Text: Aline Müller Foto: www.Slawik.com
Nicht wenige Pferde sind trageerschöpft. Dies kann fatale Folgen für den Körper und die Psyche haben. Was das bedeutet und was Sie tun können, erklärt unsere Expertin Dr. Sandra Ruzicka
Die Liste der Anzeichen für eine Trageerschöpfung eines Pferdes ist lang. Dr. Sandra Ruzicka geht darauf explizit in ihrem Buch ein. Wir wollen Ihnen dennoch ein paar mögliche Symptome nennen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass kein Pferd alle Anzeichen gleichzeitig zeigt, da sich einige gegenseitig ausschließen. „Kompensationsmuskulatur ist kantig, und sie ist aufgrund diverser Schmerzgeschehen meist hyperton (erhöhter Mukeltonus) oder stellenweise auch schlaffer als gesund“, sagt Dr. Sandra Ruzicka. Halsbasis und Lende seien immer verspannt. Zudem könne die Bemuskelung auffällige Verhärtungen bekommen. „Ver- spannte Muskeln schmerzen und bilden regelrechte Beulen aus“, so unsere Expertin. Sackt der Brustkorb ab, sinkt auch das Stockmaß des Pferdes. Viele betroffene Vierbeiner stehen in einem sogenannten „Gliedmaßen-V“. Dabei ist die Vorhand rück- und die Hinterhand vorständig. Die Standfläche verkleinert sich. „Die Hinterhand sieht im Vergleich zur Vorhand meist unterentwickelt aus, als wären es zwei unterschiedliche Pferde“, betont Dr. Sandra Ruzicka. Es lohnt sich auch, einen Blick auf die Mimik zu werfen, denn trageerschöpfte Pferde wirken oft angespannt, aggressiv, apathisch oder haben einen schmerzerfüllten Ausdruck.
Bewegung und Rittigkeit
Eine Trageerschöpfung zeigt sich auch an veränderten Bewegungsmustern und hat dadurch Einfluss auf die Rittigkeit. Das Absinken der Halsbasis hat verheerende Folgen, erklärt Dr. Sandra Ruzicka: „Der nach vorn verlegte Schwerpunkt verstärkt die Vorhand- lastigkeit, der Rücken ist sowieso die Brücke zwischen allem, und wenn die Hinterhand beeinträchtigt wird, ist auch der Motor des Pferdes eingeschränkt.“ Hinzu kämen zudem systematische Schäden, das Fasziennetz verspanne und verklebe sich. „In fast allen Fällen stellt sich die tiefe Rückenmuskulatur fest und verursacht Blockaden“, so unsere Expertin weiter. Weil die Pferde hinten schwerer Last aufnehmen können, versuchen sie, sich vorne mehr zu ziehen. Doch sie kommen auch mit der Vorhand nicht gut raus, und viele Pferde schlurfen regelrecht. Manchmal wirbeln die Hufe Sand auf, oder sie stampfen. Trageerschöpfte Pferde können zudem häufig ihren Takt verlieren, sich schwunglos, schlaff oder verspannt bewegen. Betroffene Pferde wirken nicht selten müde, klemmig und energielos. Auch eine Passverschiebung im Schritt kann auf Rückenschmerzen hindeuten. „Die Gangbilder im Trab und Galopp wirken bergab und in den Boden hinein“, berichtet Dr. Sandra Ruzicka. Nicht selten werde der Galopp unter dem Reiter sogar komplett verweigert, da der Rumpftragapparat in der Landung besonders gefordert sei, den Brustkorb aufzufangen. Gleiches gilt für das Springen. Weitere Alarmzeichen sind vor allem plötzlich auftretende Rittigkeitsprobleme. Dabei seien selbst vermeintlich noch harmlose Warnsignale wie Schweifschlagen oder Kopfschütteln bereits als Warnsignale zu werten. Ein losgelassenes Wohlfühltempo ist schwierig möglich, wenn die Pferde ihrem Gleichgewicht hinterherrennen oder sich nicht mehr richtig bewegen möchten.
Koordination und Schiefe
In der Lendenregion des Pferdes entspringt das große Nervengeflecht, welches die Hinterhand versorgt. Bei einer Trageerschöpfung leidet aus diesem Grund nicht selten die Koordination. „Je nach Kompensationsmuster arbeitet die Hinterhand vermehrt nach hinten heraus oder fußt zwar weit, aber kraftlos vor“, erläutert Dr. Sandra Ruzicka. Manche Pferde werfen den Kopf in den Übergängen nach oben, um die fehlende Kraft der Hinterhand auszugleichen. Sie landen auf der Vorhand, wobei der Rücken in der Bewegung nicht nach oben schwingt, sondern nach untern. „Das können Sie daran erkennen, dass die Ohren des Pferdes im Takt nach hinten oben statt nach vorne unten wippen“, verrät unsere Expertin. Ebenso sind Irritationen der Nerven nicht unnormal, welche Gleichgewichtsprobleme verursachen sowie das Risiko von Stolpern und Stürzen erhöhen können. Die Schiefe des Pferdes verstärkt sich, wenn der Brustkorb sinkt, was zu einseitigen Muskelverspannungen führt. Zu den typischen Folgen einer Trageerschöpfung gehören auch Anlehnungsprobleme.
Mehr erfahren Sie in der aktuellen Mein Pferd- Ausgabe.