helfen, den Oberkörper an der Senkrechten zu behalten und besser im Gleichgewicht zu bleiben.
Text: Kerstin Niemann Foto: www.Slawik.com